Anglikaner suchen weiter nach einem neuen Erzbischof von Canterbury

Es dauert noch

Bis Premierminister Keir Starmer den neuen Erzbischof von Canterbury bekannt geben kann, dauert es noch. Erst vier Monate nach dem Rücktritt von Justin Welby beginnt die heiße Phase der Suche nach dessen Nachfolger.

Autor/in:
Christiane Laudage
Kathedrale von Canterbury / © Alexey Fedorenko (shutterstock)
Kathedrale von Canterbury / © Alexey Fedorenko ( shutterstock )

In Rom stieg weißer Rauch auf, die katholische Kirche hat wieder einen Papst. Nach dem Tod von Papst Franziskus am Ostermontag vergingen knapp drei Wochen, bis ein neues Oberhaupt gewählt wurde. Die Kardinäle brauchten im Konklave dafür lediglich vier Wahlgänge. 

Anders sieht es in Canterbury aus. Beobachter bezweifeln mittlerweile, dass bis Oktober ein neuer Erzbischof oder vielleicht sogar eine Erzbischöfin ernannt werden kann. Bis dahin muss sowohl die Kirche von England wie auch die anglikanische Gemeinschaft ohne Spitze auskommen.

Ein Bischof hat sich schon selbst aus dem Rennen genommen: Graham Usher. Der anglikanische Bischof der Diözese Norwich hat gesagt, er fühle keine innere Berufung für das Amt des Erzbischofs von Canterbury. Aber er hat dafür einen anderen Ruf gehört: jenen in die Kommission, die den neuen Erzbischof von Canterbury auswählen soll. Zum Leiter der Kommission wurde bereits Mitte Dezember der frühere Chef des britischen Inlandsgeheimdienstes MI5, Jonathan Douglas Evans, bestimmt. Ebenfalls gehört der Kommission an die Nr. 2 der anglikanischen Kirche, Stephen Cottrell, Erzbischof von York.

Justin Welby / © Thomas Lohnes (epd)
Justin Welby / © Thomas Lohnes ( epd )

Seitdem am 6. Januar Justin Welby, der bisherige Erzbischof von Canterbury, zurücktrat, ist schon einiges passiert. Erstmals gab es einen öffentlichen Konsultationsprozess, in dem Gläubige ihre Vorstellungen und Wünsche einbringen konnten. Dieser Prozess ging am 28. März zu Ende. "Jede Antwort hilft uns, die Qualitäten besser zu verstehen, die der nächste Erzbischof haben sollte, um den Bedürfnissen der Kirche heute und in den kommenden Jahren gerecht zu werden", sagte die Kirche von England auf ihrer Internetseite. 

Nun wird es ernst für das Komitee, das den geeigneten Kandidaten auswählen soll. Für das Amt könne man sich nicht bewerben sondern werde ausgesucht, betont die Kirche von England auf ihrer Webseite sehr deutlich betont. Es sei die Aufgabe der Crown Nominations Commission (CNC), "zu erkennen, wen Gott in dieses wichtige Amt berufen könnte".

Die Kommission muss ihre Wahl treffen

Der Kommission gehören 20 Mitglieder an, von denen 17 ein Stimmrecht haben, drei nicht. Da der anglikanischen Gemeinschaft nach eigenen Angaben 85 Millionen Menschen in 165 Ländern angehören, wurde bei der Zusammensetzung des Auswahlgremiums auf Diversität geachtet. Zu den stimmberechtigten Mitgliedern der Kommission gehören fünf Vertreter der Kirchen der Anglikanischen Gemeinschaft aus fünf globalen Regionen (Asien, Amerika, Afrika, Europa und Ozeanien). Mindestens zwei der fünf stimmberechtigten Mitglieder müssen weiblich sein, und die Mehrheit der stimmberechtigten Mitglieder soll der globalen Mehrheit angehören.

Aktuell hakt es in Canterbury. Die Diözese muss - wie alle anderen - auch immer ein "Vacancy in See Committee" parat haben, also ein Komitee für die Sedisvakanz. Dieses Komitee tritt nur zusammen, wenn ein neuer Bischof gewählt muss. Die Amtszeit des letzten Komitees musste verlängert werden, was durch eine Wahl geschah. Doch gibt es Unstimmigkeiten, ob alle Regeln korrekt angewendet worden seien. Das Komitee in Canterbury entsendet drei Mitglieder in die Crown Nominations Commission (CNC). Als die Kirche von England jetzt die Mitglieder der Wahlkommission bekanntgab, ließ sie die der Diözese Canterbury offen.

Wie es weitergehen soll

Die Kommission wird sich den Angaben zufolge in den Monaten Mai, Juli und September wenigstens dreimal treffen. Die Mitglieder werden dabei erst eine längere, dann eine kürzere Liste geeigneter Personen erstellen und Gespräche mit aussichtsreichen Kandidaten führen. Zum Schluss leitet die Kommission den Namen ihres bevorzugten Kandidaten an den Premierminister weiter. Allerdings hat sie einen "Reserve"-Kandidaten in petto.

