Missbrauchsbetroffener klagt gegen Erzbistum Köln

Klage auf 725.000 Euro Schmerzensgeld

Ein Missbrauchsbetroffener hat das Erzbistum Köln auf 725.000 Euro Schmerzensgeld verklagt. Es handelt sich wohl um die erste derartige Klage gegen die Kirche als Institution in Deutschland.

Autor/in:
Anita Hirschbeck
Insignien weltlicher Gerichtsbarkeit: Hammer, Justitia und Aktenstapel. / © Volker Hartmann (dpa)
Insignien weltlicher Gerichtsbarkeit: Hammer, Justitia und Aktenstapel. / © Volker Hartmann ( dpa )

Ein Missbrauchsbetroffener hat das Erzbistum Köln auf 725.000 Euro Schmerzensgeld verklagt. Beim Landgericht Köln ging am Freitag die Klage des Mannes ein, wie Gerichtssprecherin Michaela Brunssen der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sagte. Der Betroffene sehe eine Amtspflichtverletzung des Erzbistums durch Unterlassen. 25.000 Euro habe er bereits erhalten, so dass eine Gesamtsumme von 750.000 Euro im Raum stehe.

Es handelt sich wahrscheinlich um die deutschlandweit erste Schmerzensgeldklage eines Betroffenen sexualisierter Gewalt gegen die Kirche als Institution. Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, begrüßte den Schritt. "Natürlich dient es dazu, eine Rechtsklarheit zu haben: Gibt es einen Anspruch wegen Amtspflichtverletzungen?", sagte sie im Interview des WDR.

Betroffene sprechen von "Wendemarke"

Die Betroffenenorganisation Eckiger Tisch sprach von einer möglichen Wendemarke. Demnächst könnte es "eine Welle von Verfahren gegen Bistümer und Ordensgemeinschaften" geben, sagte Sprecher Matthias Katsch. Entscheidend werde jedoch sein, ob sich die Politik für Wiedergutmachungen einsetzt.

"Je nach dem, was das Landgericht Köln entscheidet, herrscht zumindest für die Zukunft Klarheit über die Haftungsmaßstäbe, übrigens nicht nur in der katholischen Kirche", sagte der Kölner Staatsrechtslehrer Stephan Rixen auf KNA-Anfrage. Das habe eine vorbeugende Wirkung, vor allem, wenn es finanziell weh tue. "Für die Betroffenen sexueller Gewalt geht es nicht nur ums Geld, sie wollen endlich gehört und gesehen werden", betonte Rixen zugleich.

Noch keine Stellungnahme des Erzbistums

Das Erzbistum selbst wollte zunächst keine Stellung beziehen, da ihm die Klage noch nicht zugegangen sei. Der Mann, selbst langjähriger Pastoralreferent im Erzbistum Köln, ist Medienberichten zufolge als Messdiener in den 1970er-Jahren mehrere hundert Male von einem mittlerweile verstorbenen Priester sexuell missbraucht worden. Der Fall kommt auch in dem Aufarbeitungsgutachten vor, das die Kanzlei Gercke Wollschläger im Auftrag des Erzbistums Köln erstellte.

Demnach wurden der Erzdiözese erstmals 1980 Vorwürfe gegen den Priester bekannt, die dieser einräumte. Nach einer Therapie arbeitete er ab Dezember 1982 wieder als Pfarrer. Trotz wiederholter Anschuldigungen durfte der Mann erst ab 2014 keine priesterlichen Aufgaben mehr ausüben und Kindereinrichtungen des Erzbistums nicht mehr betreten. Zudem musste er 15.000 Euro Strafe zahlen.

Die neu gegründete Interventionsstelle der Erzdiözese machte den Fall 2016 bekannt, um weitere mögliche Opfer zu finden. Im Dezember 2018 meldete das Erzbistum die Vorwürfe zudem an die Staatsanwaltschaft.

Die Gutachter kamen zu dem Schluss, dass der damalige Kölner Erzbischof Joseph Höffner (1906-1987) sowie sein Generalvikar Norbert Feldhoff 1980 nicht konsequent genug den Verdachtsfällen nachgingen und sich nicht genug um die Opfer kümmerten. Auch hätte die Meldung an die Staatsanwaltschaft früher erfolgen können.

Klagen gegen Kirchenvertreter

Gegen hochrangige Kirchenvertreter persönlich - nicht jedoch die Institution Kirche - gibt es bereits Klagen. So hatte im Juni ein Betroffener Klage gegen den früheren Papst Benedikt XVI. und weitere Personen beim Landgericht Traunstein eingereicht. Demnach soll der emeritierte Papst in seiner Zeit als Münchner Erzbischof "verantwortlich zugestimmt" haben, einen Geistlichen wieder in der Gemeindearbeit einzusetzen, obwohl sexuelle Übergriffe durch den Mann bekannt gewesen seien. Benedikt XVI. bestreitet dies.

Auch im Erzbistum Köln hat es schon den Versuch rechtlicher Schritte gegeben. So lagen der Staatsanwaltschaft zwischenzeitlich mehr als 30 Strafanzeigen mit dem Verdacht auf Beihilfe zum Missbrauch gegen Kardinal Rainer Maria Woelki und weitere Personen vor. Die Amtsträger hätten zu wenig zur Verhinderung von Taten getan, so der Vorwurf. Die Staatsanwaltschaft entschied im Juli aber, mangels Anfangsverdacht keine Ermittlungen aufzunehmen.

Missbrauchsbetroffene erhalten von den zuständigen Bistümern Zahlungen in Anerkennung des erlittenen Leides. Es handelt sich hier nicht um Schmerzensgeld, sondern um freiwillige Leistungen der Kirche.

Quelle:
KNA