Die katholische Gemeinde von St. Maximilian in München hat derzeit ein ungewöhnliches Zuhause: Eine ehemalige evangelische Kirche. Was zunächst nach einer organisatorischen Notlösung klingt, hat sich zu einem bemerkenswerten Beispiel gelebter Ökumene entwickelt – und zu einer Erfahrung, die Pfarrer Rainer Maria Schießler theologisch wie menschlich bewegt.
Weil ihre Kirche St. Maximilian seit Ostern umfassend saniert wird, brauchte die Gemeinde von Pfarrer Schießler neue Räume. Zunächst wichen der Geistliche und seine Gemeinde in die Nachbarpfarrei St. Anton aus. Doch der dortige Gaststatus – nur alle 14 Tage und jeweils für eine Stunde – brachte erhebliche Nachteile mit sich. "Wir haben einfach gemerkt, dass wir so viele Leute verloren haben", sagt Pfarrer Schießler gegenüber DOMRADIO.DE. Denn ständig haben der Ort und die Uhrzeit gewechselt: "Der Katholik ist ein Gewohnheitstier", äußert er mit einem Schmunzeln.
Nutzungsvertrag für evangelische Nazarethkirche
Doch dann habe Schießler erfahren, dass die evangelische Nazarethkirche in Bogenhausen nicht mehr genutzt wird, weil sich die dortige Gemeinde jetzt auf eine andere Kirche konzentriert. Der katholische Pfarrer griff kurzerhand zum Telefon und fragte nach Asyl. Die Antwort kam sofort: "Ja, gerne". "Und dann ist das unglaublich unkompliziert und unprätentiös abgelaufen", freut sich Schießler. Es folgte ein Nutzungsvertrag, und seitdem kann die katholische Gemeinde jeden Sonn- und Feiertag die Kirche vollständig nutzen, inklusive Konzerten und Veranstaltungen. Und das alles bis zum kommenden Sommer, wenn St. Maximilian voraussichtlich wieder eröffnet wird.
Dass er nun regelmäßig in einer evangelischen Kirche Gottesdienst feiert, empfindet Schießler keineswegs als befremdlich. Der oft gezogene Fußballvergleich zwischen TSV 1860 und dem FC Bayern beschreibt für den Geistlichen die Situation kaum: Im Unterschied zu den rivalisierenden Vereinen erlebe er zwischen den Kirchen eine große Kollegialität. Zwar ist die Nazarethkirche inzwischen entwidmet und somit "ein ganz normaler Raum", doch Schießler betont seinen Respekt gegenüber der evangelischen Gemeinde, die hier jahrzehntelang ihre geistliche Heimat hatte. "Ich fühle mich sehr geehrt, da zu sein."
Kirchen trenne kaum noch etwas
Ökumenische Nähe ist für Pfarrer Schießler alltäglich. Seit 15 Jahren lebt er mit einem evangelischen Pfarrer und dessen Gattin in einem Pfarrhof. "Er ist einer meiner besten Freunde". In vielen theologischen Gesprächen kommen beide immer wieder zur gleichen Erkenntnis: "Eigentlich trennt uns doch überhaupt nichts."
Das zeigte sich auch beim ersten Gottesdienst der katholischen Gemeinde in der entweihten evangelischen Nazarethkirche. Dieser sei brechend voll gewesen – und zwar mit Gläubigen beider Konfessionen. Doch genau hier spürte Schießler etwas Trennendes: Denn die evangelischen Christinnen und Christen sind nicht zum Altar getreten, um die Eucharistie zu empfangen. "Da muss ich sagen, bitte, liebe Amtskirchen, geht's an. Das muss jetzt unbedingt geklärt werden. Wir haben nicht mehr viel Zeit."
Das Interview führte Carsten Döpp.