DOMRADIO.DE: Was bedeutet es für die Menschen im Amazonas, dass die kommende Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen ("Conference of the Parties" - COP30) im brasilianischen Belém – also mitten im Amazonasgebiet – stattfindet?
Júlio Endi Akamine SAC (seit August 2025 Erzbischof des Bistums Belém do Pará): Es ist eine sehr gute Gelegenheit, um zu zeigen, dass das Amazonasgebiet nicht nur ein unbewohnter Dschungel ist, sondern dass hier Völker seit Jahrhunderten im Einklang mit der Natur leben und den Amazonas erhalten. Die Verwüstung, die Zerstörung und die Verschmutzung, die wir heute erleben, haben nicht indigene Völker, Flussbewohner und die ländliche Bevölkerung verursacht. Sie haben diese Biotope immer geschützt und ich denke, die COP30 ist eine Chance, dass diese Menschen in den Diskussionen über den Klimawandel und bei der Bewältigung dieser Herausforderung gehört werden müssen.
DOMRADIO.DE: Das Erzbistum Belém hat gerade sein Programm veröffentlicht, mit dem es die COP30 begleiten wird. Warum ist Ihnen die Präsenz von Kirche bei der Weltklimakonferenz wichtig?
Dom Júlio: Bei der Konferenz gibt es zwei Zonen: Eine blaue Zone für die Staats- und Regierungsvertreter und eine grüne Zone, das ist ein öffentlicher Bereich, der als Forum für Diskussionen, Präsentationen und Demonstrationen dient. Er gibt der Öffentlichkeit die Möglichkeit, sich an der Klimadebatte zu beteiligen. Die Kirche wird an hochrangigen Diskussionen teilnehmen und ihren Beitrag leisten, vor allem auf Basis der päpstlichen Lehrschreiben "Laudato sì" und "Laudate Deum": Darin finden wir die grundlegenden Prinzipien einer ökologischen Umkehr, einer größeren Sorge für unser Gemeinsames Haus, einer ganzheitlichen und menschlichen Ökologie. Und wir sind überzeugt, dass dies die besten Grundsätze für die Bekämpfung des Klimawandels sind. Darum wird die Kirche neben vielen anderen zivilgesellschaftlichen Bewegungen auch in der grünen Zone vertreten sein. Als katholische Kirche und vor allem auch als Erzdiözese Belém ist es uns ein Anliegen, dass alle Menschen guten Willens in irgendeiner Form an dieser Veranstaltung der COP30 teilnehmen können.
Deshalb werden wir vor und während der COP auch zusammen mit anderen Organisationen und sozialen Bewegungen Veranstaltungen außerhalb des Kongresses organisieren. Wir wollen ein Bewusstsein schaffen für den Klimawandel und die Auswirkungen - und die Lösungen, die wir vorschlagen, um dieser großen Herausforderung zu begegnen. Die Kirche ist bei der COP30 also sehr präsent.
DOMRADIO.DE: Was werden das für Veranstaltungen sein?
Dom Júlio: Es wird vier Zentren geben: Hier in der Stadt Belém, im Colégio Santa Catarina, mit Schwerpunkt auf sozialen Themen. Ein weiteres ist an der Katholischen Universität von Belém, dort wird es um Bildung und Gesundheit gehen. In der Pfarrei São João Batista – im Norden der Stadt – geht es um das Thema Jugend und in Santa Bárbara – einem Vorort von Belém – um Nachhaltigkeit.
An jedem Standort wird es Foren, Diskussionen und Präsentationen geben, die sich an die Bevölkerung und unsere Gläubigen richten. Darüber hinaus veranstaltet die brasilianische Bischofskonferenz hier am 12. November im Colégio Santa Catarina ein Symposium.
Wir werden auch sowohl die Eröffnung als auch den Abschluss der Konferenz mit einem Gottesdienst und einer Prozession zur Basilika Nossa Senhora Nazaré begleiten.
DOMRADIO.DE: Es soll auch einen Gedenkmarsch für die Menschen geben, die wegen ihres Einsatzes für die Menschen und die Bewahrung der Schöpfung getötet wurden: "Märtyrer", die in ihrem Bemühen um das "Gemeinsame Haus", wie es Papst Franziskus in seiner Enzyklika geschrieben hat, zu Tode kamen. Wie kam es dazu?
Dom Júlio: Es gibt viele Christen, die ihr Leben für die Verteidigung dieses Lebensraumes aufs Spiel setzen. Und es gibt leider auch Menschen, die andere Interessen haben und sich nicht nur widersetzen, sondern dafür auch drohen, zerstören und töten.
