DOMRADIO.DE: Ein Mensch stirbt, er wird sogar hingerichtet und wird danach wieder lebendig – das klingt doch eigentlich unglaublich, oder?
Dr. Dominikus Schwaderlapp (Weihbischof im Erzbistum Köln): Es ist jedenfalls ein Ereignis, das seinesgleichen sucht. Aber es lohnt sich, auf die Fakten zu schauen: Die Berichte über die Verurteilung und Kreuzigung Jesu werden selbst von den kritischsten Bibelforschern als authentisch bezeichnet: Es war ein Justizmord. Richter Pilatus wusste, dass Jesus unschuldig war, aber er hat dem Druck der Menge nachgegeben. Und Jesus wurde bestattet, nachdem sein Tod festgestellt wurde, er war also nicht irgendwie scheintot.
Und dann ist das passiert, was die Bibel uns erzählt, nämlich die Auferstehung am dritten Tag. Mein Professor in Bonn hat einmal gesagt: Wenn Jesus auf den Glauben seiner Jünger angewiesen gewesen wäre, dann wäre er im Grab geblieben. Das heißt, sie haben sich schwergetan zu glauben, was da geschieht.
Aber was sind die Fakten? Das Grab war leer. Später sind die Jünger ihm begegnet. Paulus berichtet von 500 zugleich. Und diese Paulus-Dokumente stammen aus einer Zeit, wo die Zeitzeugen noch lebten, das war also nicht irgendein Märchen aus der Vergangenheit. Ich bin Apostel Thomas – der der "Ungläubige" genannt wurde – sehr dankbar, denn er sagte: "Solange ich meine Hand nicht in Jesu Wunden gelegt habe, glaube ich das nicht." Er hat damit die entscheidenden Fragen gestellt: Auferstehung im realen Sinne heißt, es muss dieselbe Person sein. Jesus erkennt man an den typischen Wundmalen an seinen Händen und seiner Seite. Die gibt es eigentlich nicht bei Gekreuzigten, das ist also etwas Einzigartiges. Dann ist Christus ihm begegnet, er hat die Wunden gesehen, ist vor ihm auf die Knie gefallen und hat gesagt: "Mein Herr, mein Gott!"
Was wird uns noch über diese Art der Begegnung geschildert? Jesus ist nicht einfach ins Leben zurückgekehrt wie Lazarus, den er von den Toten erweckt hat und der dann irgendwann aber wieder gestorben ist. Er war einerseits identifizierbar als der Jesus, der gekreuzigt wurde, aber er war zugleich auch jemand, der zum Beispiel gegessen hat, das wird an mehreren Stellen bei Lukas und Johannes betont. Es war also keine Einbildung, Jesus war kein Geist, sondern er war aus Fleisch und Blut. Und zugleich war er nicht mehr an die Gesetze dieser Welt gebunden. Das heißt, er sei durch verschlossene Türen gegangen, räumliche Grenzen waren für ihn nicht mehr von Bedeutung. Das heißt, wir haben im auferstandenen Christus ein Stück Himmel auf Erden gehabt und das ist der Grund, an dem alles hängt. Es ist eben nicht irgendwie eine Geschichte, die man sich erzählt, um sich aufzubauen, sondern ein reales Ereignis.
DOMRADIO.DE: Umfragen zufolge fällt es selbst vielen Christen schwer, daran zu glauben. Sie glauben an Gott und gehen in die Kirche, aber die Auferstehung halten sie für nicht begreiflich. Was sagen Sie denen?
Schwaderlapp: Das führt uns zur Grundfrage des Glaubens: Bin ich bereit, jemandem zu vertrauen, der größer ist als ich und den ich nicht erfassen kann?
Natürlich ist Glauben schwer. Aber wenn ich nur das glaube, was ich selbst erfassen kann, bin ich schnell am Ende. Das ist wie mit Beziehungen unter Menschen: Wenn man einander kennt, heißt das nicht, dass man alles über die andere Person weiß. Aber wenn man ihr vertraut, dann ist das mehr als das, was man sieht und erfährt. Vertrauen ist die Grundlage jeder menschlichen Beziehung. Und das gilt noch mehr für die Beziehung zu Gott: Es geht darum zu erkennen, dass unser Verstand begrenzt ist und wir nur einen kleinen Ausschnitt sehen. Gott ist viel größer und ich muss ihm auch zutrauen, dass er die Welt erschaffen hat, ob über den Urknall oder wie auch immer. Er steht dahinter, er erhellt mein Leben, er ruft mich beim Namen und sieht jeden Einzelnen von uns persönlich. Das ist alles unbegreiflich. Aber wenn man diesen Schritt getan hat, wird vieles leichter.
Ich kann alle möglichen Argumente aus der Geschichte oder Archäologie anführen, die die Erzählungen des Evangeliums belegen. Aber den Schritt des Glaubens kann ich niemandem abnehmen. Das ist ein Sprung. Aber er lohnt sich.
DOMRADIO.DE: Es heißt aber auch, dass Gott nach dem Tod über uns alle richten wird. Müssen wir davor Angst haben, dass er dann wie ein Buchhalter die guten und die bösen Taten jedes Einzelnen gewichtet?
Schwaderlapp: Wir werden vor ihm Rechenschaft ablegen müssen, aber er ist auch unser bester Anwalt. Gott verteilt keine Knöllchen oder geht auf Fehlersuche, sondern er kennt alle entlastenden Argumente. Er möchte unsere Freundschaft und das ist eine Sache der Entscheidung. Dann nimmt er uns auch ernst.
