Der Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal William Levada, konnte am Freitag in Rom krankheitsbedingt nicht bei der Presse-Vorstellung des Dokuments mitwirken. Umso stärker fiel die Kontinuität des Textes mit dem Denken seines Amtsvorgängers Joseph Ratzinger ins Auge: Das Dokument wurde noch unter dessen Ägide 2002 begonnen; intern trug es den Arbeitstitel "Donum vitae 2". Neben der Glaubenskongregation hat auch die Päpstliche "Akademie für das Leben" maßgeblich mitgearbeitet.
Der Arbeitstitel spielt auf eine frühere Instruktion an, die Kardinalpräfekt Ratzinger 1987 unter dem Titel "Donum vitae" (Geschenk des Lebens) - vorgelegt hatte. Es war die erste, die sich mit dem damals noch neuen Thema Bioethik befasste. In ihr entwickelte der heutige Papst seinerzeit die Prinzipien, wonach eine Zeugung im Reagenzglas moralisch verwerflich ist und die Achtung vor dem Menschen in jeder Lebensphase den Zugriff auf "embryonales Material" verbietet.
Der zwei Jahrzehnte alte Text ist denn auch in dem neuen Papier die am häufigsten zitierte Quelle: Nicht weniger als 16 kürzere und längere Passagen werden aus den damaligen Richtlinien wiedergegeben.
Fast ebenso häufig wird die Enzyklika "Evangelium Vitae" von Papst Johannes Paul II. aus dem Jahr 1995 zitiert - an der Ratzinger ebenfalls mitwirkte.
Jüngere Entwicklungen der Reproduktionsmedizin
Trotz dieser Kontinuität enthält "Dignitas personae" mehr als die Wiederholung altbekannter Positionen. Der Text geht auf jüngere Entwicklungen der Reproduktionsmedizin ein - etwa die in Großbritannien neuerdings legale Herstellung von Mensch-Tier-Mischwesen oder die Versuche, embryoähnliche Stammzellen durch Zellkernaustausch zu gewinnen. Beide Neuerungen werden unter Verweis auf die Menschenwürde abgelehnt.
Die stärksten Passagen hat der Text dort, wo er die inzwischen etablierte und auch von Katholiken praktizierte Zeugung "in vitro" kritisiert, da sie die Herstellung (und spätere Vernichtung) überzähliger Embryonen billigend in Kauf nimmt. Wovor "Evangelium vitae" 1995 noch vorausschauend warnte, ist in den Labors längst gängige Praxis: dass "Techniken künstlicher Befruchtung, die sich scheinbar in den Dienst am Leben stellen, in Wirklichkeit neuen Anschlägen gegen das Leben Tür und Tor öffnen".
Beinahe sarkastisch stellt nun "Dignitas personae" fest: "Es fällt auf, dass die allgemeine Ethik und die Gesundheitsbehörden in keinem anderen Bereich der Medizin eine Technik mit einer so hohen Rate an negativen, tödlichen Ausgängen zuließen." Und an einer anderen Stelle heißt es prägnant: "Der Wunsch nach einem Kind kann nicht seine 'Produktion' rechtfertigen, so wie der Wunsch, ein schon empfangenes Kind nicht zu haben, nicht dessen Vernichtung rechtfertigen kann."
Pastorale Akzente
Bei aller moralischen Strenge und Konsequenz enthält der Text auch "pastorale" Akzente. So hebt er das Verständnis der Kirche für die Leiden der ungewollt kinderlosen Ehepaare hervor. Er betont, dass hinter jedem moralisch motivierten "Nein" letztlich das "Ja" zur Würde jedes Menschen stehe. Und in einem Punkt zeigt sich die Glaubenskongregation geradezu tolerant: Um Gefahren für das Leben eines Kindes abzuwenden, dürfen auch Medikamente oder Impfstoffe benutzt werden, die mit Hilfe moralisch verwerflicher Stammzellforschung hergestellt wurden.
Trotz langer Vorlaufzeit ist es dem Vatikan gelungen, das Papier bis zuletzt unter Verschluss zu halten. Noch vor seinem Sommerurlaub hatte Benedikt XVI. es gebilligt, und Levada hat es bereits am 8. September unterzeichnet. Dass es nun erst drei Monate danach erschien, hat unter anderem mit der besonders sorgfältigen Übersetzung in die wichtigsten Weltsprachen zu tun. Außerdem legte der Vatikan Wert darauf, dass die Bischöfe rund um den Erdball das Schreiben lange vorab erhielten und den Inhalt nicht zuerst aus den Medien erfuhren. Zudem wollte man es am Jahresende platzieren, abseits von Bischofssynode und Papstreisen, um ihm mehr öffentliche Beachtung zu sichern.
Vatikan gegen Zeugung "in vitro" und Embryonen-Verwertung
Festhalten an Prinzipien
Erstmals im 21. Jahrhundert hat die Römische Glaubenskongregation einen Grundsatztext zu bioethischen Fragen vorgelegt. Das 30 Seiten umfassende Werk trägt den Titel "Dignitas personae - Über einige Fragen der Bioethik". Es hat den Rang einer "Instruktion" und gehört damit zu den für die gesamte katholische Kirche verbindlichen Texten, wenn es auch nicht den Stellenwert einer päpstlichen Enzyklika beansprucht. Ein Beitrag von Ludwig Ring-Eifel, Chefredakteur der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
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