DOMRADIO.DE: Am Mittwoch, dem 7. Mai, beginnt das Konklave mit einem besonderen Gottesdienst. Wie kann man sich den vorstellen?
Stefan von Kempis (Chefredakteure der deutschsprachigen Redaktion von Vatican News): Das ist die Messe zur Wahl eines neuen Papstes. Dazu treten im Petersdom sämtliche Kardinale an, die Wahlberechtigten und auch die Nichtwahlberechtigten. Es wird eine Predigt gehalten, die die großen programmatischen Linien ins neue Pontifikat hinein aufziehen soll.
Zu einem Klassiker ist die Predigt aus 2005 vom damaligen Dekan des Kardinalskollegiums von Joseph Ratzinger geworden, der im darauffolgenden Konklave zum Papst gewählt wurde. Es ist eine sehr feierliche Messe zum Beginn des Konklaves, das einige Stunden später mit dem Einzug in die sixtinische Kapelle beginnt.
DOMRADIO.DE: Irgendwann heißt es "Extra omnes!". Dann müssen alle raus. Wie ist die Zeit dazwischen, geht dieser Gottesdienste direkt über in das Konklave?
Kempis: Der Gottesdienst ist am Vormittag. Danach gibt es einige Stunden Zeit, in der die Kardinäle zum Teil erst einziehen in die Casa Santa Marta und sich organisieren. Das sind ältere Herren, die müssen sich eingewöhnen. Wo muss ich das Handy abgeben? Habe ich genug Seife und Waschzeug dabei? Allerlei Fragen. Nachmittags ist dann erst der feierliche Einzug in das Konklave.
DOMRADIO.DE: Danach sind die Kardinäle von der Außenwelt abgeschottet. Es gibt sogar Störsender gegen Handyempfang. Wie muss man sich das Konklave archetypisch vorstellen?
Kempis: Auch wenn wir uns das nicht unbedingt vorstellen können, ist es eine große Liturgie. Es wird vor allem gebetet - die ganze Zeit. Die Zeit der Wahlgänge läuft wie in Zeitlupe: Ein Kardinal nach dem anderen geht mit dem Wahlzettel in der Hand nach vorne unter das Fresko des jüngsten Gerichts von Michelangelo. Er legt den Schwur auf Latein ab, dass er wirklich den wählt, den er vor seinem Gewissen für den besten Nachfolger Petri hält und lässt diesen Wahlzettel auf einer Schale zurück, die man in einen Kelch rutschen lässt.
Das ist alles sehr byzantinisch, sehr feierlich. Die Kardinäle dürfen nicht Zeitung lesen, sondern beten den Rosenkranz. Dass man sich mit dem Nachbarn unterhält, ist eher eine Ausnahme. Ich glaube, dass es in der Sixtinischen Kapelle auf Dauer eine belastende Atmosphäre ist.
DOMRADIO.DE: Diese Belastung endet, wenn der neue Papst mit Zweidrittelmehrheit gewählt worden ist. Mit der Annahme der Wahl ist der Papst dann der neue Papst?
Kempis: In dem Moment, in dem der Gewählte die Wahl annimmt und den Namen nennt, den er sich als Papst geben will, ist er Papst und Bischof von Rom. Es kann hypothetisch sein, dass die Kardinäle jemanden wählen, der nicht in der sixtinischen Kapelle anwesend ist. Zum Beispiel einen Kardinal, der die Altersgrenze von 80 Jahren überschritten hat oder auch einen Nicht-Kardinal. Das ist durchaus möglich.
In dem Moment muss der Betreffende verständigt werden, solange hält das Konklave an. Dann muss er im Konklave vor den Kardinälen erklären, dass er die Wahl annimmt. Wenn er noch nicht Bischof ist, muss diese Weihe schnell nachgeholt werden. Ab dem Moment ist er schließlich Bischof von Rom und damit Papst.
DOMRADIO.DE: Dann gibt es den Moment, den wir alle kennen: "Habemus Papam" und der neuen Papst tritt auf den Balkon in die Öffentlichkeit. Wer darf dieses "Habemus Papam" sagen und wie geht es danach weiter?
Kempis: Die Aufgaben, wer was machen und sagen darf, sind ganz genau in der Konklave-Ordnung festgelegt. Die trägt den lateinischen Namen "Universi Dominici Gregis" aus dem Jahr 1996 von Johannes Paul II.
Dort ist unter anderem festgelegt, dass der ranghöchste, der sogenannte Kardinalprotodiakon diese Formel "Habemus Papam - wir haben einen Papst" sprechen darf. Entsprechend haben aber auch diejenigen von den anderen Kardinalsrängen, Kardinal-Bischof, Kardinal-Priester, Kardinal-Diakon, ihre ganz bestimmte Aufgabe, die ihnen zukommt.
DOMRADIO.DE: Wie geht es protokollarisch nach der ersten Sichtung des Papstes weiter?
Kempis: Zunächst erteilt er vom Balkon einen "Urbi et orbi"-Segen. Das ist der feierliche Segen, der eigentlich nur an Ostern und an Weihnachten erteilt wird. Die nächste Station ist in der Regel eine Heilige Messe mit den Kardinälen am nächsten Morgen in der sixtinischen Kapelle. Dabei war es früher üblich, dass die Päpste auf Latein ihr "Regierungsprogramm" proklamieren.
Franziskus hat das 2013 durcheinandergebracht, indem er die Messfeier in der Sixtina auf den Nachmittag verschoben und dort auf Italienisch eine Stehgreif-Predigt gehalten hat. Theoretisch findet das morgens in der Sixtina mit einer auf Latein gehaltenen feierlicheren Ansprache statt. Wenn ein Sonntag ansteht, findet ein Angelusgebet statt. Ungefähr fünf, sechs Tage nach der Wahl des Papstes findet seine feierliche Amtseinführung auf dem Petersplatz statt.
Um diese relativ stabilen Termine gruppieren sich Audienzen für Medienschaffende. Viele von denen wollen nach der Wahl wieder aus Rom abreisen. Deshalb folgt das immer relativ schnell. Normalerweise gibt eine Sonderaudienz für die Landsleute des neu gewählten Papstes. Das war bei den letzten Päpsten so, die alle keine Italiener waren, sondern ein Pole, ein Deutscher und ein Argentinier. Außerdem gibt es Audienzen für Staatsoberhäupter, Regierungschefs sowie für große Persönlichkeiten aus anderen Religionen und der Ökumene.
DOMRADIO.DE: Was passiert mit den Kardinälen, wenn sie ihren "Job" gemacht haben? Wie geht es für sie weiter?
Kempis: Die meisten werden wohl an der Amtseinführung des Papstes auf dem Petersplatz teilnehmen wollen. Das ist für sie der letzte Termin, bei dem sie dabei sein müssen. Wenn es keine Kurienkardinäle sind, reisen die Kardinäle dann ab, weil die meisten zu Hause in den Diözesen zu tun haben.
DOMRADIO.DE: Diese Messe zur Amtsanführung ist aber nicht nötig, damit der Papst offiziell Papst ist. Warum gibt es trotzdem diesen Gottesdienst?
Kempis: Es ist die symbolträchtige Übernahme des Amtes. Das Überstreifen des Fischerringes, des Papstrings, über den Finger. Es ist das Überbleibsel dessen, was früher mal die Papstkrönungen waren. Es ist sein Amtsantritt als Bischof. Jeder Bischof feiert nach seiner Wahl oder Ernennung zu seiner Amtsübernahme auch eine Messe. Es reicht nicht, sich auf den Balkon zu stellen und einen Segen zu spenden.
Das Interview führt Mathias Peter.