Der Ökumenische Kirchentag hat sein Gemeinschaftssymbol gefunden

An Biertischen vereint

Zentrales Symbol des 2. Ökumenischen Kirchentags soll nach den Worten des evangelischen ÖKT-Präsidenten Eckhard Nagel der Tisch sein. Dieses urchristliche Motiv drücke nicht nur Sehnsucht nach umfassender Geschwisterlichkeit aus, sondern stelle auch das Prinzip des Teilens in den Mittelpunkt. Damit solle die verbindende Kraft des Christentums betont werden.

 (DR)

Ein leichter Temperaturanstieg und einige Regentropfen hatten in der Nacht die Schneedecke in München dahinschmelzen lassen. Für den evangelischen Präsidenten des 2. Ökumenischen Kirchentags, Eckhard Nagel, kam der Umschwung am Mittwoch wie gerufen. Mit Blick auf den Stand der zwischenchristlichen Beziehungen sprach er von «Tauwetter», wo manche - zum Ärger der Bischöfe - immer noch von «Eiszeit» reden.

Knapp 100 Tage vor Beginn der Großveranstaltung präsentierten die Ausrichter des Ökumenischen Kirchentages (ÖKT) in München erstmals Details der Lösung für ein heikles Problem: Wie soll man Gemeinschaft ausdrücken, die es schon gibt, die aber noch nicht vollendet ist? Und wie zugleich einen Fortschritt gegenüber der Premiere vor sieben Jahren in Berlin markieren? Damals setzten ein paar Abweichler am Rande des ÖKT medienwirksam liturgische Grenzüberschreitungen in Szene, was die Kirchenoffiziellen nicht für ein probates Mittel halten.

Die evangelische Kirche lädt alle Christen zu ihrem Abendmahl ein, die katholische Kirche gestattet ihren Gläubigen aber die Annahme dieser Einladung nicht; auch bleiben bei ihr Nicht-Katholiken prinzipiell vom Kommunionempfang ausgeschlossen. Man hat sich darauf verständigt, diese Unterschiede zu respektieren mit der Nebenwirkung: Der Tisch ist bisher das Zeichen der Kirchentrennung. Dies soll sich mit dem ÖKT in München ändern.

Hier kommt der Lokalkolorit der bayerischen Landeshauptstadt ins Spiel. Nirgends außerhalb von Griechenland gibt es so viele orthodoxe Griechen, 25.000 an der Zahl. Bei der ÖKT-Vorbereitung kristallisierte sich heraus, dass ein orthodoxer Ritus zur Entkrampfung in der Abendmahlskontroverse beitragen könnte, nämlich die sogenannte Artoklasia, zu deutsch: Brotbrechen. Vor großen Festen oder aus familiären Anlässen werden in orthodoxen Vespergottesdiensten häufig fünf Brote, Wein, Öl und Weizen gesegnet - zur Erinnerung an die biblisch bezeugte Speisung der Fünftausend.

Nach einem kurzen Gebet werden die Speisen an die Gläubigen verteilt oder gleich gemeinsam verzehrt. Die ÖKT-Veranstalter wollen nun diesen Ritus ins Programm integrieren, ohne damit anhaltende theologische Differenzen zu überspielen oder eine billige Ersatzhandlung vorzunehmen. Der Schmerz über die Trennung am Altar bleibe bestehen und dränge auf Überwindung, für die die Zeit jetzt noch nicht reif sei, heißt es. Letztlich sei aber das Verbindende heute schon stärker.

Wie wird das nun in München aussehen? Am dritten Tag des ÖKT werden abends auf dem Odeonsplatz 1.000 Biertischgarnituren stehen, geschmückt mit je einer Tischdecke. Von dort aus werden die Gottesdienstteilnehmer - man rechnet mit 10.000 - eine orthodoxe Vesper mitfeiern und das gesegnete Brot gemeinsam essen. Angereichert wird das schlichte Mahl durch einen Krug Wasser, Öl zum Eintauchen des Brotes und Äpfel aus ökologischem Anbau.

Nagel sagte, er würde sich nicht wundern, wenn es später einmal
hieße: «Das war der Ökumenische Kirchentag der tausend Tische.» Die Veranstalter trauen dieser Form von «Tischgemeinschaft» ein hohes Maß an Symbolkraft und Erlebnischarakter zu.

Mit den Exponenten der Ungeduldigen, die seinerzeit in Berlin für unerwünschtes Aufsehen sorgten, gibt es dieses Mal «konstruktive Gespräche», berichtete der katholische ÖKT-Präsident Alois Glück. Hinweise auf Überraschungsaktionen lägen keine vor, auch wenn natürlich niemand auf eine Unterlassung verpflichtet werden könne.

Bei der Kirchenvolksbewegung «Wir sind Kirche» jedenfalls scheint die Lust zur Provokation geringer geworden zu sein. In Verhandlungen mit dem ÖKT hat man sich auf einen Gottesdienst mit «Werkstattcharakter» verständigt, den «Wir sind Kirche» als «ökumenische Mahlfeier» ankündigt. Der Feier wird ein Laie vorstehen, mithin sind Amtsträger nicht kompromittiert. Auch die Worte Jesu vom Gründonnerstag, Kern aller christlichen Herrenmahlsliturgien, werden nicht gesprochen. Damit sollte eine Verwechslungsgefahr mit sakramentalen Vollzügen ausgeschlossen sein.