Und das Verfassungsreferendum kommt

Birma verwüstet

Dramatische Wende in Birma nach dem Zyklon "Nargis": Nachdem anfänglich von 350 Toten die Rede war, sprechen Medien im Land nun von vielen tausend Opfern und Vermissten. Der Sturm hat Birma ins Chaos gestürzt - und Hilfe fehlt an allen Enden. Die Vereinten Nationen haben das Militärregime nun aufgefordert, internationale Hilfseinsätze zulassen. Auch politisch bleibt die Lage katastrophal: Am Samstag wird über eine neue Verfassung abgestimmt. Und die Junta tut alles, um das Volk zu einem 'Ja' zu zwingen.

Autor/in:
Michael Lenz
 (DR)

Frittierte Senfblätter mit Huhn steht auf der Speisekarte des birmanischen Restaurants "Aiya" in der thailändischen Grenzstadt Maesot. Die typischen Gerichte des Nachbarlandes finden sich auch auf den Karten der Restaurants in Myawaddy auf der anderen Seite der Grenze. Doch die Porträts der birmanischen Oppositionspolitikern Aung San Suu Kyi oder das Gemälde mit dem Mönch vor einer schwer bewaffneten Polizeikette an den Wänden des "Aiyo" wären in Myawaddy undenkbar. Wer sich in Birma offen zu Suu Kyi bekennt, den bedroht die Militärdiktatur. Seit mehr als 45 Jahren regieren die Generäle Birma mit Schikanen, Gewalt und Haft.

Die Repression ist in diesen Tagen noch schärfer und umfassender als sonst. Am Samstag sind die Birmaner aufgerufen, über eine neue Verfassung abzustimmen. Die Junta tut alles, um das Volk zu einem 'Ja' zu zwingen. Den staatlichen Medien ist es verboten, über die "Vote No"-Kampagne der Oppositionsgruppen zu berichten. Die Verfassung schreibt die Macht des Militärs fest. Ein Viertel der Sitze des Parlaments, das 2010 gewählt werden soll, sollen für die Armee reserviert sein. Ein spezielles Gesetz verhindert zudem, dass Suu Kyi für ein politisches Amt kandidieren kann. Seit 18 Jahren steht sie nun fast ununterbrochen in ihrem Haus in Rangun unter Arrest.

Am Samstag geht es um viel. Die Generäle wollen ihre Macht legitimieren - gegenüber dem Ausland, aber auch gegenüber dem eigenen Volk. "Die Junta ist nicht die gewählte Regierung. Die legitime Regierung wurde 1990 gewählt. Aber die Generäle haben das Wahlergebnis nie anerkannt", sagt der birmanische Dissident Aung Myo Min, Gründer des im thailändischen Chiang Mai ansässigen Human Rights Education Institute of Burma. er und seine Mitstreiter ermutigenten die Menschen, ihr Recht auf ein 'Nein' zu nutzen.

Tausende in Haft
Gleich um die Ecke des "Ayio" hat die Hilfsvereinigung für politische Gefangene in Birma ihr Büro. "Allein 20 Pro-Demokratie-Aktivisten wurden in den vergangenen Tagen verhaftet, weil sie eine Ablehnung der Verfassung wollen", weiß Aung Myo Thein, der wegen seiner aktiven Beteiligung an der sogenannten Safran-Revolution vor vier Monaten nach Thailand fliehen musste. Der Dissident schätzt, dass sich die Zahl der politischen Gefangenen seither auf 2.000 verdoppelt hat.

Aung Myo Thein ist selbst ein früherer politischer Häftling. Vor fast 20 Jahren wurde er als einer der Anführer des Studentenaufstands gegen das Militärregime vom August 1988 verhaftet, gefoltert und zu sieben Jahren Haft in dem berüchtigten Insein Gefängnis in Rangun verurteilt. Das Militär erstickte die Proteste am 8. August 1988 in einem Blutbad und tötete mehr als 3.000 Demonstranten.

"Mehrheit für die Verfassung ist nur durch Manipulation möglich"
Der 41-Jährige ist überzeugt, dass seine Landsleute sich diesmal nicht mehr von der Junta einschüchtern lassen und mit großer Mehrheit gegen die Verfassung stimmen werden. "Auch vor den Wahlen 1990 haben sie uns massiv bedroht - und trotzdem hat die Opposition gewonnen", sagt Aung Myo Thein. Für Birmas Regimegegner ist eine Ablehnung der Verfassung das einzig akzeptable Ergebnis. Aung Myo Thein meint: "Eine Mehrheit für die Verfassung ist nur durch Manipulation möglich."

Wie das Volk darauf reagieren würde, weiß zwar keiner. Der Mönch Ashin Pyinnya Jota, einer von sechs Mönchen an der Spitze der All Burma Monks Association, die die Proteste im September koordinierte, ist sich aber sicher: "Wir wollen nicht mehr in Furcht leben." Dem stellvertretenden Abt des Klosters Maggin in Rangun gelang vor zwei Monaten die Flucht nach Thailand. Überall in Birma sei es in den vergangenen Tagen zu kleinen Mönchs- Demonstrationen gekommen, sagt Ashin Pyinnya Jota: "Wir Buddhisten müssen unsere Stimme erheben." Natürlich könne er nicht vorhersehen, wann es wieder zu Massenprotesten komme: "Aber sicher dauert es nicht wieder 20 Jahre."

UN-Organisationen: Birma soll internationale Hilfseinsätze zulassen

Im domradio berichtet Roland Hansen vom Malteser Hilfsdienst über die Lage im Land nach dem Sturm.

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