DOMRADIO.DE: Wie finden sie die Wahl von Sarah Mullally?
Johannes Arens (Anglikanischer Priester und Domkapitular in Leicester, England): Ich finde es spannend, dass es Sarah Mullally geworden ist. Ich kenne sie nicht gut. Ich bin ihr aber ein paar Mal als Bischöfin von London begegnet.
Ich kann auf jeden Fall verstehen, warum sie es geworden ist. Sie bringt eine irrsinnige Erfahrung mit. Sie sitzt seit einigen Jahren im Oberhaus. Sie ist sehr versiert auf dem politischen Parkett und sehr erfahren in der Personalverantwortung.
Vor allem hat Mullally zwei komplette Karrieren hinter sich. So hat sie in ihrer ersten Karriere als Chief Nurse den gesamten Pflegedienst Englands geleitet. Das war schon eine ausgesprochen steile Karriere. Und dann hat sie diese Karriere verlassen, um sich weihen zu lassen. Und in dieser zweiten Karriere ist sie wieder an der Spitze gelandet. Es ist schon sehr erstaunlich, dass jemandem so etwas gelingt.
DOMRADIO.DE: In den anglikanischen Kirchen in Afrika gibt es durchaus hochrangige Köpfe, die nicht so begeistert davon sind, dass eine Frau jetzt die Nummer eins ist.
Arens: Wir sind genauso gespalten wie die römisch-katholische Kirche, nur ist es wahrscheinlich noch offensichtlicher, worin wir gespaltet sind. Da ist zum einen das Weiheamt für Frauen. Da gibt es sowohl in England als auch weltweit sehr unterschiedliche Meinungen. Das zweite große Thema ist die Neubewertung von Homosexualität. Xa gibt es auch massive Spannungen, insbesondere in Afrika. Der Erzbischof von Canterbury ist nämlich nicht nur der Primas von England, sondern auch Ehrenvorsitzer der weltweiten Anglikanischen Gemeinschaft, wozu auch zahlreiche afrikanische Kirchen zählen.
DOMRADIO.DE: Könnte es Mullally gelingen, in der anglikanischen Kirche Brücken zu bauen?
Arens: Es wird ihr mit Sicherheit gelingen, Brücken zu bauen. Sie hat sich in den letzten Jahren als Bischöfin von London einen ausgezeichneten Ruf erworben und mit Leuten zusammengearbeitet, mit denen sie nicht einer Meinung war. Die Traditionalisten in ihrem eigenen Bistum halten große Stücke auf sie, weil man mit ihr sehr ehrlich und sehr konstruktiv zusammenarbeiten kann. Das finde ich ausgesprochen positiv.
Mullally befürwortet die Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren, was nochmal was anderes ist als eine gleichgeschlechtliche Eheschließung. Da gibt es in der anglikanischen Kirche massive Spannungen zwischen Traditionalisten, Evangelikalen oder eher katholisch Denkenden.
DOMRADIO.DE: Ist Mullallys Aufgabe unmöglich?
Arens: Sie ist eine ausgezeichnete Zuhörerin und sehr vermittelnd. Ich glaube, das hat sie mit dem jetzigen Papst gemeinsam. Der bemüht sich auch im höchsten Maße um Ausgleich. Ich bin gespannt, wie sich das entwickelt.
DOMRADIO.DE: Was bedeutet eine Frau an der Spitze für die Ökumene?
Arens: Mullally ist eine Frau und wird daher in manchen Bereichen auf Ablehnung treffen. Das ist nun mal die Realität, in der wir leben. Sie wird als Bischöfin im sakramentalen Amt in manchen Kirchen nicht anerkannt. Aber das ist unabhängig von ihrer Rolle. Sie ist nun mal die neue Erzbischöfin von Canterbury. Ob man das sakramental anerkennt oder nicht.
Das Interview führte Johannes Schröer.