Wie sich Trauerkarten und Traueranzeigen wandeln

Das Kreuz verschwindet

Vor allem evangelische Christen gedenken am Totensonntag der Verstorbenen. Sie besuchen Friedhöfe, zünden Kerzen an und legen Blumen nieder. Zeit für einen Blick auf einen besonderen Aspekt der Trauerkultur.

Autor/in:
Joachim Heinz
 Auslage von Kondolenzkarten
 / © Julia Steinbrecht (KNA)
Auslage von Kondolenzkarten / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Es beginnt mit einer Suche. Nach einer Trauerkarte. Schlicht, mit schwarzem Rand und Kreuz. Der erste Befund: Zwischen den "Betenden Händen" von Dürer, Sonnenuntergängen und herbstlich gefärbten Laubwäldern tut sich eine Leerstelle auf. Das Kreuz, klassisches Symbol für den christlichen Glauben an Tod und Auferstehung Jesu, scheint nicht mehr besonders gefragt zu sein.

Symbolbild Trauer / © iweta0077 (shutterstock)

Zumindest nicht als Motiv für Trauerkarten, die auf den Drehständern in Supermärkten oder in den Regalen von Schreibwarenläden zu finden sind. "Diese Wahrnehmung ist definitiv richtig", sagt Matthias Hanfstingl.

Der Mann muss es wissen. Hanfstingl ist zweiter Vorsitzender des Grußkartenverbandes avg. Allgemein beobachtet der Geschäftsführer des Klaus Hanfstingl Verlags im oberbayerischen Geretsried eine Abkehr von christlicher Symbolik - zum Beispiel auch auf Weihnachtskarten.

Feste Größe im Grußkartengeschäft

Das habe wohl mit einem Rückzug des Religiösen aus der Gesellschaft zu tun, mutmaßt Hanfstingl. Dabei sind Trauerkarten nach wie vor eine feste Größe im Grußkartengeschäft. In dem "Everyday"-Segment machen sie nach den Geburtstagskarten mit 50 Prozent den größten Posten aus und liegen derzeit bei 20 Prozent.

Auslage von Kondolenzkarten / © Julia Steinbrecht (KNA)
Auslage von Kondolenzkarten / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Gewandelt hat sich allerdings die Gestaltung der Karten, wie der Fachmann erläutert. "Früher wäre eine farbige Trauerkarte undenkbar gewesen", sagt Hanfstingl. Den Verzicht auf das Kreuz erklärt er so: Im Vordergrund stehe die Botschaft, dem Trauernden Mitgefühl zu vermitteln. Das Kreuz sei in einem solchen Zusammenhang möglicherweise ein zu "hartes" Symbol.

Ein Eindruck, den der Regensburger Moraltheologe Rupert Scheule im Grundsatz bestätigt. "Wenn wir irgendwo ein Kreuz sehen auf Papier mit schwarzem Rand, lautet die Botschaft: Da trauert jemand. Nicht: Da hat jemand Hoffnung neben der Trauer", so Scheule. "Wir müssen also zur Kenntnis nehmen, dass das Kreuz sehr stark für die Trauer, aber nicht mehr für die Hoffnung steht, die Christinnen und Christen damit verbinden." In einer Gesellschaft, in der die beiden großen Konfessionen auf dem Rückzug sind, dürfte sich daran wohl so schnell nichts ändern.

Traueranzeigen in Zeitungen haben sich gewandelt

Ähnlich scheint es sich bei Traueranzeigen in Zeitungen zu verhalten.

Christoph Keldenich von der Verbraucherinitiative für Bestattungskultur Aeternitas in Königswinter bei Bonn hat sich dafür die Anzeigen im "General-Anzeiger", der lokalen Tageszeitung, näher angeschaut. Im Jahr 2014 hätten noch 67 Prozent der Anzeigen ein Kreuz enthalten, 2017 waren es noch 62 Prozent. "In diesem Jahr habe ich mich dieser Arbeit noch einmal gewidmet und komme derzeit auf monatliche Werte zwischen 45 und 52 Prozent."

Stapel Zeitungen / © Billion Photos (shutterstock)

Anstelle des Kreuzes treten andere Motive, Fotos, Gedichte oder persönlich gehaltene Botschaften. Nicht alles sei geschmackssicher, meint Moraltheologe Scheule, der von "ästhetischem Wildwuchs" spricht. "Mitunter beschleicht mich schon der Eindruck, dass der zu Betrauernde etwas anderes als diese Motive verdient hat." Etwas in diese Richtung muss sich wohl auch das Bistum Regensburg gedacht haben, als es 2017 eigene Vorschläge für die Gestaltung der Vorderseite von sogenannten Sterbebildchen vorstellte.

Sterbebildchen werden verteilt

Die Sterbebildchen werden bei Begräbnissen verteilt und enthalten neben dem Motiv auf der Vorderseite meist ein Bild des Verstorbenen und seine Lebensdaten.

Trauernde auf einem Friedhof / © Rawpixel.com (shutterstock)
Trauernde auf einem Friedhof / © Rawpixel.com ( shutterstock )

Die Aktion wolle die Nachfrage nach christlich geprägten Sterbebildchen unterstützen, hieß es seinerzeit. Inzwischen sind vier Motive erhältlich, darunter etwa ein Foto einer roten Rose vor einem steinernen Kreuz. Einige Bestattungsunternehmen im Gebiet des Bistums haben die Motive übernommen und bieten sie im Rahmen ihrer Trauerbegleitung an.

Zurück zu den Trauerkarten. Er sei inzwischen dazu übergegangen, gar keine Trauerkarten mehr mit einem Motiv zu verschicken, sondern diese mit einem - unter Umständen handschriftlichen - Text zu versehen, sagt Rupert Scheule. Zum Beispiel aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Korinther: "Der letzte Feind der entmachtet wird, ist der Tod." Das wirke nicht selten persönlicher als manches, was sich auf den Kartenständern finde.

Christkönigsfest und Totensonntag

Dieser Sonntag ist in der katholischen und in der evangelischen Kirche der letzte des Kirchenjahres. Mit dem ersten Advent beginnt eine Woche darauf ein neuer Jahres- und Festtagszyklus. Beide Kirchen begehen den Abschluss des Jahres in besonderer Form: Die Katholiken feiern das Christkönigsfest, die Protestanten gedenken am Totensonntag ihrer Verstorbenen.

Vergoldete Jesusfigur in Xanten / © Harald Oppitz (KNA)
Vergoldete Jesusfigur in Xanten / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA