Dekan empfiehlt Kirchenleuten Kenntnisse der Traumatherapie

Sich Grundwissen aneignen

Kirchenvertreter sollten im Umgang mit Betroffenen sexuellen Missbrauchs aus Sicht des Erlanger Dekans Michael Pflaum auch die Traumatherapie einbeziehen. Nicht jeder Pfarrer müsse Therapeut werden, benötige aber ein Grundwissen.

Mann im Gebet  / © Pixel-Shot (shutterstock)

Er frage sich, "warum die ganze deutsche katholische Theologie seit dem Bekanntwerden des Missbrauchsskandals in der Kirche keinen interdisziplinären Austausch mit Traumatheorien begonnen hat", sagte Pflaum im Interview des Portals katholisch.de (Samstag). Er sei davon überzeugt, dass Bischöfe, Generalvikare und Personalverantwortliche, die mit Betroffenen von sexuellem Missbrauch sprechen, ein Grundwissen in Traumatherapie benötigten.

Brauchen "traumaexistentiale Theologie" 

"Dann erst kann man nachvollziehen, was eine Traumatisierung bedeuten kann und warum viele Betroffene ihr Leben deshalb nicht mehr geregelt bekommen." Nicht jeder Pfarrer müsse ein Traumatherapeut werden, aber es gehe darum, sich Grundwissen anzueignen, erklärte Pflaum. "Wenn wir aus der Missbrauchskrise der Kirche herauskommen und einen heilenden Weg in die Zukunft gehen wollen, dann brauchen wir eine traumaexistentiale Theologie."

Denn ein Trauma wie sexueller Missbrauch betreffe die ganze Existenz eines Menschen. "Die Kirche und ihre Vertreter müssen sich mit Traumatherapien beschäftigen. Denn das wäre eine Bereicherung in vielerlei Hinsicht, weil sie unser Menschenbild korrigiert, sensibler im Seelsorgegespräch macht und den Blick schärft für verletzende Strukturen", betonte der Dekan.

"Solche Sätze wirken wie Gift"

Wenn ein Missbrauchsbetroffener sich über Jahre selbst verletze, depressiv sei, Drogen oder Alkohol konsumiere und keiner Arbeit nachgehen könne, "sei das ein Riesenelend, das er da mit sich herumschleppt", so Pflaum. "Das alles kann bei schwerem Missbrauch die Summe seiner posttraumatisierten Belastungen sein."

Wenn ein Seelsorger jemandem empfehle, dem Täter zu verzeihen, sei das "wie ein Schlag ins Gesicht", sagte Pflaum. "Solche Sätze wirken wie Gift, denn damit wird suggeriert: Heilung geschieht allein durch das Verzeihen, und ansonsten braucht man nichts zu tun. Das ist nicht richtig. So wird das Trauma erneut verdrängt, auch strukturell." So ein Verhalten verhindere, dass der Täter zur Rechenschaft gezogen und auch davon abgehalten werde, weitere Taten zu begehen. "Wenn einem Betroffenen suggeriert wird, er habe es durch das Verzeihen in der Hand, die Tat zu verarbeiten, dann ist das unverschämt."

Beteiligte Einrichtungen bei Aufarbeitung von Missbrauch

Der Runde Tisch Heimkinder, der die Misshandlungen von Heimkindern in den 60er- und 70er-Jahren aufarbeiten sollte, stand kurz vor dem Abschluss, da beherrschte ein neuer Skandal die Schlagzeilen: 2010 wurden zunächst in kirchlichen, dann aber auch in anderen Einrichtungen immer mehr Fälle von Missbrauch öffentlich. Wieder richtete die Bundesregierung einen Runden Tisch ein. Zudem berief sie einen unabhängigen Beauftragten. In den folgenden Jahren kamen weitere Gremien dazu. Einen kurzer Überblick:

Symbolbild Missbrauch / © 271 EAK MOTO (shutterstock)
Quelle:
KNA
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