Britischer Premier heiratete zum dritten Mal - katholisch

Wie Johnson das Unmögliche möglich macht

Der britischen Premierminister Boris Johnson hat zum dritten Mal geheiratet - katholisch - in der Westminster Cathedral in London. Dabei konvertierte er längst zum Anglikanismus und war schon zweimal verheiratet. Wie kann das sein?

Boris Johnson heiratete zum dritten Mal - katholisch / © Rebecca Fulton/Downing Street (dpa)
Boris Johnson heiratete zum dritten Mal - katholisch / © Rebecca Fulton/Downing Street ( dpa )

DOMRADIO.DE: Viele hier fragen sich: Wie kann so etwas möglich sein? Immerhin hat Boris Johnson die katholische Kirche verlassen, er ist Anglikaner geworden und trotzdem durfte er jetzt in der katholischen Westminster Cathedral in London seine Lebensgefährtin Carrie Symonds heiraten. Wie passt das zusammen?

Andreas Blum (Katholische Gemeinde in London): Boris Johnson ist katholisch getauft worden, weil er eine katholische Mutter hatte. Interessanterweise war der Hochzeitstag auch gleichzeitig der Geburtstag seiner Mutter. Vielleicht hat das auch etwas miteinander zu tun. Da es in Großbritannien keine Kirchensteuer und damit auch keinen Kirchenaustritt gibt, bleibt Boris Johnson, egal was er jetzt erst einmal persönlich für sich erklärt, welcher Konfession er näher steht, katholisch. Auch weil es keine unterschiedlichen Taufen gibt, sondern alle christlichen Kirchen die eine Taufe anerkennen.

Als Katholik hat er in den ersten beiden Ehen eben keine katholische Liturgie vollzogen, kein Sakrament sich gespendet und hat wahrscheinlich auch die Formpflicht nicht eingehalten, zu der eigentlich ein Katholik verpflichtet ist. Deswegen werden diese beiden ersten Ehen nicht anerkannt und er konnte jetzt ein drittes Mal und dann auch katholisch heiraten.

DOMRADIO.DE: Das heißt also kirchenrechtlich spielen diese beiden standesamtlichen Hochzeiten da überhaupt keine Rolle.

Blum: Korrekt. Es gibt eine kleine Einschränkung: Er wird bei der Aufnahme des Protokolls natürlich auch gefragt worden sein, ob es natürliche Verpflichtungen gibt. Damit ist im Kirchenrecht gemeint, ob es Kinder aus vorherigen Beziehungen gibt. Da gibt es bei Boris Johnson ja einige, zumindest sechs Kinder sind bekannt. Und zu denen muss er sich bekennen und auch die Verantwortung für sie übernehmen.

DOMRADIO.DE: Hat Boris Johnson sich denn selbst irgendwie dazu geäußert, öffentlich, dass er jetzt die Mutter seines fünften Kindes in einer katholischen Kirche geheiratet hat?

Blum: Nein. Sein Privatleben will er privat halten. An anderer Stelle hat er ausdrücklich betont, dass gerade religiöse Fragen doch sehr private Angelegenheiten sind. Ich glaube, er ist selbst ein bisschen überrascht, dass jetzt seine eigene Hochzeit, die er wahrscheinlich als sehr privat ansieht, dann doch solche Wellen schlägt. Weil diese Fragen, die Sie sich stellen, stellt man sich hier natürlich auch.

Er hat sein eigenes Verhältnis zum Christentum oder zur Religion, finde ich, einmal recht charmant auf den Punkt gebracht: "Religion oder auch Kirchenbindung ist für mich so ein bisschen wie Radiohören und Radioempfang in den Chilternss." Das ist so ein schöner, kleiner, abgelegener Landstrich in Oxfordshire. Er sagte: "Meine Beziehung zu Gott und zum Christentum ist genauso wie der Radioempfang in diesem Landstrich. Manchmal ist das Signal stark und manchmal allerdings, so fürchte ich, verflüchtigt es sich auch ein bisschen."

DOMRADIO.DE: Es lässt sich ja vermuten, dass jetzt viele Katholiken, deren Ehe vielleicht auch ohne ihr Verschulden gescheitert ist, die aber trotzdem nicht wieder heiraten dürfen, diese dritte Heirat von Boris Johnson als höchst ungerecht empfinden, oder?

Blum: Das kann durchaus sein. Wobei es ja jedem Ehepaar offensteht, die Ehe auch wieder annullieren zu lassen. Es ist ein längeres Verfahren. Das heißt, es wird geprüft, ob die Ehe überhaupt gültig zustande gekommen ist. Das wird im Fall von Johnson und Symonds eben auch der Fall gewesen sein.

Die Kolleginnen und Kollegen hier vom Chancery Office, die die Eheangelegenheite in Westminster bearbeiten, werden das wie bei jedem anderen auch geprüft haben. Sie werden dieses Verfahren durchlaufen haben und da ist dann herausgekommen, dass die bisherigen Ehen nach katholischem Verständnis nicht gültig zustande gekommen sind. Dieser Weg steht im Prinzip jedem offen. Die Annullierung ist aber ein längeres Prozedere.

DOMRADIO.DE: Was haben Sie persönlich denn gedacht, als Sie von dieser etwas anderen Hochzeit von Boris Johnson gehört haben?

Blum: Ich wusste gar nicht, dass er katholisch getauft war, weil das noch nie groß ein Thema war. Er wäre auch der erste Katholik als Premierminister Ihrer Majestät. Weil bis vor Kurzem galt auch noch die Regel, dass der Premierminister der Königin Mitglied der anglikanischen Kirche sein muss, weil sie ja schließlich auch das Oberhaupt der Anglikaner ist. Das war also gar nicht anders denkbar. Selbst Mitglieder der Regierung durften keine Katholiken sein.

Tony Blair ist zwar auch nachher zum Katholizismus konvertiert, aber auch erst ganz bewusst nach seiner Zeit als Premierminister. Also mir war das gar nicht bekannt. Ich war genauso überrascht wie die meisten hier. Wir haben uns vor allem gewundert, wie er das so lange geheim halten konnte.

Das Paar hatte eine Woche zuvor sehr viele Einladungen für eine große Hochzeitsfeiern im kommenden Jahr im Sommer versandt. Damit haben sie alle so ein bisschen in die Irre geführt. Denn dann kam am vergangenen Sonntagmorgen heraus, dass sie heimlich oder im kleinen Kreis in Westminster, der Mutterkirche der Katholiken von England und Wales, geheiratet haben.

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Pfarrer Andreas Blum / © N.N. (privat)
Pfarrer Andreas Blum / © N.N. ( privat )
Quelle:
DR