DOMRADIO.DE: Sie sind relativ eng mit Papst Franziskus gewesen, der ebenso wie Sie Jesuit war. Was ging Ihnen heute Morgen durch den Kopf, als Sie diese Meldungen vom Tod des Heiligen Vaters gesehen haben?
Jean-Claude Kardinal Hollerich SJ (Erzbischof von Luxemburg): Ich habe es erst sehr spät erfahren, weil ich im Gefängnis war, um dort die Messe zu feiern. Und da muss man das Handy und alles andere abgeben. Mir haben dann die Wärter nach der Messe gesagt, dass der Papst verstorben sei. Das war – und ist – zuerst ein Moment der Trauer. Ich habe so etwas wie einen Vater verloren, einen Vater im Glauben. Aber ich bin mir sicher, dass ich jetzt einen Fürsprecher im Himmel habe.
DOMRADIO.DE: Das sind sehr berührende Worte. Was bedeutete es für die Kirche, von einem Jesuiten geführt worden zu sein?
Hollerich: Franziskus war ein Mann der Exerzitien des Heiligen Ignatius, besonders der Meditationen des Lebens Jesu. Man spürte in seinen Predigten, dass sie von dieser persönlichen Begegnung mit Christus in der ignatianischen Meditation ganz besonders inspiriert waren.
Der Papst war für viele Leute das Gesicht des Evangeliums in der Welt von heute. So zu handeln wie Christus, so zu sprechen wie Christus, auf alle Leute zuzugehen wie Christus – das hat vielen Leuten Hoffnung gemacht. Er hat viele Leute ermutigt, wieder mit dem Glauben sozusagen anzufangen und es zu wagen, wieder neu zu glauben und sich Christus zu nähern, sich der Barmherzigkeit des Vaters bewusst zu sein.
Er war für viele Leute der Seelsorger, der Priester, der Bischof. Und wir werden ihn vermissen, das ist ganz klar. Er hat aber durchaus als Papst gehandelt, nicht als Jesuit. Auch bei der Synode ging es um Unterscheidungen der Geister, und da denkt man zuerst an den Heiligen Ignatius. Aber der Papst hat immer die Kirchenväter mit dem Heiligem Geist zitiert. Und wir haben auch verstanden, dass es Unterschiede der Geister in allen Spiritualitätsrichtungen der Kirche gibt. Und der Papst war da ganz breit aufgestellt.
DOMRADIO.DE: Sie haben die Synode schon erwähnt, bei der Sie eine tragende Rolle gespielt haben. Das ist ein Thema, das Franziskus sehr wichtig gewesen ist. Es gibt auch schon den Plan für die vierjährige nachsynodale Phase. Was denken Sie, ist das etwas, das die Kirche weiter begleiten wird?
Hollerich: Dieser Plan für die postsynodale Phase ist vom Papst persönlich nach dem Krankenhausaufenthalt probiert worden. Und das ist sozusagen in Gang gesetzt. Allerdings obliegt es natürlich einem neuen Papst, wie er das dann sieht.
Aber ich glaube, dass so viele Leute in der ganzen Kirche, auf allen Kontinenten, Hoffnung mit der Synode verbinden, eine lebendige Kirche, die es wieder wagt, missionarisch zu sein, eine geschwisterliche Kirche, wo es nicht nur Kommunikation von oben nach unten gibt, sondern wo wir alle aus der Kraft der Taufe heraus mit Charismen handeln, was aber keine Abkehr von traditionellen katholischen Positionen bedeutet.
DOMRADIO.DE: So nah wir jetzt noch am Tod sind, müssen wir auch den Blick nach vorne richten. Die Planungen werden losgehen für das Begräbnis und dann geht es auch an das Konklave, an dem Sie als Kardinal teilnehmen. Was kommt jetzt die nächsten Tage und Wochen auf Sie zu?
Hollerich: Wir haben heute eine E-Mail bekommen vom Kardinaldekan Giovanni Battista Re, der alle Kardinäle einlädt, morgen um 9 Uhr in der Synodenaula zu sein. Und ich nehme an, dass uns da quasi der Zeitplan für die nächsten Tage mitgeteilt wird.
Man hört schon, am Samstag könnte die Begräbnisfeier für Papst Franziskus sein. Aber das ist noch unsicher, das werden wir also morgen erfahren. Ich werde mich heute Abend auf den Weg machen, weil ich mich von Papst Franziskus verabschieden möchte.
Ich hatte das große Glück, vor zehn Tagen am Mittwochmittag ihn in Santa Marta zu treffen, nachdem er aus dem Krankenhaus zurückgekehrt war. Und ich freue mich, dass ich diese Gelegenheit hatte, ihm noch einmal zu danken für alles, was er der Kirche, aber auch mir persönlich gegeben hat.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.