Die Präsidenten des 2. Ökumenischen Kirchentages im Interview

Der bleibende Auftrag für ein besseres Zusammenwachsen

Die beiden Präsidenten des 2. Ökumenischen Kirchentages (2. ÖKT), Alois Glück und Prof. Dr. Dr. Eckhard Nagel, nehmen 100 Tage vor Beginn der ökumenischen Großveranstaltung Stellung zu den wichtigsten Fragen rund um die Großveranstaltung. Lesen Sie in dem Interview mehr über den Stand der Vorbereitung, die Frage des gemeinsamen Abendmahls und über Zeichen für die Ökumene.

 (DR)

Wie ist der Stand der Vorbereitung?
Eckhard Nagel: Jetzt ist die Zeit, sich zum 2. Ökumenischen Kirchentag anzumelden. Überall in Deutschland, aber auch in Österreich und der Schweiz hängen Plakate und liegen Einladungsprospekte aus. Der Teilnehmerservice in der Münchner Geschäftsstelle arbeitet auf Hochtouren. Gleichzeitig erstellen wir schon das Programmheft, das voraussichtlich mehr als 700 Seiten haben wird. Die Abteilung "BauTec" stellt die Planungen für die vielen Veranstaltungsorte - Messehallen, große Bühnen, Säle und Kirchen - fertig, und wir suchen 15.000 Gastgeberinnen und Gastgeber in und um München, die Teilnehmende des ÖKT bei sich zu Hause unterbringen. Die Vorbereitungen sind in vollem Gang - und auf einem guten Stand, um am 12. Mai in München über 100.000 Menschen aus ganz Deutschland und aus aller Welt begrüßen zu können.

Was sind die größten Herausforderungen bis zum Beginn der Veranstaltung?
Alois Glück: Die inhaltliche Vorbereitung in der Ökumene vor Ort durch gemeinsames Beten und Aktionen im Miteinander der Christlichen Gemeinden. Dazu in München der Abschluss der Programmgestaltung und die großen logistischen Aufgaben wie Unterkünfte für Teilnehmer, Veranstaltungsorte und Verkehr organisieren, Sicherheitsfragen etc. Ist die Zeit denn überhaupt reif für einen 2. Ökumenischen Kirchentag, schließlich gab es in der letzten Zeit auch immer wieder Verstimmungen? Nagel: Jetzt ist der richtige Zeitpunkt für den 2. Ökumenischen Kirchentag. Christinnen und Christen aus allen Kirchen wollen ökumenische Gemeinschaft erleben, feiern und vor der Öffentlichkeit bezeugen - unabhängig davon, welche ökumenischen Fortschritte im Gespräch zwischen den Kirchen erreicht sind oder weiter auf sich warten lassen.

Was bedeutet für Sie Ökumene?
Glück: Das ist der bleibende Auftrag für ein besseres Zusammenwachsen, einer Einheit in der Vielfalt auf der Basis der gemeinsamen Grundlagen im Glauben an Jesus Christus, seinen Tod und seine Auferstehung in der Gemeinsamkeit der Christlichen Taufe.

Welchen Impuls für die Ökumene erwarten Sie vom 2. Ökumenischen Kirchentag?
Nagel: Ich gehe davon aus, dass die geübte gemeinsame Praxis des Gebets und des Gottesdienstes während des 2. Ökumenischen Kirchentages, das Aufeinanderzugehen in unseren christlichen Kirchen konkret erleichtert und für die Gemeinden eine hilfreiche Unterstützung sein wird. Der 2. ÖKT ist ein wichtiger Motor für das gegenseitige Verständnis und die Basis für gemeinsames Handeln. Zum anderen erwarte ich, dass der Wunsch nach Einheit, nach tieferer Gemeinschaft innerhalb der Christenheit klar und unüberhörbar artikuliert wird - auch die ökumenische Ungeduld, die in den vergangenen Jahren bei vielen angewachsen ist. Es wäre gut, wenn die Hoffnungen und das Drängen in den Gemeinden den Leitungen der Kirchen zu denken geben.

Immer wieder wird die Frage des gemeinsamen Abendmahls thematisiert. Was wird uns beim 2. Ökumenischen Kirchentag erwarten?
Glück: Es wird beim 2. Ökumenischen Kirchentag keine gemeinsame Abendmahlfeier geben. Dafür ist die Zeit noch nicht gekommen und dies ist auch von Seiten unserer Partnerkirchen so akzeptiert. Wenn Einzelne, wie in Berlin, demonstrativ eine gemeinsame Abendmahlfeier organisieren, nützt dies dem Fortschritt in der Ökumene nicht, im Gegenteil, dies polarisiert und stärkt diejenigen in unseren Kirchen, denen die ganze Zielsetzung der Ökumene und des Kirchentages nicht passt.

Welches starke Zeichen wollen Sie während des 2. Ökumenischen Kirchentages für die Ökumene setzen?
Nagel: Ein wichtiges Bild des 2. ÖKT soll die "Gemeinschaft zu Tisch" sein. Der Tisch ist ein sichtbares Zeichen für unseren tiefen Wunsch nach Gemeinschaft. Es handelt sich um ein urchristliches Motiv des gemeinsamen Handelns, dass das Prinzip des Teilens in den Mittelpunkt stellt und der Sehnsucht nach Gemeinschaft Ausdruck verleiht. Der Tisch symbolisiert, dass jeder - ungeachtet seiner Konfession oder seines sozialen Status - von Christus eingeladen ist und willkommen geheißen wird. So können wir die verbindende Kraft des Christentums betonen. Am Eindrücklichsten wird dies am Freitag des Ökumenischen Kirchentages sichtbar sein. Wir wollen eine orthodoxe Vesper feiern und im Anschluss daran gesegnetes Brot an 1000 Tischen in ökumenischer Gemeinschaft miteinander teilen. Das ist etwas ganz Anderes als die Feier von Abendmahl oder Eucharistie. Es ist aber ein kräftiges Signal und ein starkes Bild, wie wir Christen unseren Glauben in den Alltag integrieren.

Wie arbeiten die Gemeinden vor Ort bereits schon zusammen?
Glück: Der Ökumenische Kirchentag ist in vielen Orten der Impuls für gemeinsame Aktivitäten der Christlichen Gemeinden im Gebet, in Themenveranstaltungen oder sozialen Aktionen. Das sind schon Früchte dieser Veranstaltung und es ist ganz wichtig, dass dies nach dem Ökumenischen Kirchentag weitergeführt wird. Das ist "Ökumene von unten".

Welche gesellschaftlichen Probleme werden eine besondere Rolle beim 2. ÖKT einnehmen?
Nagel: Das Jahr 2010 wird geprägt sein durch konkrete Auswirkungen einer schweren Weltwirtschaftskrise. Dementsprechend werden Fragen nach sozialer Gerechtigkeit, nach Teilhabe und Teilen in vielen gesellschaftlichen Bereichen höchste Priorität besitzen. Hierzu können Christinnen und Christen aus ihrer Glaubensüberzeugung klare und hoffnungsvolle Antworten geben.

Deshalb bin ich davon überzeugt, dass der 2. Ökumenische Kirchentag dazu beiträgt, das Wirken des Christentums als wichtiges Fundament für unsere demokratische Gesellschaft in vielfältigen Facetten zu unterstreichen.
Selbstverständlich werden wir die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die konkreten Lebensbezüge der Menschen thematisieren - sei es in Arbeit und Arbeitslosigkeit, seien es Bildungschancen oder die Frage nach einer ausreichenden Gesundheitsversorgung. Dass wir trotz aller Bemühungen eine zunehmende Schere zwischen Arm und Reich in unserem Land haben, kann aus christlicher Perspektive heute nicht hingenommen werden. Es soll dabei nicht nur bei der Diskussion der Probleme und bei abstrakten Antworten bleiben, sondern wir wollen versuchen, mit der Formulierung von "Selbstverpflichtungen" über den Kirchentag hinaus etwas zu bewegen.

Sicher wird auch die uns immer begleitende Frage einer christlichen Friedensethik eine zentrale Rolle spielen. Gelten angesichts einer häufig religiös motivierten Gewalt noch die Antworten von vor 20 Jahren oder aber ergeben sich aufgrund neuer Anforderungen andere Positionen? Darüber wollen wir sprechen und dabei nicht die Betroffenen aus dem Auge verlieren; diejenigen, die sich auf unterschiedlichste Art und Weise - ob im Rahmen der Kirchen, von NGOs oder der Bundeswehr - für Frieden und Gerechtigkeit in der Welt einsetzen.

Woraus soll der einzelne Mensch Hoffnung schöpfen können angesichts all der Ungerechtigkeit?
Glück: Viele Beispiele hier bei uns und in aller Welt belegen, dass durch das Engagement von Christen mehr Gerechtigkeit verwirklicht werden konnte. Unsere Kraft schöpfen wir daraus, dass wir im Vertrauen auf unseren Gott wissen, dass wir nicht alles selbst machen müssen und dass er uns dabei begleitet. Das ist für mich auch die Brücke zum Leitwort des Katholikentages 1984 in München "Lasst uns dem Leben trauen, weil Gott es mit uns lebt".

Wie kann eine Großveranstaltung wie der 2. ÖKT dazu beitragen, dass sich in der Gesellschaft etwas ändert?
Nagel: Zu allererst dadurch, dass der 2. ÖKT vielen Menschen über München hinaus wichtige Fragen ins Gedächtnis ruft. Die mediale Bedeutung eines Großereignisses, auf das sich auch schon viele Erwartungshaltungen projizieren, ist ein wesentlicher Beitrag zur Lebenswirklichkeit in Deutschland und Europa. Darüber hinaus wird der 2. ÖKT seine Besucherinnen und Besucher verändern - und ich hoffe selbstverständlich - sie ermutigen, ihnen Kraft geben, Trost spenden und im Glauben bestärken. Wir werden Antworten finden auf manche schwierige Frage, Vorschläge unterbreiten, Wege und Auswege suchen und wir werden unmissverständliche Aufforderungen an Verantwortliche formulieren, um die Lebenswirklichkeit der Menschen zu verbessern. Jeder Einzelne, der den 2. ÖKT besucht oder ihn inhaltlich wahrnimmt, wird zu einem Stein im Fundament einer gerechteren, offeneren und werteorientierten Gesellschaft.