Anglikaner bescheinigen Franziskus bemerkenswerte Führung

"Erneuerung kirchlicher Strukturen ein entscheidendes Merkmal"

Der Tod von Papst Franziskus hat auch in der anglikanischen Weltgemeinschaft starke Anteilnahme ausgelöst. Deren kürzlich zurückgetretener Spitzenmann, Justin Welby, sagte, er habe einen Freund verloren, den er sehr vermissen werde.

Papst Franziskus empfängt Justin Welby  / © Osservatore Romano (KNA)
Papst Franziskus empfängt Justin Welby / © Osservatore Romano ( KNA )

"Seine Heiligkeit Papst Franziskus war ein Mann von großem Glauben, von Demut und Mitgefühl, der dem Petrusamt des Bischofs von Rom die Freude des Evangeliums brachte." Mit diesen Worten beginnt das Kondolenzschreiben von Reverend Anthony Poggo, Generalsekretär der Anglikanischen Weltgemeinschaft.

Seit dem Rücktritt von Primas Justin Welby als Erzbischof von Canterbury zum Jahreswechsel sind auch die etwa 80 Millionen anglikanischen Christinnen und Christen weltweit ohne ihr (Ehren-)Oberhaupt. Der Findungsprozess für Canterbury ist im Gange, wird aber wesentlich länger dauern als in der katholischen Kirche. Mit einem Ergebnis wird erst im Herbst gerechnet.

Poggo bekundete "tiefe Wertschätzung für die bemerkenswerte Führung", die Papst Franziskus für die katholische Kirche und die ganze Welt ausgeübt habe. "Seine Worte und Taten haben die Herzen von Millionen Menschen berührt, die Grenzen der geteilten Christenheit überwunden und Menschen aller Glaubensrichtungen inspiriert, sich gemeinsam für eine gerechtere und barmherzigere Welt einzusetzen." Das gelte auch und besonders für sein Heimatland Südsudan, fügte der Generalsekretär hinzu.

Ökumenische Bestrebungen

Papst Franziskus war im Februar 2023 mit Welby für eine ökumenische Friedensmission in den kriegsgeplagten jüngsten Staat Afrikas gereist. Im Januar 2024 tauschten sich 50 katholische und anglikanische Bischöfe und Bischöfinnen aus 27 Ländern bei der Gebetswoche für die Einheit der Christen in Rom und Canterbury miteinander aus. Im Mai schließlich trafen sich die Leiter der anglikanischen Kirchenprovinzen erstmals in Rom. Dabei gab es auch ein etwa einstündiges Gespräch mit Papst Franziskus. Welby sprach im Anschluss von "historischen Tagen".

In Poggos Beileidsschreiben heißt es weiter: "Die Erneuerung der kirchlichen Strukturen durch Synodalität und die Mitsprache von Frauen und Laien in den Entscheidungsfindungsprozessen waren ein entscheidendes Merkmal seines Pontifikats - ein Prozess, der Freundschaften in der gesamten christlichen Welt genutzt hat. Im Geist der Ökumene hat Papst Franziskus versucht, mehr Einheit unter den Christen zu fördern. Sein Engagement für Dialog, Verständnis und gemeinsame Mission hat neue Wege der Zusammenarbeit zwischen der katholischen Kirche und der anglikanischen Gemeinschaft eröffnet. Wir haben uns gemeinsam auf den Weg gemacht, um die Wunden der Spaltung zu heilen und jene Einheit zu erreichen, die Christus sich für seine Kirche wünscht."

Führungsrolle auch in der Anglikanischen Gemeinschaft zu spüren

Justin Welby (69) bekundete in einer persönlichen Botschaft, er empfinde tiefe Trauer wegen des Todes seines Freundes, Papst Franziskus. "Mit unseren römisch-katholischen Brüdern und Schwestern - zusammen mit der Weltkirche und vielen anderen auf der ganzen Welt - erfüllt mich ein großes Gefühl des Verlustes. Er war ein Papst, der nicht nur zur katholischen Kirche sprach, sondern weit über sie hinaus. Seine Führungsrolle war bei uns in der Anglikanischen Gemeinschaft stark zu spüren. Von den ersten Tagen seines Pontifikats an war er ein Beispiel an Demut. Er erinnerte uns immer wieder daran, wie wichtig es ist, den Armen zu dienen und immer an der Seite derer zu stehen, die Verfolgung und Not erlitten haben. Während meiner Zeit als Erzbischof von Canterbury war es ein großes Privileg, mit ihm in der Friedensförderung zusammenzuarbeiten, nicht zuletzt im Südsudan. Im Laufe der Jahre wurde er ein Freund; ich werde ihn sehr vermissen."

Der Erzbischof von York, Stephen Cottrell, Nummer zwei in der englischen anglikanischen Hierarchie, erinnerte sich an die Worte, die Franziskus 2023 zu ihm gesagt habe: "Lasst uns zusammen gehen, zusammen arbeiten, zusammen beten." Darin sei die Vision von Franziskus für die Kirche zusammengefasst.

Anglikanische Kirche

Die anglikanische Kirche entstand zur Zeit der Reformation in England. König Heinrich VIII. brach 1533 mit dem Papst, weil dieser sich weigerte, die Ehe des Königs zu annullieren. Als Oberhaupt einer neuen Staatskirche setzte sich Heinrich VIII. 1534 selbst ein. In Glaubensfragen blieben die Anglikaner zunächst bei der katholischen Lehre; später setzten sich protestantische Einflüsse durch. 1549 erschien das erste anglikanische Glaubensbuch, das "Book of Common Prayer".

Die Kathedrale von Canterbury, Sitz des anglikanischen Erzbischofs / © Sambraus, Daniel (epd)
Die Kathedrale von Canterbury, Sitz des anglikanischen Erzbischofs / © Sambraus, Daniel ( epd )
Quelle:
KNA