Diese Opfer wollen wir mit einbeziehen und daran erinnern, dass es sich nicht nur um Protest handelt, sondern um ein Zeugnis. Wir wollen zeigen, dass ihr Opfer nicht umsonst war: Gott lässt die Menschen, die aus Hingabe für das Gemeinwohl kämpfen, für das Leben auf dem Planeten, für die Schöpfung und die Menschen im Amazonas und auf der ganzen Welt, nicht ins Leere fallen.
Gott hat die Schöpfung als ein Geschenk der Liebe für alle und nicht nur für einige wenige gegeben. Er vertraute sie dem Menschen an, damit er sie pflegt und bewahrt. Wir glauben an den Schöpfer und daran, dass die Schöpfung nicht nur einer wirtschaftlichen Ordnung folgt, sondern auch der Ordnung der Liebe. Aber viele Menschen denken nicht so, sondern glauben, dass unsere Ressourcen ausgebeutet und zerstört werden können, ohne Rücksicht auf zukünftige Generationen.
Darum handelt es sich bei jenen, die sich für die Bewahrung der Schöpfung einsetzen, um ein Glaubenszeugnis: Sie sind Zeugen und Vorbilder für Engagement, Nächstenliebe und den Glauben an Gott. Deshalb sprechen wir von Märtyrern.
DOMRADIO.DE: Vor zehn Jahren veröffentlichte Papst Franziskus seine Enzyklika "Laudato Sí": Welchen Einfluss hatte das auf Amazonien?
Dom Júlio: Die wichtigste Auswirkung war eine Schaffung von Bewusstsein: Die Kirche hat einen Weg eingeschlagen, den sie nicht wieder zurückgehen kann. Und wir laden alle Menschen guten Willens dazu ein, sich zu beteiligen.
"Laudato Sí" war eher der Beginn eines Prozesses, so wie es auch Papst Franziskus selbst gesagt hat: Damit eine Entwicklung in Gang gesetzt wird, die Früchte tragen wird, wenn auch nicht sofort, aber in Zukunft, für die nächsten Generationen.
Natürlich wünsche ich mir, dass Dinge schneller vorangehen und sich effektiver entwickeln. Aber wir wissen, dass "Laudato SÍ" ein Denkmal ist. Der Beginn von neuen sozialen Beziehungen, die das Bewusstsein der Menschen und die Art und Weise, wie wir leben und die Beziehung zu unserem "Gemeinsamen Haus" verändern.
DOMRADIO.DE: Papst Franziskus wollte eigentlich an der Weltklimakonferenz 2023 in Dubai teilnehmen, doch dann musste er die Reise aus gesundheitlichen Gründen absagen. Hätten Sie sich den Besuch von Papst Leo in diesem Jahr bei der COP in Belém gewünscht?
Dom Júlio: Natürlich, wir hatten alle darauf gehofft, aber wir wissen, dass er wegen Verpflichtungen im Rahmen des Heiligen Jahres in Rom nicht kommen kann, weil der Papst, so heilig er auch sein mag, nicht die Gabe der Bilokation besitzt, er kann nur an einem Ort gleichzeitig sein. Aber es wird eine Delegation des Heiligen Stuhls kommen, die im Namen des Papstes spricht und nicht nur ihn, sondern auch das päpstliche Lehramt bis zum heutigen Tag repräsentiert.
DOMRADIO.DE: Welche Erwartungen haben Sie an die Klimakonferenz?
Dom Júlio: Ich hoffe, dass die Konferenz mutig sein wird. In "Laudate Deum" hat Papst Franziskus sehr konkrete Forderungen formuliert, die nicht gehört, vielleicht sogar ignoriert wurden. Er benennt da sehr konkrete Schritte zur Bekämpfung der Klimakrise, das ist in der Tat ehrgeizig. Wenn die Akteure mehr auf "Laudate Deum" hören würden, dann würden die Dinge meiner Meinung nach in die richtige Richtung laufen.
DOMRADIO.DE: Und was wäre ein gutes Ergebnis der Weltklimakonferenz?
Dom Júlio: Wenn die Vertreter ein ehrgeiziges Programm zur Reduzierung der Schadstoff- und Treibhausemissionen aufstellen könnten. Wenn sie tatsächlich wichtige Entscheidungen über die Umstellung der Energiebeschaffung treffen könnten, was notwendig ist. Und wenn sie eine internationale Organisation schaffen, die tatsächlich in der Lage wäre, die getroffenen Entscheidungen umzusetzen und zu kontrollieren.
Das Interview führte Ina Rottscheidt.