Vatikanexperte erklärt die spektakulären Feuerwerke der Päpste

"4.500 Raketen gleichzeitig in den römischen Himmel geschossen"

Spektakuläre Feuerwerke im Vatikan? Ja – und zwar schon vor Jahrhunderten. Wie Päpste mit der sogenannten Girandola Macht, Kunst und Volksfest verbanden und warum ganz Europa staunte, erklärt Vatikanexperte Ulrich Nersinger.

Autor/in:
Lara Burghardt
Feuerwerk über dem Petersdom in Rom. / © Pajor Pawel (shutterstock)
Feuerwerk über dem Petersdom in Rom. / © Pajor Pawel ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Im 15. Und 16. Jahrhundert veranstalteten die Päpste die spektakulärsten Feuerwerke weltweit, entworfen von Künstlern wie Michelangelo oder Gian Lorenzo Bernini. Sie wurden "Girandola" genannt. Wie muss man sich das vorstellen?

Vatikanexperte Ulrich Nersinger (EWTN)
Vatikanexperte Ulrich Nersinger / ( EWTN )

Ulrich Nersinger (Vatikanexperte): Am Anfang war es ein vergleichsweise einfaches Feuerwerk. Auf einer Medaille sieht man, wie Raketen aus einem Fass in den Himmel aufsteigen. Doch das war nur der Beginn. Als Gian Lorenzo Bernini und andere große Architekten des Vatikans die Organisation übernahmen, entwickelte sich daraus etwas völlig anderes. Vor allem Bernini perfektionierte die Girandola auf beeindruckende Weise. Zunächst zeigte sich ein Strahlenkranz, dann eine riesige Lichtgestalt, die durch die Explosion vieler gleichzeitig gezündeter Raketen entstand. Bernini selbst verglich das Spektakel mit einem gewaltigen Vulkanausbruch – dem des Stromboli. Durch ein hochkompliziertes Zündsystem wurden gleichzeitig rund 4.500 Raketen in den römischen Himmel geschossen. Man kann sich kaum vorstellen, welches überwältigende Bild sich damals den Menschen bot.

DOMRADIO.DE: Welche Rolle spielten die Päpste dabei?

Nersinger: Die Päpste waren die eigentlichen Initiatoren des Feuerwerks. Mehr noch: Zum Beginn des Schauspiels gab der Papst persönlich das Startsignal – meist gegen zwei Uhr nachts von seiner jeweiligen Residenz aus, sei es im Vatikan oder im Quirinalspalast. Das Zeichen war ein donnernder Kanonenschuss.
Alles war bis ins Detail inszeniert – wirklich perfekt durchkomponiert.

Ulrich Nersinger

"Selbst an den großen Fürstenhöfen, etwa am französischen Hof, habe man Vergleichbares nicht gesehen."

DOMRADIO.DE: Das klingt nach ungeheuren Feuerwerksspektakeln.

Ulrich Nersinger: Ja, und sie waren weltweit berühmt. Reiseberichte aus Rom schildern, dass diese Feuerwerke einzigartig gewesen seien – selbst an den großen Fürstenhöfen, etwa am französischen Hof, habe man Vergleichbares nicht gesehen.

DOMRADIO.DE: Diese Spektakel machten also Eindruck über Rom hinaus. Welche Folgen hatte das im 17. und 18. Jahrhundert, in der Blütezeit der Girandola?

Ulrich Nersinger: Das Interesse war enorm. Französische Könige etwa wandten sich direkt an den Papst und baten darum, die Feuerwerker und Kanoniere der Engelsburg auszuleihen – die Hauptverantwortlichen für die Girandola. Wir wissen zum Beispiel, dass die feierliche Begrüßung von Marie Antoinette in Versailles weitgehend von päpstlichen Feuerwerkern gestaltet wurde. Das zeigt, welche internationale Bedeutung diese Inszenierungen hatten.

Ulrich Nersinger

"Ein strenger Papst, Sixtus V., wollte das Feuerwerk aus finanziellen Gründen einschränken."

DOMRADIO.DE: Das war sicher sehr aufwendig. Warum hat sich der Vatikan solche Inszenierungen geleistet?

Ulrich Nersinger: Es gibt eine Medaille aus dem 16. Jahrhundert mit der Umschrift Hilaritas Pontificia – "päpstliche Heiterkeit". Die Girandola war also auch eine Form der Volksbelustigung. Ein strenger Papst, Sixtus V., wollte das Feuerwerk aus finanziellen Gründen einschränken. Doch die Bevölkerung reagierte mit offenem Unmut, sodass man die Tradition fortsetzte.

Das Feuerwerk zeigte päpstliche Autorität, brachte Freude über das Papsttum zum Ausdruck und hatte zugleich soziale Aspekte: Bei diesen Anlässen wurden Münzen an Arme verteilt.

Bis zum Ende des Kirchenstaates (Anm. d. Redaktion: 754 bis 1870) prägte die Girandola das Leben in Rom. Reiseberichte berühmter Gäste wie Charles Dickens oder Lord Byron schildern eindrucksvoll diese Feuerwerke. Viele Besucher gaben enorme Summen aus, um einen guten Blick zu ergattern – und römische Gastwirte verdienten prächtig daran, Zimmer mit Top-Aussicht zu vermieten.

Das Interview führte Lara Burghardt.

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Petersplatz im Vatikan  / © Agustin Jose Jemic (shutterstock)
Petersplatz im Vatikan / © Agustin Jose Jemic ( shutterstock )
Quelle:
DR

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