DOMRADIO.DE: Was ist in dieser Woche im Bundestag zu erwarten?
Alexander Riedel (Katholische Nachrichten-Agentur): Die Abgeordneten kommen zu einer von drei Sitzungswochen zusammen, die bis zur Sommerpause geplant sind. Die Bundesregierung hat angekündigt, dass sie Tempo machen will. Für eine Verabschiedung von Gesetzentwürfen ist es allerdings noch zu früh im Bundestag. Normalerweise werden dort die Gesetze einige Wochen beraten und bearbeitet, bis sie fertig sind. Es könnte aber sein, dass diese Woche weitere Gesetzentwürfe zum ersten Mal beraten werden, etwa die Verlängerung der Mietpreisbremse oder ein Entwurf zur Migrationspolitik.
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt hat das Ziel formuliert, dass dieser Gesetzentwurf zur Migrationspolitik noch vor der Sommerpause, also bis Mitte Juli, durch Bundestag und Bundesrat soll. Es geht unter anderem darum, den Familiennachzug bei bestimmten Geflüchteten auszusetzen.
DOMRADIO.DE: Diese Aussetzung des Familiennachzugs ist bei den Kirchen sehr umstritten. Was sagen die dazu?
Riedel: Die Kirchen warnen, dass diese Aussetzung dazu führen könnte, dass Bürgerkriegsflüchtlinge längere Zeit getrennt von engsten Familienmitgliedern leben müssten, also von Ehepartnern, Eltern oder minderjährigen Kindern. Der katholische Flüchtlingsbischof, der Hamburger Erzbischof Stefan Heße, sagt, das sei ethisch überaus fragwürdig. Zudem wirke es sich negativ auf die Integration aus, wenn Familien getrennnt blieben. Das sehen auch viele Experten so.
Außerdem argumentieren die Kirchen, dass das Grundgesetz die Familie unter besonderen Schutz stelle. Dieses Schutzversprechen gelte nicht nur für Familien aus Deutschland, sondern auch für schutzsuchende Familien von Geflüchteten, die hier in Deutschland leben.
DOMRADIO.DE: Wird diese Kirchenkritik Eindruck machen auf den Gesetzgeber?
Riedel: Im Bundestag ist damit eher nicht zu rechnen. Die Koalition und allen voran Minister Dobrindt wirken sehr entschlossen. Hinzu kommt, dass die Punkte, um die es geht, auch im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD stehen. Dobrindt hat gesagt, die Kritik, die von Kirchen oder Menschenrechtsorganisationen kommt, sei erwartbar und nicht überraschend. Getroffene Entscheidungen halte er aber für notwendig, auch um einer Polarisierung der Gesellschaft entgegenzuwirken.
Er hat außerdem darauf hingewiesen, dass der Familiennachzug zur Gruppe der sogenannten subsidär Schutzberechtigten, um die es jetzt geht, vor einigen Jahren schon einmal ausgesetzt worden sei. Bei dieser Gruppe handelt es sich um Bürgerkriegsflüchtlinge oder Menschen, denen in ihrer Heimat Folter oder die Todesstrafe drohen. Bereits jetzt ist es so, dass Visa für Angehörige von diesen Menschen auf 1.000 pro Monat beschränkt sind.
DOMRADIO.DE: In dieser Woche treffen sich in Berlin auch die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Bundesländer. Was ist da zu erwarten?
Riedel: Die Gespräche sind für Donnerstag geplant. Eigentlich war vorgesehen, dass die Regierungschefinnen und -chefs der Länder im Anschluss Bundeskanzler Merz treffen. Das sind diese Runden, die vielen vielleicht noch aus der Corona-Pandemie in Erinnerung sind. Am Wochenende wurde aber angekündigt, dass Merz am Donnerstag bei US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus in Washington zu Gast sein wird. Das heißt, die Ministerpräsidentenkonferenz kann nicht mit dem Kanzler selbst stattfinden.
Er wird aber wohl vertreten, denn auf der Tagesordnung steht vor allem die künftige Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern mit der neuen Bundesregierung - sei es in der Wirtschaftspolitik, bei der Staatsmodernisierung oder eben in der Migrationspolitik.
DOMRADIO.DE: Friedrich Merz trifft also auf US-Präsident Trump. Worauf müssen wir uns gefasst machen? Wird es ein Duell?
Riedel: Bei Trump muss man bekanntermaßen mit allem rechnen. Ein Duell wird es hoffentlich nicht. Man kann hoffen, dass Trump Merz nicht vorführen wird, wie manch andere Staatschefs, die schon zu Gast waren. Es ist das erste Mal, dass die Staatsmänner Trump und Merz persönlich aufeinandertreffen. Sie haben aber schon mehrfach miteinander telefoniert.
Vergangene Woche hat der Kanzler durchaus offenherzig auf der Digitalkonferenz republica in Berlin davon erzählt. Da gäbe es viel Small Talk, sagte er. Wer Trump aus dem Fernsehen kenne, wisse, wie ein Telefonat mit ihm verlaufen könne. Gleichwohl hätten die Telefonate aber auch einen ernsten Kern. Die Themen für das erste persönliche Gespräch der beiden sind schließlich wirklich ernst und zahlreich.
Zu nennen wäre etwa die Beziehung zwischen Deutschland und den USA, der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, die Lage im Nahen Osten oder die Handelspolitik, Stichwort Zölle. Daher wird das politische Berlin sicher sehr genau beobachten, wie der Besuch von Merz im Weißen Haus verläuft.
Das Interview führte Tobias Fricke.