Renovabis kämpft für die Würde von Frauen und Mädchen in Georgien

Schwanger, verlassen, vernachlässigt

Die Menschenwürde steht im Mittelpunkt der diesjährigen Pfingstaktion von Renovabis. Partner des Hilfswerks kämpfen dafür jeden Tag. Zum Beispiel auch für Frauen und ihre Kindern in schwierigen Situationen in Georgien.

Autor/in:
Daniel Pelz
Ein Kind sitzt am 2. April 2025 auf dem Bett in ihrem Zimmer in einer Wohngruppe für Kinder der Caritas in Tiflis  / © Daniel Pelz (KNA)
Ein Kind sitzt am 2. April 2025 auf dem Bett in ihrem Zimmer in einer Wohngruppe für Kinder der Caritas in Tiflis / © Daniel Pelz ( KNA )

Plötzlich laufen Tränen aus Elenes Augen. Nichts ist mehr übrig von der coolen jungen Frau mit Nasenpiercing und modischer schwarzer Brille, die eben noch lässig im Türrahmen ihres Zimmers lehnte. Ihr Bauch zeigt die Schwangerschaft deutlich. 

Doch es ist kein schönes Kapitel in ihrem Leben: "Der Vater wollte keine Verantwortung übernehmen“, sagt sie und ein bitterer Unterton mischt sich in ihre Stimme. Die Eltern in Georgien wollten auch nichts mit der ungewollt schwangeren Tochter zu tun haben. "Ich dachte, in dieser Situation würden sie mir helfen. Aber ich lag falsch. Mein Herz ist gebrochen", sagt sie.

Zum Glück kannte Elene, die vor ihrer Schwangerschaft in Griechenland gearbeitet hatte, eine Anlaufstelle. Schon als Kind hatte sie 10 Jahre in einer Wohngruppe der Caritas gelebt. "Es war ein seltsames Gefühl, wieder hier zu sein. Aber das verging schnell", sagt sie heute. 

Nun ist das Mutter-Kind-Zentrum in der Hauptstadt Tiflis ihr Zuhause - auf Zeit. Zwei Betten, Schreibtisch, Schrank und Kommode quetschen sich in das kleine Zimmer unter dem Dach. Platz für 15 Frauen gibt es hier, einige schwanger, andere haben bereits Kinder. Aber niemand ein anderes Zuhause: Viele sind vor ihren gewalttätigen Partnern geflohen oder wurden wie Elene von ihren Familien verstoßen.

Häusliche Gewalt, Drogen und Alkohol

Das wissen auch die ausländischen Partner der Caritas. "Wir müssen uns der Situation stellen, dass es viel häusliche Gewalt gibt, dass Drogen und Alkohol ein weit verbreitetes Phänomen sind und damit Armut und Vernachlässigung ein Schicksal sind, dass viele Kinder und viele Familien bedroht", sagt Renovabis-Hauptgeschäftsführer Thomas Schwartz, der im Caritas-Zentrum zu Besuch ist. Seine gemeinnützige Organisation unterstützt Caritas Georgien bereits seit langem.

Im Mutter-Kind-Zentrum bekommen die Frauen mehr als nur ein Dach über dem Kopf: Essen, medizinische und psychologische Hilfe sowie Unterstützung bei Ausbildung und Jobsuche. Elene hilft oft schon die Gemeinschaft: "Am Anfang ging es mir nicht gut. Aber dann sind die Kinder hier zu mir gerannt, haben mich gedrückt und gerufen "Ich liebe Dich". Ich fühle mich hier gut und sicher“, sagt sie und streicht über ihren Babybauch. Im Juli soll ihre kleine Tochter zur Welt kommen.

Über 6.000 Menschen unterstützt Caritas Georgien nach eigenen Angaben jeden Tag. „Das ist eine der höchsten Zahlen an Begünstigten von allen Organisationen in Georgien“, sagt Direktorin Anahit Mkhoyan, während ein gewisser Stolz in ihren Augen aufblitzt. Und das in einem zunehmend schwierigen Umfeld: Georgien ist seit den Parlamentswahlen im Oktober 2024 politisch zerrissen.

