DOMRADIO.DE: Sie sind heute am Rande der Generalaudienz auf Papst Leo XVI. getroffen. Was war Ihr erster Eindruck vom Papst?
Bodo Ramelow (Bundestagsvizepräsident und kirchenpolitischer Sprecher der Linkspartei): Es ist sehr beeindruckend, wie diese Generalaudienz organisiert ist. Besonders eindrucksvoll für mich war, dass der Papst zuallererst zu den behinderten Menschen geht, nachdem er die Kardinäle begrüßt hat. Er hat sich dann umgedreht und ist dorthin gegangen, wo die Menschen sind, die alle nicht vom Sonnenschein belobigt werden, und hat dort den Segen gesprochen. Das war für mich sehr eindrucksvoll zu beobachten.
DOMRADIO.DE: Sie haben gemeinsam mit anderen eine Einladung nach Deutschland an Papst Leo ausgesprochen. Wie hat er reagiert und wie hoch stehen die Chancen, dass er vorbeikommt und sich dann auch Mitteldeutschland anschaut?
Ramelow: Wir haben ihn eingeladen an den Ort des Augustinerklosters, denn was sonst soll man einem Augustinermönch sagen? Der beste Ort für einen Augustinermönch ist das Augustinerkloster in Erfurt.
DOMRADIO.DE: Papst Leo ist seit knapp einem halben Jahr im Amt. Was erhoffen Sie sich persönlich und politisch von seinem Pontifikat?
Ramelow: Seine klare Haltung zum Thema Frieden. Wir leben in einer Welt, in der sich die Spirale der Gewalt, des Militarismus und des Nationalismus auf eine unangenehme Art und Weise dreht.
Ich erhoffe mir, dass er dort immer wieder deutlich macht: Die Botschaft von Jesus ist Frieden. Die zweite Haltung, die bei ihm ganz stark zu spüren ist, ist eine Haltung für Menschen, die abgehängt sind. Er thematisiert die ungleichen Verhältnisse auf der Welt. Und dass wir daran arbeiten müssen, damit das nicht so bleibt.
Das ist der Teil an Gerechtigkeit, die wir denen zuteilwerden lassen müssen, die nicht auf der hellen Seite sind. An der Stelle erhoffe ich mir, dass er weiter diese klaren Worte spricht und dass er sich nicht einschüchtern lässt von den Mächtigen dieser Welt, die gerade mit ganz anderen Worten unterwegs sind.
DOMRADIO.DE: Wie Sie selbst manchmal sagen, besetzen Sie in der Linkspartei eine Sonderrolle, indem Sie sich klar dazu bekennen, dass Sie Christ sind. Was gibt Ihnen dazu die Kraft und wie haben Sie diese Überzeugung in Ihre politischen Ämter mitgenommen?
Ramelow: In den letzten anderthalb, zwei Jahren habe ich immer öfter deutlich formuliert, dass ich mir mehr Gottvertrauen wünsche. Mehr Urvertrauen in das, was wir als Menschen zu leisten haben. Wir dürfen nicht pessimistisch sein und die Flinte ins Korn werfen. Nein, die Flinten gehören zu Pflugscharen umgeschmiedet.
Das Gottvertrauen, das ich in mir trage, ist auch etwas, das ich ausstrahlen will. Es ist mir eine besondere Ehre und Freude, schon den dritten Papst in einer Audienz treffen zu dürfen. Das gibt mir eine Fröhlichkeit, als Linker und als evangelischer Christ, dass jeder, der zu mir ins Büro kommt, drei Papstbilder sehen wird. Ich will einfach deutlich machen: Wir sind so unterschiedlich auf der Welt, aber in einem Punkt nicht – wir haben diese Welt alle nur einmal. Und darauf müssen wir gemeinsam achten. Die Bewahrung der Schöpfung, das ist die Aufgabe, die wir jeden Tag angehen müssen.
DOMRADIO.DE: Was nehmen Sie von dem Besuch beim Papst und von dieser Woche hier in Rom mit nach Hause?
Ramelow: Es war eine unglaublich herausfordernde Reise. Meine Frau sagte mir, wir wären jeden Tag mindestens 15 km in der Stadt gelaufen. Mehr Pilgern geht schon gar nicht mehr. Besonders in Erinnerung behalte ich den Gottesdienst bei Sant'Egidio, das gemeinsame Bibellesen und die Deutlichkeit, mit der diese Gemeinschaft in der Welt unterwegs ist und sich um Obdachlose kümmert.
Dort kann man spüren, dass Obdachlose wichtig sind, dass sie Teil unseres Lebens sind. Obdachlosigkeit ist nicht von Gott gegeben, sondern menschengemacht und wir müssen uns darum kümmern.
Und da ist Sant'Egidio eine wichtige Anlaufstation. Ich spüre die Kraft, die von dieser Gemeinschaft ausgeht. Diese Kraft nehme ich mit.
Das Interview führte Moritz Mayer.