DOMRADIO.DE: Wie haben Sie sich darauf vorbereitet, in die Sprecherrolle von Papst Franziskus zu schlüpfen?
Frank Arnold (Sprecher, Regisseur, Schauspieler): Es fühlt sich schon anders an, als wenn man einen Roman oder ein Sachbuch vorliest, weil es eine Persönlichkeit der Weltgeschichte ist, die eine andere Dimension hat.
Ich habe mich vorbereitet, indem ich wie immer das Buch gründlich gelesen habe. Dann habe ich einige Recherchen über Orte und Begebenheiten unternommen. Das war schon etwas sehr Besonderes, daran zu arbeiten.
Ich bin jetzt nicht von Hause aus ein innig religiöser Mensch. Aber dieses Buch hat bei mir ausgelöst, noch mal anders über Religiosität und Spiritualität nachzudenken. Das Buch hat mich sehr beeindruckt.
DOMRADIO.DE: Ihre ungekürzte Lesung dauert zwölf Stunden. Haben Sie darin eine Lieblingsstelle?
Arnold: Die Stellen, an denen dieser Papst über sein Hauptanliegen spricht, haben mich am meisten beeindruckt. Da geht es darum, Jesus und Religion als von unten zu verstehen, für die Armen, für die Ausgestoßenen, für das, was im Neuen Testament gepredigt wird. Da schreibt er sehr explizit gegen den Krieg, gegen die Armut, für die Ausgegrenzten, für den Rand der Gesellschaft. Er sagt, vom Rande her muss man Religion und Kirche denken.
Papst Franziskus ist ein Jesuit, er denkt von Jesus her, aber er ist auch jemand, der das lebt. Er lebt zum Beispiel nicht in der Wohnung des Papstes, sondern ist direkt in das Gästehaus gezogen. Er hat bestimmte Entscheidungen getroffen, zum Beispiel bei der Wiedereröffnung von Notré-Dame. Die Leute haben sich aufgeregt, dass er nicht hingefahren ist. Aber er ist dort bewusst nicht hingefahren. Er wollte sich nicht mit Herrn Trump und Herrn Macron als ein Zierstückchen von Notré-Dame hinsetzen, sondern er ist zu einem Kongress über Volksspiritualität nach Korsika gefahren.
Das sind Zeichen, die er setzt. Ich finde, er ist ein Papst von unten und das hat mich sehr beeindruckt. Da gibt es viele Stellen in dem Buch, wo er das deutlich macht und er ist auch jemand, der das belegt mit Stellen.
Es gibt sehr viele Zitate, natürlich aus der Bibel. Das sind unglaublich gute Stellen aus diesem alten Text der Bibel, aus dem Dreiviertel der Weltliteratur herrührt. Ich habe früher sehr viel aus der Bibel vorgelesen. Das habe ich sehr gerne gemacht und das hat mich jetzt wieder dahin geführt. Ich werde nicht morgen wieder in die Kirche eintreten, aber ich kann nur jedem empfehlen, dieses Buch zu lesen oder würde mich freuen, wenn man es hört.
Es hat natürlich manchmal einen Predigerton, ohne dass es aufdringlich ist. Es ist unglaublich intensiv geschrieben und auch literarisch ansprechend. Es geht um Erlebnisse aus seinem Leben, die einen mitnehmen und beeindrucken.
DOMRADIO.DE: Sie sind aus der evangelischen Kirche ausgetreten. Trotzdem hat der Papst für sie eine Bedeutung. Warum?
Arnold: Je mehr ich mich mit der katholischen Kirche beschäftige, etwa mit dem Ritus, finde ich eine gewisse Form von Intensität und Theatralität, die mich beeindruckt. Aber es geht um die Spiritualität dahinter und die hat man sowohl in der evangelischen als in der katholischen Kirche, als auch in anderen Glaubensgemeinschaften.
Warum sind wir hier? Wie behandeln wir den Mitmenschen? Können wir abends in den Spiegel gucken? Dieses Buch führt dazu, dass man sagt: Ich kann nicht immer so tun, als gehe mich das nichts an. Papst Franziskus weist sehr stark darauf hin, dass es einen größeren Zusammenhang gibt.
DOMRADIO.DE: Hörbücher und Podcasts sind aktuell sehr beliebt. Man kann Dinge parallel tun, etwa Auto fahren oder joggen. Ist die Papstbiografie besser als Hörbuch zu hören oder als Buch zu lesen?
Arnold: Ich habe es selbst gemacht und es klingt dann wie Eigenwerbung. Aber ich mache diesem Beruf schon sehr lange. Ich habe oft von Menschen nach Lesungen von mir gehört, dass sie das Buch zur Seite gelegt hätten, wenn sie es selbst gelesen hätten, sie aber durch das Vorlesen einen anderen Zugang bekommen.
Ich glaube, dass das wirklich helfen kann, weil wir als sprechende Menschen dem Buch eine gewisse Struktur geben und auch gewisse Hinweise darauf, wie man einen Satz lesen und verstehen kann. Das kann auch Spaß machen, weil man sich zurücklehnen und auf diesen Text konzentrieren kann. Ich würde mich freuen, wenn die Leute sich das anhören oder lesen. Das Buch kann einen Menschen ein bisschen verändern.
Das Interview führte Tobias Fricke.