Vatikanexperte Nersinger kritisiert Papst-Autobiografie

"Das könnte das Papsttum irgendwie beschädigen"

Papst Franziskus hat seine Autobiografie veröffentlicht: In "Hoffe" geht es um Frieden, Fußball, Plattfüße und die Liebe zur Großmutter. Vatikanexperte Ulrich Nersinger äußert Kritik zur Autobiografie. Falls es überhaupt eine ist?

Autor/in:
Tim Helssen
Papst Franziskus geht an einem Stock / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus geht an einem Stock / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

DOMRADIO.DE: Papst-Biografien gibt es viele, Autobiografien von Päpsten aber nicht. Ist Papst Franziskus der erste Papst, der eine Autobiografie geschrieben hat? Oder haben das schon Vorgänger von ihm getan?

Ulrich Nersinger (Vatikanexperte und Buchautor): Papst Johannes Paul II. hat seine Lebensgeschichte auch selber aufgeschrieben, wobei seine Autobiografie anders strukturiert ist und einen anderen Duktus hat. Ansonsten gibt es aber keine.

Vatikanexperte und Buchautor Ulrich Nersinger. (EWTN)
Vatikanexperte und Buchautor Ulrich Nersinger. / ( EWTN )

DOMRADIO.DE: Wissen wir denn, dass die beiden ihre Geschichten auch wirklich selber aufgeschrieben haben? Oder hätten das auch Ghostwriter sein können?

Nersinger: Da wird es Ghostwriter geben. Ich denke, die Päpste haben keine Zeit, ihre Autobiografien selber zu schreiben, am Schreibtisch zu sitzen und ihre Gedanken da hineinfließen zu lassen. Das machen Leute, denen sie vertrauen und die in ihrem Sinn und in ihrem Sprachmodus schreiben.

DOMRADIO.DE: Biografien sind deutlich üblicher. Gibt es über jeden dieser insgesamt 266 Päpste Biografien?

Nersinger: Da müssten wir erstmal "Biografie" definieren. Im Grunde hat man ja über jeden Papst und sein Pontifikat berichtet und die Historiker der Kirchengeschichte haben auch immer etwas Persönliches über die Päpste berichtet. Somit könnte man schon sagen, dass es über jeden Papst etwas Biografisches gibt. Aber nicht im strengen Sinn. In den vergangenen Jahrhunderten wurden aber auch sehr viele Biografien über Päpste geschrieben.

DOMRADIO.DE: Welche Biografien ragen da besonders heraus?

Nersinger: Da fallen mir zwei Biografien aus dem vergangenen Jahrhundert ein. Einmal die über Pius XI., der von 1922 bis 39 regierte, und eine über Pius XII., der das Pontifikat von 1939 bis 58 innehatte.

Papst Pius XI. / © N.N. (KNA)
Papst Pius XI. / © N.N. ( KNA )

Bei Pius XI. gab es damals einen aktuellen Anlass. Sein Privatsekretär und Geistlicher Kammerherr Carlo Confalonieri hat diese Biografie geschrieben, weil über den Tod des Papstes eine ganze Reihe von Gerüchten gab. Über seinen Tod wurde gemunkelt, dass er vergiftet worden sei und da war Confalonieri der Meinung, dass er das widerlegen müsse. Dann hat er eben die ganze Geschichte aufgeschrieben. Später wurde er Kardinal, ja sogar Kardinaldekan.

Ulrich Nersinger

"Mit ihrer Biografie hat sie auch Historikern viele Impulse gegeben."

Bei Pius XII. war es die deutsche Ordensfrau Schwester Pascalina Lehnert, die an seiner Seite stand und später eine Biografie über ihn geschrieben hat. Sie war seine Sekretärin, hat ihn während des gesamten Pontifikats unterstützt und sie sah sich dazu aufgerufen, das Leben des Papstes, die Zeit des Zweiten Weltkrieges und die Zeit der Besetzung Roms zu schildern. Mit ihrer Biografie hat sie auch Historikern viele Impulse gegeben, sich neu mit dem Papst zu beschäftigen und eine neue Sicht auf ihn einzunehmen.

DOMRADIO.DE: Was steht denn jetzt in der Autobiografie von Franziskus drin, was man in sonst üblichen Biografien nicht unbedingt findet?

Nersinger: Diese Autobiografie ist etwas anderes als die von Johannes Paul II., der doch sehr dezent schrieb. Franziskus Autobiografie ist in einem sehr lebendigen Stil erzählt und er geht sogar auf Dinge ein, die man eigentlich nicht in einer Autobiografie vermuten würde. Es wird mitunter allzu persönlich. Manches, wo man sich fragt, ob sie in die Autobiografie eines Papstes gehören. 

Ich denke – das ist aber jetzt aber meine subjektive Meinung – Päpste sollten sich durch ihr Leben und Wirken durch ihre Enzykliken, Ansprachen, Gottesdienste und reguläre Aktivitäten vermitteln, nicht durch eine Autobiografie. Da sehe ich doch relativ viele Gefahren, zum Beispiel die Gefahr, da gewissen Voyeurismus zu bedienen. Das könnte das Papsttum irgendwie beschädigen. Das ist eine Sache, die man sehr vorsichtig angehen muss und über die man auch durchaus verschiedener Meinung sein kann. 

Ulrich Nersinger

"Er erzählt von familiären Situationen, die eine gewisse Intimität vermitteln."

DOMRADIO.DE: Haben Sie ein, zwei Beispiele, was Papst Franziskus aufgeschrieben hat und eher ungewöhnlich ist? 

Nersinger: Er erzählt von familiären Situationen, die eine gewisse Intimität vermitteln. Eine andere Sache, die stört, ist, dass er auch über Personengruppen und kirchliche Gruppen in aller Öffentlichkeit Urteile fällt. 

Das Interview führte Tim Helssen.

Quelle:
DR

Die domradio- und Medienstiftung

Unterstützen Sie lebendigen katholischen Journalismus!

Mit Ihrer Spende können wir christlichen Werten eine Stimme geben, damit sie auch in einer säkulareren Gesellschaft gehört werden können. Neben journalistischen Projekten fördern wir Gottesdienstübertragungen und bauen über unsere Kanäle eine christliche Community auf. Unterstützen Sie DOMRADIO.DE und helfen Sie uns, hochwertigen und lebendigen katholischen Journalismus für alle zugänglich zu machen!

Hier geht es zur Stiftung!