Seelsorgerin zur Corona-Situation im Krankenhaus

"Es gibt einige, die einfach resignieren"

Mit über 500 Toten hat Deutschland am Mittwoch einen neuen Corona-Rekord aufgestellt. Was bedeutet das für die Menschen in den Krankenhäusern? Die Kranken, das Personal, die Seelsorger. Ein Blick in den Alltag.

Pflege in Corona-Zeiten / © Harald Oppitz (KNA)
Pflege in Corona-Zeiten / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Wie ist denn bei Ihnen in der Klinik aktuell die Situation, was die Besucherregelung angeht?

Pastoralreferentin Barbara Reible (Krankenhausseelsorgerin, Sterbe- und Trauerbegleiterin): Derzeit gilt die Regelung, dass kein Besuch kommen darf – leider. Die einzigen Ausnahmen sind Besuche, wenn zum Beispiel ein Kind geboren wird. Dann darf der Vater dabei sein, bei der Geburt. Und glücklicherweise dürfen auch bei Schwerstkranken oder Sterbenden die Angehörigen kommen. In der Regel sagt dann der Oberarzt oder die Ärztin auch dann nochmal Bescheid, weil es sich gerade immer wieder ändert und die Frage ist: Was ist denn jetzt gerade aktuell gültig?

DOMRADIO.DE: Also das heißt, für diese Extremsituationen gelten Ausnahmen. In was für einer Situation erleben Sie denn derzeit die Menschen im Krankenhaus?

Reible: Sie sind schon in einer anderen Situation als sonst. Einmal, weil sie keinen Besuch bekommen dürfen. Sie merken, es ist im Haus leerer. Das Zweite ist: Es ist für die Menschen auch schwierig. Sie haben nicht mehr die Nähe oder den Kontakt zu Menschen, weil natürlich in Distanz gearbeitet wird.

Das sind nicht nur die Masken, wo man das Gefühl hat, man wird immer nur mit dem Tatortblick gerade angesehen, sondern es ist auch die Tatsache, dass Menschen anderen Menschen, die nicht Patienten sind, weniger begegnen können. Seelsorge kann dort dann nochmal hilfreich werden, weil das natürlich auch eine sehr große Beanspruchung ist für Ärzte und Pflegepersonal und andere therapeutische Kräfte.

DOMRADIO.DE: Heißt das denn jetzt für Sie und Ihre Arbeit, dass Sie öfter zu bestimmten Menschen gerufen werden, als das vielleicht sonst üblicherweise der Fall ist?

Reible: Das ist immer mal wellenartig. Es gibt einige, die auch einfach resignieren, versuchen zu lesen oder Fernsehen zu gucken. Andere trauen sich gar nicht, jemanden zu rufen, weil sie nicht wissen, ob der auch kommen darf. Das ist vor allen Dingen dann der Fall, wenn jemand Covid-verdächtig oder sogar Corona-Kranker ist. Es ist viel Unsicherheit dabei, Angst auch. Man will den anderen nicht unnötig infizieren.

Das ist etwas, was manchmal dazu führt, dass wir nicht häufiger gerufen werden. Was bei mir zumindest sehr häufig vorkommt, ist aber, dass Angehörige auch anrufen und wissen wollen: Wie geht es jetzt meinem Onkel / meinem Vater / meiner Tante – oder wie auch immer.

DOMRADIO.DE: Das heißt, sie übernehmen dann auch so ein bisschen so eine Mittler-Funktion zwischen innen und außen?

Reible: Ich darf nicht ohne weiteres Patientendaten von mir geben. Ich kann dann verweisen auf die bestehenden Regelungen, auf das Pflegepersonal und auf Ärzte, weil dann auch wieder die Datenschutz- und Persönlichkeitsrechte-Regelungen auch greifen. Das ist eine Schwierigkeit und eine Zwickmühle, in der wir stecken.

Was machbar ist, ist immer auch nochmal zu vermitteln und zu sagen: Hier ist die Durchwahl-Nummer, damit Sie nicht erst mal sich durchfragen müssen oder an der Zentrale hängenbleiben.

DOMRADIO.DE: Finden Sie denn Verständnis bei den Angehörigen, wenn Sie jemand anruft? Also für diese strengen Corona-Regelungen?

Reible: Meistens schon. Was die meisten dann gut finden, ist, wenn ich Ihnen sagen kann, auch wenn ich Ihnen jetzt akut etwa einen Krankenbericht nicht geben kann, aber ich kann persönlich da hingehen. Und das Wissen, dass jemanden persönlich zu dem betreffenden Menschen hingehen kann, hilft den Anrufern unglaublich weiter.

DOMRADIO.DE: Die Todeszahlen sind gestiegen. Ist es so, dass sie in Holweide bei sich im Krankenhaus Menschen haben, die tatsächlich gestorben sind und wo dann niemand kommen konnte?

Reible: Das gibt es auch, weil es immer wieder auch Menschen gibt, wo die nächsten Angehörigen auch nicht gerade um die Ecke wohnen. Das passiert dann sehr wohl. Dann gibt es hier sehr aufmerksames Personal, was dann auch durchaus die Seelsorge informiert und sagt: Können Sie da kommen, es sind uns die Hände gebunden, wir können jetzt da nicht dabei sein. Dann springen wir auch schon mal ein und sind quasi vielleicht wenigstens ein kleiner Ersatz.

DOMRADIO.DE: Wie gehen Sie mit der ganzen Situation persönlich um?

Reible: Im Team haben wir natürlich auch besprochen, wer zu den Corona-Patienten geht, die auch wirklich ernsthaft erkrankt sind. Wir haben besprochen, wie das mit unserem Eigenschutz und eigenem Risiko ist. Da geht es dann etwa darum, ob alle Vorerkrankungen frei sind – solche Sachen könnten ja auch mitspielen.

Wir wollen und gehen auch bewusst als Seelsorger zu Covid-Patienten – aber mit Eigenschutz. Da reicht dann nicht nur eine einfache OP-Maske, sondern das geschieht dann mit einer wirklichen FFP2-Schutzmaske und Visier und dementsprechenden Schutz. Das heißt, wir wollen hingehen, aber wir müssen uns auch selbst schützen.

Das Gespräch führte Uta Vorbrodt.


Barbara Reible (privat)
Quelle:
DR