DOMRADIO.DE: Was erwartet uns in dieser Woche aus dem Bundestag?
Birgit Wilke (Leiterin Hauptstadtbüro der Katholischen Nachrichten-Agentur Berlin): Der Bundeskanzler hat vor allem erst mal außenpolitisch durch seine letzten Reisen Akzente gesetzt und bislang stehen auf der Tagesordnung des Bundestags vor allem Anträge der Opposition. Da gibt es zum Beispiel eine Debatte zur Abschaffung des Lieferkettengesetzes. Da geht es darum, dass die Arbeitsbedingungen in Entwicklungsländern verbessert werden. Das will vor allem die Union reformieren, das ist auch so im Koalitionsvertrag festgehalten. Es gab bereits erste Ankündigungen dazu vom Bundeskanzler Merz.
DOMRADIO.DE: Dabei ist es gar nicht so lange her, dass das Lieferkettengesetz eingeführt wurde vom Kabinett Merkel.
Wilke: Die damaligen Minister, Entwicklungsminister Müller und Arbeitsminister Heil, haben das Vorhaben vorangetrieben. Sie wollten, dass es auch in Entwicklungsländern bestimmte Standards gibt bei den Arbeitsbedingungen und zum Beispiel Menschen in Bekleidungsfabriken nicht unwürdigen Arbeitsbedingen ausgesetzt sind. Auch die Kirchen haben sich dafür sehr stark eingesetzt.
Nun klagt aber die deutsche Wirtschaft darüber, dass damit auch die Bürokratie weiter angewachsen ist und unendlich viele Formulare ausgefüllt werden müssen. Man wird sehen, wie sich diese Diskussion weiterentwickelt. Denn inzwischen gibt es auch auf europäischer Ebene ein Lieferkettengesetz, das ist allerdings nicht ganz so strikt, aber auch das soll überarbeitet werden. Es gibt ganz aktuell eine Studie von Misereor und Brot für die Welt dazu. Und da lautet das Fazit, dass das Gesetz wirkt.
DOMRADIO.DE: Das sind deutlich wirtschaftsfreundlichere Töne als vorher, die die Union anschlägt. Ebenso wie in der Migrationspolitik, wie sieht es da aus?
Wilke: Da hat es auch schon die ersten Aufschläge gegeben. Der neue Innenminister Dobrindt von der CSU hat einiges angekündigt und auch mit den vermehrten Grenzkontrollen Fakten geschaffen. Es wird sich zeigen, wie lange die Bundespolizei das durchhalten kann. Das bindet sehr viele Ressourcen und Kritiker bezweifeln, dass das Vorgehen dem europäischen Recht entspricht. Eigentlich sind solche vermehrten Kontrollen nur gerechtfertigt, wenn in dem Land ein Notfall ausgerufen wird.
Flüchtlingsverbände und auch die Kirchen sehen das sehr kritisch. Am vergangenen Freitag gab es das 50-jährige Bestehen der Interkulturellen Woche, da war auch Bundespräsident Steinmeier dabei. Die evangelische Ratsvorsitzende Fehrs hat angemahnt, dass das Recht auf Asyl auf keinen Fall zur Disposition gestellt werden darf.
DOMRADIO.DE: Migration und Union, das bleibt für die Kirchen ein schwieriges Thema.
Wilke: Die Kirchen beobachten sehr genau, was die Regierung jetzt plant. Viele Vorhaben, wie den angekündigten Stopp des Familiennachzugs für subsidiär Schutzbedürftige, also Schutzbedünftige die nur einen Teilschutz haben und das Beenden der Aufnahmeprogramme für afghanische Flüchtlinge, halten sie zum Beispiel für Symbolpolitik. Zahlenmäßig sind davon nur wenige Flüchtlinge betroffen, die Auswirkungen für den einzelnen Betroffenen sind aber sehr groß. Jetzt gibt es eine neu angestoßende Debatte zu Asylverfahren in den Drittstaaten. Das will die Bundesregierung prüfen. Es kann sein, dass Merz seinen Besuch in Italien genutzt hat, um mit der Ministerpräsidentin Meloni erste Gespräche zu führen. Er hat sie einen Tag vor der Einführung des neuen Papstes getroffen. Anders als bei der Beerdigung von Franziskus war Merz bei der Einführung von Papst Leo dabei.
DOMRADIO.DE: Wie schätzt du die Wirkung der Feierlichkeiten rund um Papst Leo auf Friedrich Merz ein?
Wilke: Ich glaube, das war schon ein sehr besonderes Ereignis für ihn. Er hat danach von einem sehr erhebenden Augenblick gesprochen. Er war ganz vorne dabei. Interessant ist auch, dass die beiden, also Leo XIV. und Merz einiges verbindet. Sie sind zur gleichen Zeit etwa in ihr neues Amt gestartet und sie sind etwa gleich alt. Für den Papst kam das natürlich überraschender, dass er ins Amt gewählt wurde, für Merz weniger im zweiten Anlauf. Ob sich das Verhältnis ähnlich gut entwickeln wird wie das zwischen Papst Franziskus und Ex-Kanzlerin Merkel, das wird man sehen.
Das Interview führte Tobias Fricke.