Weihbischof Schwaderlapp blickt auf 30 Jahre als Priester

"Krüge mit Wasser füllen"

Vor 30 Jahren wurde der Kölner Weihbischof Dominikus Schwaderlapp zum Priester geweiht. Im Interview erklärt er, was ihm in Erinnerung geblieben ist und warum er es als seine Aufgabe ansieht, metaphorische Krüge mit Wasser zu füllen.

Weihbischof Schwaderlapp bei einer Diakonenweihe in seiner ehemaligen Kaplanspfarrei in Neuss im Mai 2023 / © Harald Oppitz (KNA)
Weihbischof Schwaderlapp bei einer Diakonenweihe in seiner ehemaligen Kaplanspfarrei in Neuss im Mai 2023 / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Vor 30 Jahren wurden Sie im Kölner Dom zum Priester geweiht. Wenn Sie an den Tag zurückdenken, wie erinnern Sie sich?

Dominikus Schwaderlapp (Weihbischof im Erzbistum Köln): Da weiß ich noch eine ganze Menge. Es ist ein sehr einprägsames Datum, ein sehr einprägsamer Tag für mich, auf den ich immer mit Dankbarkeit zurückblicke. Es fing damit an, dass der Spiritual uns sagte, wir sollten – wir sind mit 23 Leuten geweiht worden – nicht in einem Pulk zum Dom gehen und dabei schwätzen, sondern wir sollten einzeln gehen. Das haben wir tatsächlich gemacht und die Gäste waren schon auf der Domplatte und sahen dann alle zwei Minuten einen von uns kommen. Das war aber ganz gut, um sich darauf innerlich einzustellen.

Mir ist in Erinnerung, dass mir, nachdem die Weihe vollzogen war und wir in der Sakristei waren, die Tränen liefen. Ich war einfach im Innersten berührt. Es waren Tränen der Berührung, der Freude, der Dankbarkeit. Und dann das Zusammensein im Priesterseminar mit den Gästen und die Tage danach mit der Primiz, das sind alles sehr einprägsame Erlebnisse. Die Predigt, die mein Primizprediger gehalten hat, wurde damals aufgenommen und die höre ich mir an jedem Weihetag noch mal an, um mal zu gucken: Was hat der mir für Impulse gegeben? Wo stehe ich denn heute und wo sollte ich nochmal einen Zahn zulegen?

DOMRADIO.DE: Worum ging es?

Schwaderlapp: Das war eine ganze Reihe von Dingen. Es ging einerseits um die innere Verbundenheit mit Christus, aus der heraus aber dann auch die Zuneigung und die Hinwendung zu den Menschen wächst. Und dass eben diese innere Verbundenheit und Freundschaft mit Christus die Basis ist, auch dann noch zu Menschen zu gehen, wenn sie einen rufen, wenn man eigentlich völlig müde und erschöpft ist. Das, muss ich sagen, ist mir immer wichtiger geworden: diese innere Verbundenheit mit Christus auch als Quelle für meinen Dienst für die Menschen.

DOMRADIO.DE: Sie haben nicht nur die Priesterweihe empfangen, sondern auch die Bischofsweihe später. Sind das gleichwertige Erlebnisse? Oder blickt man da anders darauf? Wie ist das zu vergleichen?

Schwaderlapp: Den Vergleich habe ich eigentlich nie angestellt. Es war ganz anders. Ich würde sagen, grundlegender und einprägsamer ist das Erlebnis der Priesterweihe. Das ist für mich auch die Basis für meinen bischöflichen Dienst. Auch die Bischofsweihe war etwas sehr Schönes und auch Frohes, aber die Basis für alles ist dann doch die Priesterweihe gewesen.

Bischofsweihe von Dominik Schwaderlapp im Jahr 2012 (KNA)
Bischofsweihe von Dominik Schwaderlapp im Jahr 2012 / ( KNA )

DOMRADIO.DE: Und das haben sie nicht alleine gemacht. Dieser Priesterjahrgang 1993 war ein ganz besonderer Jahrgang: Erzbischof Heße aus Hamburg, Bischof Kohlgraf aus Mainz, der Kölner Stadtdechant Kleine und der Bonner Stadtdechant Picken, um nur einige zu nennen. Welche Rolle spielt diese Gemeinschaft heute noch?

