Bischofskonferenz nimmt Zukunft der Orden in den Blick

"Aufbrechen oder abbrechen"

"Zeugen der Hoffnung" werden sie von den deutschen Bischöfen genannt. Viel Lob und Anerkennung gab es beim Ordensgipfel der Deutschen Bischofskonferenz am Donnerstag in Würzburg für die Männer und Frauen, die lebenslang Armut, Keuschheit und Gehorsam gelobt haben. Deutlich wurde aber auch, dass die Lebensform der Ordensleute im Umbruch steckt, den nicht alle Klöster meistern werden. - Hören Sie im domradio-Interview Aloisia Höing, die Vorsitzende der Ordensobernkonferenz.

 (DR)

"Gemeinsam dem Evangelium dienen"
Die Zukunft des Ordenslebens in Deutschland - so es sie gibt - wird einfacher, ungesicherter und kreativer sein müssen. Das ist eine Kernaussage im Wort der Bischöfe, das in Würzburg unter dem Titel "Gemeinsam dem Evangelium dienen" vorgestellt wurde. Dazu ein Blick in die Statistik: 1960 beteten und arbeiteten in Deutschland 105.000 Ordensleute. Heute sind es noch knapp über 30.000. Das entspricht einem Schwund von 70 Prozent. Die Mehrheit hat das gesetzliche Rentenalter überschritten: Bei den Ordensmännern sind 53 Prozent älter als 65 Jahre, bei den Ordensfrauen sogar 77 Prozent.

Dem Vernehmen nach gab es in der Bischofskonferenz einiges Erschrecken, als 2005 diese Daten - und das, was sich aus ihnen für die Zukunft ablesen lässt - ins Bewusstsein drangen. Ein intensiver Gesprächsprozess begann, der nun mit einem "Zukunftsgespräch" in Würzburg einen Höhepunkt, aber keinen Abschluss fand. Auf beiden Seiten wächst die Einsicht, dass man sich braucht und enger zusammenrücken muss. Viele Orden können ihre eigenen Werke mangels Nachwuchs nicht mehr halten und müssen etwa traditionsreiche Schulen an Schulwerke der Bistümer abgeben. Die Bistümer wiederum freuen sich über jeden Ordensgeistlichen, der in der Pfarrseelsorge mittut und die Weltpriester entlastet.

Doch hat dieses Miteinander auch Haken. So musste das klamme Erzbistum Berlin die Gestellungsverträge mehrerer Ordensleute kündigen, was deren Gemeinschaften ebenfalls Finanzprobleme bescherte. Andere Orden wehren sich gegen eine zu enge Einbindung, weil sie fürchten, dass dadurch das Profil ihrer Gemeinschaft verschwimmt. Sie wollen nicht auf die Rolle von Lückenbüßern für den Priestermangel reduziert werden. Nach Jahren der Ausweitung dieser Praxis zeichnet sich zurzeit eine Gegenbewegung ab. Klöster besinnen sich neu auf ihre Unabhängigkeit.

"Zu viel Fernsehen, zu wenig Leben"
Orden, die noch Nachwuchs haben, stehen vor der Herausforderung, die jungen Leute nicht in der Altenpflege der greisen Mitbrüder und -schwestern zu verschleißen, sondern ihnen Freiraum für die Suche nach einer neuen Gestalt des Ordenslebens zu geben. Das Bischofswort würdigt in diesem Zusammenhang ausdrücklich Experimente, die in den vergangenen 25 Jahren vor allem im sozialkaritativen Sektor gestartet wurden. Getrieben vom Wunsch, ihr Armutsversprechen ernst zu nehmen, zogen einige Schwestern und Brüder in Sozialwohnungen, riefen Obdachlosenambulanzen ins Leben oder Hilfsnetze für illegale Ausländer.

Dass Ordensleute auch dort präsent sind, wo nichts mehr zu "machen" ist, zum Beispiel an den Betten Sterbender, und dass sie prophetische Kritik an unheilvollen gesellschaftlichen Entwicklungen üben, findet bei den Bischöfen starke Zustimmung. Doch stoßen sich gerade junge Ordensleute nicht selten an der konkreten Lebensweise ihrer Kommunität, die ihnen zu bürgerlich erscheint und "sie nicht mehr auf die Konfrontation mit Armut und Elend vorbereitet", wie in dem Text ebenfalls registriert wird.

Insbesondere junge Ordensfrauen bemängeln, dass in ihren Klöstern zu viel ferngesehen und zu wenig einfach gelebt wird; dass das geistliche Leben formalisiert ist und Obere einen Umgang pflegen, der sich noch zu oft am Stil der Kindererziehung orientiert. Das hat die Münsteraner Franziskanerin und promovierte Psychologin Katharina Kluitmann in einer wissenschaftlichen Befragung festgestellt. Ihr Fazit: "Ordensleben, vor allem das weibliche, wird in Deutschland aufbrechen oder abbrechen."