Berlins Erzbischof bekräftigt Bedeutung der Renovabis-Pfingstaktion

"Ein Sprachrohr sein für Menschen, die keine Stimme haben"

Zum Auftakt der diesjährigen Pfingstaktion des Osteuropa-Hilfswerks Renovabis in Berlin betont Erzbischof Heiner Koch die Bedeutung des Mottos "Voll der Würde". Das Hilfswerk unterstützt vor allem Menschen im Osten Europas.

Autor/in:
Alexander Foxius
Erzbischof Heiner Koch (Erzbistum Berlin)

DOMRADIO.DE: Herr Erzbischof, heute startet die Renovabis-Pfingstaktion in der Berliner Hedwigskathedrale mit einem großen Gottesdienst. Warum ist Berlin gerade der richtige Ort, um den Blick nach Osteuropa zu richten? 

Heiner Koch (Erzbischof von Berlin): Zum einen, weil hier viele Menschen aus Osteuropa leben. Nicht wenige sind als Flüchtlinge zu uns gekommen und haben hier Rettung gefunden auf ihrer Flucht. 

Und dann sind wir an der Grenze zwischen Ost- und Westeuropa. Gerade wir spüren und wissen hier, dass Europa mehr ist als Brüssel und als Straßburg. Der Osten Europas gehört ebenso dazu. Gerade in Berlin haben wir auch ein Zusammensein mit den orthodoxen Kirchen. Wir haben einen orthodoxen Bischof, der hier wirkt, und einen orthodoxen russischen Bischof, aber auch andere orthodoxe Bischöfe. Die ganzen Spannungen um den Ukraine-Konflikt, auch von kirchlicher Seite, in der Verkündigung und der Theologie, sind hier zugegen. 

DOMRADIO.DE: "Voll der Würde" lautet das Motto der diesjährigen Pfingstaktion. Warum passt auch das gut in die Stadt hinein?

Erzbischof Heier Koch

"Eine Stadt, in der die Würde in höchstem Maße getreten wurde."

Koch: Berlin ist immer eine Stadt gewesen, in der das Thema "Voll der Würde" und "Würde des Menschen" auch politisch umstritten debattiert wird. 

Beispielsweise die Diskussion um den Beginn des menschlichen Lebens mit Paragraf 218 oder die Frage um Sterbehilfe. Aber auch die Fragen mit Bezug auf Migration, Sozialfragen und Obdachlosigkeit werden hier lebendig diskutiert. 

Es ist zudem eine Stadt, in der auch die Würde in höchstem Maße getreten wurde. Wir haben gerade den 80. Jahrestag der Beendigung des Zweiten Weltkriegs und der Nazi-Herrschaft in Berlin begangen. Und wir wissen, was hier geschehen ist und von hier aus geschehene ist, auch im Osten Europas. Der Würdebegriff ist hier eine Realität. Es ist nicht ein philosophischer Grundgedanke, ein anthropologischer Gedanke - das ist er auch. Aber er ist auch spürbar in einer Stadt mit so vielen Verletzungen. 

DOMRADIO.DE: Auch mit Blick auf Osteuropa ist das Thema Würde ins Zentrum gestellt worden, warum ist jeder Mensch "voll der Würde"? 

Koch: Es gibt verschiedene Begründungen in den verschiedenen Weltanschauungen und philosophischen Überzeugungen der Menschen. Sicherlich ist jeder Mensch erst mal ganz einmalig. Von den 107 Milliarden Menschen, die bisher insgesamt auf der Welt gelebt haben, ist kein Mensch eine Kopie des anderen, keine eine Wiederholung. Jeder hat seine eigene Geschichte, seine eigenen Eltern, seine eigene Zeit, seine Grenzen, seinen Körper, seinen Geist. Das ist sicherlich schon eine Begründung für die Hochachtung vor der Würde des Einzelnen. 

Jeder Mensch ist auch davon abhängig, dass seine Talente, seine Einmaligkeit sich entfalten kann. Das Thema Bildung ist hier groß. Und sicherlich spüren wir hier auch, dass wir Verantwortung haben. Verantwortung für die Wahrnehmung der Würde des Menschen. Wir lernen hier wirklich, uns verantwortlich einzusetzen, damit wir würdevoll leben können. 

DOMRADIO.DE: Was ist da das katholische, das christliche Bild der Würde?

Erzbischof Heier Koch

"Der Mensch ist voll der Würde, er ist ein Hochwürden, sage ich immer."

Koch: Wir Christen sind nun wirklich zutiefst davon überzeugt, dass jeder Mensch eben Wille Gottes ist, dass in jedem Menschen Gott ist und dass jeder von Gott eine Würde bekommen hat. Das ist die größte Geste, die wir auch in der Taufe feiern, oder wenn jemand gesalbt wird zum Priester, Propheten oder zum König und damit in diese Eigenschaften Christi hineingenommen werden. Das gibt den Menschen eine Würde. Die können wir nicht zusprechen, sondern die hat der Mensch. Der Mensch ist voll der Würde, er ist ein Hochwürden, sage ich immer. 

DOMRADIO.DE: Sie sind dem Hilfswerk Renovabis sehr eng verbunden. Wie wichtig ist die Arbeit, die Renovabis in Osteuropa leistet? 

Koch: Wir merken immer wieder, wie wichtig es ist. Wir haben einen engen Austausch mit den Botschaftern der Länder, in denen wir sind. Wir reisen viel dorthin, viele kommen zu uns. Wir sind auch eine Lerngemeinschaft, weil wir sehen, wie wichtig es für uns ist, von ihnen zu lernen, was es heißt, voll der Würde zu sein. 

Aber wir wissen auch, wie vielen Menschen wir helfen. Wir haben ja eine große Veranstaltung zur Prostitution und Zwangsprostitution gehabt mit ganz strittigen Fragen, beispielsweise des hier nicht eingeführten "nordischen Weges" in der Prostitutionsbekämpfung. Dann natürlich Themen Flucht und Migration, die Frage nach Gefangenschaft, nach würdigem Umgang miteinander. All das spüren wir, treffen Menschen, die dankbar sind, dass wir uns zu ihrem Sprachrohr machen für Menschen im Osten Europas, die dort die Stimme nicht erheben können. 

Das Interview führte Alexander Foxius. 

Renovabis

Renovabis ist das jüngste der sechs katholischen weltkirchlichen Hilfswerke in Deutschland. Es wurde im März 1993 auf Anregung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) von den deutschen Bischöfen gegründet. Seither gibt es jedes Jahr eine mehrwöchige bundesweite Aktion. Sie endet jeweils am Pfingstsonntag mit einer Kollekte in den katholischen Gottesdiensten in Deutschland.

Der lateinische Name des Hilfswerks geht auf einen Bibelpsalm zurück und bedeutet "Du wirst erneuern".

 © Renovabis
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Quelle:
DR

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