Unsichere politische Lage

Offiziell gewann die Regierungspartei Georgischer Traum mit großer Mehrheit. Die Opposition sprach von Wahlbetrug und rief zum Widerstand auf, auch ausländische Beobachter hatten Zweifel am Ergebnis. Hunderttausende gingen schließlich auf die Straße, nachdem die Regierung auch noch die Beitrittsgespräche mit der EU abgebrochen hatte. Polizei und Justiz gingen hart gegen die Demonstranten vor, lokale Beobachter sprechen von massenhaften Menschenrechtsverstößen.

Gleichzeitig wächst der Druck auf lokale Nichtregierungsorganisationen wie die Caritas: Organisationen, die mehr als 20 Prozent ihrer Gelder aus dem Ausland erhalten, müssen die Regierung detailliert informieren, woher die Mittel kommen und was sie damit machen. Kritiker sehen Parallelen zum berüchtigten russischen Agentengesetz. Laut georgischer Medien soll das Gesetz noch verschärft werden: Wer Geld aus dem Ausland bekommt, müsste künftig vorab die Regierung um Erlaubnis bitten.

Wirbelwind in rosa Monsterpantoffeln

Von all dem weiß die siebenjährige N. nichts, während sie wie ein Wirbelwind in ihren rosa Monsterpantoffeln über den Flur rennt. Stolz öffnet sie die Tür zu ihrem Zimmer, ein Stockwerk unter dem Mutter-Kind-Zentrum. "Ich habe extra aufgeräumt, das müsst ihr euch angucken", sagt das Mädchen. Auf ihrem Bett liegen zwei Puppen, begeistert öffnet sie ihren Tornister und zeigt ihre Schulhefte.

Immer wieder grinst sie aus ihrem Mund voller Zahnlücken, während die schwarzen Haare durch die Gegend wirbeln.

In der Wohngruppe für Kinder der Caritas lebt sie gemeinsam mit ihrer 13-jährigen Schwester. "Wir haben die Kinder bettelnd auf der Straße gefunden", erzählt Caritas-Projektkoordinatorin Tamar Scharaschdize.

Das Geld mussten sie den Eltern bringen. Versuche, auf die Eltern einzuwirken, scheiterten. "Es sind gewalttätige Menschen", sagt die Koordinatorin und schweigt. Das Leid der Kinder berührt auch nach vielen Jahren im Job noch sehr.

Alternative Wege zeigen

Oft arbeite sie mehr als die vorgesehen 40 Stunden, sagt Koordinatorin Scharaschidze. Die Polizei bringe misshandelte oder verwahrloste Kinder manchmal sogar mitten in der Nacht. Auch hier müssen Organisationen wie die Caritas Aufgaben übernehmen, die der Staat nicht leistet. "Es gibt nur wenig Unterstützungen für Kinder von staatlicher Seite", sagt sie. 

Für Renovabis-Chef Schwartz ein klares Beispiel, wie wichtig die Arbeit von Organisationen wie der Caritas sind: "Wege zu zeigen, dass Gewalt und Verlassenheit nicht das letzte Schicksal eines Kindes wie einer Frau sein müssen, das ist eine sehr wichtige Sache, die wir weitergeben können."

Renovabis

Renovabis ist das jüngste der sechs katholischen weltkirchlichen Hilfswerke in Deutschland. Es wurde im März 1993 auf Anregung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) von den deutschen Bischöfen gegründet. Seither gibt es jedes Jahr eine mehrwöchige bundesweite Aktion. Sie endet jeweils am Pfingstsonntag mit einer Kollekte in den katholischen Gottesdiensten in Deutschland.

Der lateinische Name des Hilfswerks geht auf einen Bibelpsalm zurück und bedeutet "Du wirst erneuern".

 © Renovabis
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Quelle:
KNA