Sobald der Premierminister von der Nominierungskommission einen einzigen Namen erhalten hat, fragt er den Kandidaten, ob er bereit sei, neuer Erzbischof von Canterbury zu werden. Lehnt der Kandidat
ab, muss der Premierminister die Kommission um den Namen des zweiten Kandidaten bitten. Der Premierminister könnte von seinem Ermessen Gebrauch machen und den ersten Kandidaten ablehnen, auch in diesem Fall würde er die Kommission ebenfalls um den Namen des zweiten Kandidaten bitten. Dann informiert er den König. Gemäß Abschnitt 18 des Roman Catholic Relief Act aus dem Jahr 1829 und Abschnitt 4 des Jews' Relief Act aus dem Jahr 1858 ist es einem katholischen oder jüdischen Premierminister nicht gestattet, den König bei kirchlichen Ernennungen zu beraten.

Beide Einschränkungen gelten jedoch nicht für den aktuellen Premierminister, Keir Starmer. Dieser ist nach eigenen Angaben Atheist. Wäre der Premierminister katholisch oder jüdisch, würde die beratende Funktion an einen anderen hochrangigen Minister delegiert werden.

Die Rolle des Königs

Der König stimmt dem Vorschlag zu. Es ist jedoch bekannt, dass Königin Elizabeth II. ihre Einwände bei der Ernennung nicht laut ausgesprochen hat. Sie verwies jedoch darauf, diese Entscheidung vielleicht noch einmal zu überdenken. Das verstand der jeweilige Premierminister. Auf eine offene Konfrontation hat es Königin Elisabeth II. hingegen nie ankommen lassen.

König Charles III. / © sdfharkin (shutterstock)

Hat der König seine Zustimmung gegeben, kann der Premierminister die Ernennung öffentlich verkünden. Dann ist die Gemeinschaft der Geistlichen (Kanoniker-Kollegium) an der Kathedrale von Canterbury gefragt, sie wählen den Erzbischof formell. Diese Wahl bedeutet das offizielle Datum für den Amtsantritt des neuen Erzbischofs. Der neue Erzbischof muss dann noch auf den Knien dem König die Treue schwören. Dabei legt er seine Hände in die Hände des Königs. Zu einem späteren Zeitpunkt findet dann in der Kathedrale von Canterbury ein Einsetzungsgottesdienst statt.

Ex-Erzbischof Justin Welby meldet sich zu Wort

Ende März hat sich der frühere Erzbischof Justin Welby in einem längeren Interview mit der BBC zu seiner Zukunft geäußert. Er sagte, er wolle «völlig in Vergessenheit geraten» und hoffe, nie wieder im Fernsehen aufzutreten. Was er sich vorstellen könne, sei sich in den Bereichen Schlichtung und Versöhnung in Großbritannien und weltweit zu engagieren. Das habe er bereits in den letzten 20 Jahren getan.

Welby ist zwar noch Bischof, jedoch ohne Amt. Daher müsse er um Erlaubnis fragen, wenn er Gottesdienste halten oder predigen will, sagte er in dem Interview. Die Entscheidung, egal, wie sie ausfalle, nehme er an.

Könnte die Kirche auseinanderbrechen?

Auf die Frage, ob er glaube, dass die anglikanische Gemeinschaft über die Frage nach gleichgeschlechtlichen Beziehungen oder die Rolle der Frauen in der Kirche auseinanderbrechen könne, antwortete er mit Ja. "Ich kann mir das vorstellen. Ich denke, es wäre eine totale Tragödie, denn wenn sich Familien trennen, hinterlässt das immer einen großen Schaden für alle". Nach Ansicht Welbys liegt der "Reichtum der Anglikanischen Gemeinschaft" "in ihrer unglaublichen Wirkung in Konflikt- und Kriegsgebieten" und in ihrer "außergewöhnlichen Vielfalt".

Aktuell steht für Justin Welby ein Umzug an. Er kann noch bis Juni in Lambeth Palace, dem Dienstsitz des Erzbischofs, wohnen bleiben. Bis der nächste Amtsinhaber einzieht, wird es wahrscheinlich Herbst. Von Anfang an haben Beobachter von Oktober gesprochen, mittlerweile kommen an diesem Termin erste Zweifel auf. 

Anglikanische Kirche

Die anglikanische Kirche entstand zur Zeit der Reformation in England. König Heinrich VIII. brach 1533 mit dem Papst, weil dieser sich weigerte, die Ehe des Königs zu annullieren. Als Oberhaupt einer neuen Staatskirche setzte sich Heinrich VIII. 1534 selbst ein. In Glaubensfragen blieben die Anglikaner zunächst bei der katholischen Lehre; später setzten sich protestantische Einflüsse durch. 1549 erschien das erste anglikanische Glaubensbuch, das "Book of Common Prayer".

Die Kathedrale von Canterbury, Sitz des anglikanischen Erzbischofs / © Sambraus, Daniel (epd)
Die Kathedrale von Canterbury, Sitz des anglikanischen Erzbischofs / © Sambraus, Daniel ( epd )
Quelle:
KNA