Gott hat unendlichen Respekt vor der Freiheit des Menschen, deshalb hat er uns mit Verstand und freiem Willen geschaffen, weil er ein Wesen haben wollte, das in der Lage ist, seine Liebe zu beantworten. Liebe geht nie unter Zwang. So hat er den Menschen erschaffen und dieses großartige Geschenk fordert eine Antwort. Darum geht es im Leben: Dieses "Ja" zu geben, diese Hand der Freundschaft anzunehmen.
DOMRADIO.DE: Und was bedeutet das für das Diesseits?
Schwaderlapp: Wenn ich Christus in mein Herz lasse, dann beginnt der Himmel hier schon ein wenig. Natürlich nicht das Paradies auf Erden, aber wir dürfen ihm begegnen: Wir begegnen ihm in der Eucharistie, wenn Brot und Wein in seinen Leib und sein Blut gewandelt werden, in der Vergebung, im Bußsakrament. Wenn der Priester sagt: "Ich spreche dich los", dann ist es Christus, dem er seine Stimme leiht. Er ist der Freund meines Lebens, auf den ich mich immer verlassen kann und der mich dann auch hält, wenn mich nichts mehr hält.
Das habe ich selbst in den letzten Wochen schmerzlich erfahren müssen, als mein geliebter Bruder plötzlich verstorben ist. Er war 60 Jahre alt, gesund und viel zu jung, um zu sterben. Und wenn es nicht die Auferstehung gäbe, wenn es nicht diesen Gott gäbe, dann wären seine Familie und ich völlig verzweifelt. Wir haben viel geweint und wir trauern nach wie vor, aber es ist ein Weinen, das getröstet wird, weil wir von der Hoffnung getragen werden, dass es ein Wiedersehen gibt. Der Glaube rettet: Er rettet auch mich immer wieder im Hier und Jetzt.
DOMRADIO.DE: Wie stellen Sie sich persönlich die Auferstehung vor?
Schwaderlapp: Konkrete Vorstellungen habe ich davon nicht. Wir werden uns wiedersehen und einander erkennen. Und wir werden zusammen mit Christus sein, seine Nähe wird der Mittelpunkt von allem sein.
Ich wurde einmal von einem Jugendlichen gefragt, wie ich mir den Himmel vorstelle. Mir kam der Gedanke – und ich hoffe, der war vom Heiligen Geist – und ich sagte: "Stell dir einen glücklichen Augenblick in deinem Leben vor. Dieser tausend Mal intensiver und ohne Ende: So stelle ich mir den Himmel vor." "Voll krass", war da die spontane Antwort des Jugendlichen. Ja, das ist voll krass: Es wird nichts Böses mehr geben, keine Dunkelheit. Davon kann sich jetzt jeder seine eigene Vorstellung machen, was ihn oder sie glücklich machen würde.
Mir hilft es zum Beispiel in der Gegenwart, wenn ich bei der Heiligen Eucharistie Christus in den Händen halte: Es ist derselbe Christus, den die Verstorbenen im Himmel unverhüllt sehen. Ich sehe ihn in der Gestalt des Brotes. Die Eucharistie ist die Brücke zum Himmel. Das hilft mir auch, in Verbundenheit mit den Verstorbenen zu leben. Ich versuche es zumindest.
DOMRADIO.DE: Derzeit gibt es viele Kriege und Krisen, die die Menschen verunsichern. Wie kann der Gedanke der Auferstehung dabei helfen, durch diese Zeiten zu kommen?
Schwaderlapp: Das sind zunächst Realitäten, die wehtun. Und ich möchte das auch im Hinblick auf meinen verstorbenen Bruder sagen: Bei allem Glauben und aller Hoffnung auf ein Wiedersehen: Es tut sehr, sehr weh. Und auch die aktuelle Situation mit den Kriegen und den Todesopfern: Das tut sehr weh und warum es das gibt, kann ich nicht erklären.
Aber Christus ist derjenige, der über alle Ungerechtigkeiten dieser Welt gesiegt hat: Pilatus hat ihn hinrichten lassen, obwohl er wusste, dass es falsch war. Aber das hat Jesus nicht unter die Erde gebracht, oder zumindest nur für kurze Zeit. Das heißt die Ungerechtigkeiten, Absurditäten und die Dunkelheit sind nicht alles. Das Ganze hier auf der Erde hat eine Perspektive: Wir gehen nicht auf ein finsteres Loch zu, in dem wir dann irgendwann verschwinden, sondern wir gehen auf eine Tür zu, hinter der etwas ist, was unsere Vorstellungskraft übersteigt.
Wenn ich darauf angewiesen wäre, dass diese Welt mir alles Glück bringen soll, dann müsste ich mich ständig abmühen und abhetzen, um diesem Glück hinterherzujagen und ich glaube, das tun viele. Aber das ist nicht zu schaffen und am Ende bleibt etwas Unerfülltes. Unsere Sehnsüchte sind nicht zu befriedigen, der Kapitalismus lebt davon, dass die Wünsche des Menschen unersättlich sind und wir immer mehr wollen. Aber es gibt jemanden, der sie erfüllen kann, aber das ist nicht in dieser Welt.
Das ist, wie wenn ich in Urlaub fahre und vor dem Gotthard-Tunnel im Stau stehe: Es ist heiß, es ist anstrengend und das ist nicht schön. Aber die Perspektive, dass mich hinter dem Tunnel mein Urlaubsort und das Meer erwarten, hilft mir dabei, das zu ertragen. Wenn aber die Perspektive wäre: Dieser Stau endet nicht und nach dem Tunnel geht es nicht weiter - das würde ja alles zerstören.
Das Interview führte Ina Rottscheidt.