Annapolis: Erste Nahost-Konferenz seit sieben Jahren

Schmerzhafte Kompromisse nötig

In Annapolis bei Washington beginnen Gespräche über die Lage im Nahen Osten. Neben den Konfliktparteien, also Israelis und Palästinenser, sind alle arabischen Staaten, Vertreter internationaler Organisationen und weitere Länder wie auch Deutschland eingeladen. Auch die Diplomaten des Vatikan wurden überraschend gebeten, an der Konferenz teilzunehmen. Die Erwartungen gehen auseinander, von israelischer Seite heißt es, es sei schon ein Erfolg, dass so viele arabische Staaten kommen.

 (DR)

US-Präsident George W. Bush hat zu dem Treffen eingeladen und an den Friedenswillen der Beteiligten appelliert. Alle Seiten müssten ihre Anstrengungen verdoppeln, um den Traum vom Frieden Wirklichkeit werden zu lassen, erklärte Bush. Er fühle sich persönlich verpflichtet, dass eine Zwei-Staaten-Lösung erreicht werde, die Israelis und Palästinensern ein friedliches Zusammenleben ermögliche.

Türöffner für weitere Gespräche
Dieses persönliche Engagement des Präsidenten und der Teilnehmer aus den arabischen Staaten, bewertet Christian Hanelt, Nahostexperte der Bertelsmannstiftung im domradio-Interview positiv. Wenn es gelingt einen verbindlichen Arbeits- und Zeitplan festzulegen, könne man von einem Erfolg sprechen. Eine Lösung müsse innerhalb der Amtszeit von Präsident Bush gefunden werden, sonst würde Annapolis dem Schicksal der Verhandlungen von Oslo und Camp David folgen.

Europa solle sein gesamtes Engagement darauf richten, "die Arabische Liga mit ihrer Friedenserklärung im Boot zu halten", so Hanelt. Wichtig sei auch die Aus- und Weiterbildung  palästinensischer Polizisten. Hier könne Europa einen Beitrag zur Sicherheit leisten, die es zwischen Israel und Palästina geben müsse.

Geringe Erwartungen
Zu klären gibt es in Annapolis unzählige schwierige Fragen: den künftigen Status Jerusalems, die endgültige Grenzziehung zwischen Israel und einem möglichen Staat Palästina und die Situation der vielen palästinensischen Flüchtlinge, zum Beispiel in den libanesischen Lagern. Die Erwartungen des Nahost-Korrespondenten Johannes Zang sind denn auch gering. Man habe sowohl auf israelischer als auch auf palästinensischer Seite schon zu viele gescheiterte Friedensgipfel gesehen und sei daher sehr skeptisch, dass diese Konferenz „den Durchbruch zum Frieden" bringen könne.

„Es ist zumindest ein Erfolg, dass erstmals die gesamt arabische Welt und erstmals die arabische Liga mit Generalsekretär bei einem solchen Treffen zugegen sein werden". Natürlich sei George W. Bush kein sehr guter Vermittler. „Die Palästinenser sehen ihn als sehr parteiisch, auf Seiten der Israelis". Hier gelte es abzuwarten, ob Bush und Rice in der Lage seien „dem Treffen neuen Schwung zu verleihen" und die zentralen Anliegen zur Sprache zu bringen, so Zang im domradio-Interview.

Was die Flüchtlingsfrage betrifft, gäbe sich die Mehrheit der Palästinenser mit einer israelischen Erklärung zufrieden, in der Israel die Mitverantwortung für das Flüchtlingselend der Palästinenser zumindest anerkenne. „Ob die Leute dann im Einzelfall zurückkehren wollen ist natürlich noch sehr fraglich.", erläutert Nahost-Korrespondenten Zang.

Rolle Europas nicht überschätzen
Bei einem Festakt zum 40. Jahrestag der Jerusalem Foundation sagte Klaus Kinkel (FDP)mit Blick auf die Nahostkonferenz in den USA: "Israel und Palästina werden in den nächsten Jahren schmerzhafte Kompromisse schließen müssen. Wir werden ihnen den notwendigen Ausgleich nicht abnehmen können, und schon gar nicht dürfen wir ihnen eine Lösung diktieren." Nur die Vereinigten Staaten verfügen nach Einschätzung des früheren Ministers über das notwendige Gewicht, um Bewegung in den Konflikt zu bringen. Europa dürfe seine Möglichkeiten nicht überschätzen. "Nach wie vor sind wir mehr wirtschaftlich als politisch gefragt."

Deutschland sieht "besonderen Chance"
Die Bundesregierung erhofft sich von dem am Dienstag beginnenden Nahost-Gipfel in den USA entscheidende Impulse für den Friedensprozess. Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler (SPD), gab sich am Dienstagmorgen im rbb-Inforadio optimistisch und sprach von einer "besonderen Chance". Entscheidend sei, dass gerade die nicht gemäßigten arabischen Staaten wie Syrien und Saudi-Arabien bei dem Treffen dabei seien. So könne die Veranstaltung nicht gleich als eine "reine Insiderveranstaltung des westlichen Lagers" bezeichnet werden. Allein dies sei schon etwas "ungewöhnlich Positives". So komplett habe die Runde noch nie an einem Tisch gesessen.