Der Klimaforscher Ottmar Edenhofer und der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf haben die bleibende Bedeutung der Enzyklika "Laudato si" betont. In der neuen Folge des Podcasts "Lebensfragen" erklärte Kohlgraf, als die Enzyklika 2015 erschienen sei, sei sie für ihn "etwas Exotisches" gewesen: Päpste hätten sich sonst zu großen Glaubensfragen geäußert - "und dann kam eine Umweltenzyklika". Der Bischof erklärte: "Ich habe erst im Nachhinein gemerkt, dass die eine hohe Bedeutung hat."
Erst nach und nach sei ihm aufgefallen, wie wichtig die Enzyklika sei. Sie verbinde die Themen Umwelt, Schöpfung, Migration, Lebensmöglichkeiten, Armut und Gerechtigkeit. Franziskus habe es sehr überzeugend geschafft, die Zusammenhänge in den Blick zu nehmen. "Der Papst hat da, meine ich, etwas sehr Prophetisches geschrieben."
Weltkirche soll Richtung weisen
Angesichts "schlimmer Entwicklungen" wie dem Ausstieg der USA aus Klimaverträgen müsse die Weltkirche immer wieder darauf hinweisen, dass der Klimawandel eine weltweite Verantwortung darstelle. Kohlgraf erklärte, die Kirche sei für dieses Thema berufen, weil die Bibel den Menschen als Teil einer Familie von Tieren, Pflanzen und Menschen zeige. Es sei ein christlicher Auftrag, für die Schöpfung Verantwortung zu übernehmen. Er hoffe, Papst Franziskus habe viele motiviert, sich mit auf den Weg zu machen. Podcast-Gast Ottmar Edenhofer hat zur päpstlichen Enzyklika seinen eigenen Teil beigetragen. Der in Potsdam forschende Wissenschaftler ist einer der führenden Experten für die Ökonomie des Klimawandels - und war einer der Berater von Papst Franziskus.
Edenhofer betont, vor "Laudato si" sei die innerkirchliche Situation ganz anders gewesen. Gerade in den USA hätten viele Katholiken bezweifelt, dass der Klimawandel ein ernstzunehmendes Thema sei - und es habe auch im Vatikan bedeutende Kardinäle gegeben, die den menschengemachten Klimawandel geleugnet hätten. Daher sei es ein mutiger Schritt von Papst Franziskus gewesen, diese Enzyklika zu schreiben und auf die Erkenntnisse des Weltklimarats Bezug zu nehmen. Viele Wissenschaftler hätten es großartig gefunden, dass ein Papst eine solche Enzyklika geschrieben habe: "Damit ist der Krieg zwischen Religion und Wissenschaft beendet." Den Leugnern des Klimawandels sei der Boden entzogen worden.
Edenhofer: "Kein Luxusthema"
Sein Treffen mit Papst Franziskus sei eine sehr herzliche Begegnung gewesen, erinnert sich Edenhofer, in der er dem Papst eine Stunde lang seine wesentlichen Überlegungen mitteilen konnte. Am wichtigsten sei ihm gewesen, festzustellen, dass die Atmosphäre ein Gemeinschaftseigentum der Menschheit sei. Das habe der Papst in die Enzyklika aufgenommen. Das sei revolutionär, meint Edenhofer, denn es entwickle die Eigentumslehre der katholischen Soziallehre weiter: Alle Menschen haben gleiches Recht auf die Ressourcen des Planeten.
Nach seiner Einschätzung ist "Laudato si" mit der Sozialenzyklika Rerum novarum (1891) von Leo XIII. vergleichbar, weil die Eigentumsfrage, die damals in der Industrialisierung gestellt worden sei, sich jetzt bei den globalen Umweltthemen stelle. Franziskus habe deutlich gemacht, dass Umweltschutz keine Luxusangelegenheit der reichen Länder, sondern eine grundlegende Frage der Nutzung des Planeten und der Menschenwürde sei.
Herausforderung für Papst Leo XIV.
Papst Leo XIV. habe zum Thema Klimawandel zunächst einmal der Wissenschaft eine Aufgabe gestellt, indem er sagte, der reiche Norden solle sich ökologisch entschulden und dem Süden helfen, sich finanziell zu entschulden, so Edenhofer. Dazu, wie das gelingen könnte, habe man am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung bereits intensiv nachgedacht.
Den Papst sieht Edenhofer ebenso darin gefordert, die - auch innerkatholische - Auseinandersetzung mit den Trump unterstützenden Rechtskatholiken der USA zu bestehen. Dort würden Klima und Migration zu Kulturkampfthemen gemacht. Dieser Rechtskatholizismus laufe im Kern dem, was die Tradition der katholischen Soziallehre ausmache, zuwider. Denn die katholische Soziallehre versuche, die Vorstellung eines Weltgemeinwohls zu entwickeln. Daran zu erinnern, ist aus Edenhofers Perspektive eine vorrangige Aufgabe der Weltkirche und des Papstes.