Schwaderlapp: Die spielt eine wichtige Rolle. Ich habe einen Freundeskreis, mit dem ich mich regelmäßig treffe. Wir sind unterschiedliche Leute und haben unterschiedliche Aufgaben und Funktionen, sind auch nicht immer einer Meinung. Aber das Gemeinsame ist doch stärker, ist auch die Basis dieser Freundschaft. Insofern ist das für mich auch etwas sehr Wichtiges, das weiter zu pflegen.

Gedacht hätte ich das überhaupt gar nicht. Ich habe mir mein Priesterleben völlig anders vorgestellt. Ich dachte, da kommen ein oder zwei Kaplanstellen und dann eine Pfarrstelle. Und so weiter. Es ist alles anders gekommen. Aber am Ende bin ich dankbar für all das, was der liebe Gott so gefügt hat.

Dominik Schwaderlapp

"Ich habe mir mein Priesterleben völlig anders vorgestellt."

DOMRADIO.DE: Sie wurden geweiht von Kardinal Meisner, mit dem Sie dann später auch eng als Generalvikar zusammengearbeitet haben. Was war das für eine Beziehung? Einerseits wird man ja vom Erzbischof geweiht und später haben Sie dann einen Tag und Tag für Tag mit ihm zusammengearbeitet.

Schwaderlapp: Das ist natürlich auch gewachsen. Ich war nach drei Kaplansjahren in Neuss dann sieben Jahre Sekretär bei Kardinal Meisner. Da war natürlich anfangs eine große Befangenheit da und er war mir fremd. Ich wusste gar nicht, dass er sich an meinen Namen erinnern konnte und wurde dann eben sein Sekretär. Im Laufe dieser Jahre wird man vertrauter miteinander. Ich habe auch im Haushalt mitgelebt und wir haben den ein oder anderen Sack Salz zusammen gegessen und das schweißt natürlich auch zusammen.

Wir hatten ein gutes Vertrauensverhältnis und auch eine Sympathie füreinander und er hat mich in vielen geistlichen Dingen geprägt, ohne dass das jetzt so von ihm gewollt war. Aber das hat sich einfach so ergeben. Auch in meiner Zeit als Generalvikar hatten wir ein sehr enges und vertrautes Verhältnis bei allen Diskussionen, die man dann auch intern führt und auch wenn man mal streitet.

Kardinal Meisner und Weihbischof Schwaderlapp / © dr (DR)
Kardinal Meisner und Weihbischof Schwaderlapp / © dr ( DR )

DOMRADIO.DE: Sie waren Generalvikar und Sie sind Weihbischof. Ich finde den Kontrast zwischen diesen beiden Aufgaben ganz interessant, weil der Weihbischof ja eigentlich hierarchisch höher gestellt ist. Aber als Generalvikar hat man mehr Verantwortung, mehr Personalverantwortung. Wenn Sie auf diese beiden Zeiten schauen: Was gefällt Ihnen besser? Wie ist der Kontrast? Denken Sie manchmal zurück?

Schwaderlapp: Es waren natürlich fast konträre Aufgaben. Ich war gerne Generalvikar, das hat mich herausgefordert und das war ich mit Leib und Seele. Aber ich weiß noch, an dem Tag, als ich als Generalvikar entpflichtet wurde, da ist mir klar geworden, wie erleichtert ich war. Es war auch schon eine große Last der Verantwortung, die dann von mir abgefallen ist. Und wenn ich Kindern erkläre, was ein Weihbischof ist – vorausgesetzt, dass sie so etwas kennen wie einen Kaplan oder Pfarrvikar – dann sage ich: Das, was ein Pfarrvikar oder Kaplan in einer Pfarrei ist, das ist ein Weihbischof im Bistum. Also der Leiter der Diözese ist der Erzbischof und wir Weihbischöfe helfen ihm dabei, seinen Hirtendienst zu erfüllen.

Ich kann jetzt eigentlich tatsächlich an meine Kaplanszeit anknüpfen. Denn da war ich auch nicht der Leiter der Pfarrei Sankt Marien in Neuss, sondern hatte eben meine Aufgaben da, vor allen Dingen Jugendarbeit, Firmvorbereitung und ähnliche Dinge. Und so ist es jetzt auch. Ich bin aus viel Leitungsverantwortung raus, habe das eine oder andere zwar auch noch, aber habe auch Zeit für seelsorgliche Aktivitäten und Verkündigung. Das macht mir sehr viel Freude. Ich sehne mich nicht danach zurück, Generalvikar zu sein.

Dominik Schwaderlapp

"Das, was ein Pfarrvikar oder Kaplan in einer Pfarrei ist, das ist ein Weihbischof im Bistum."

DOMRADIO.DE: Man würde ja auch denken, dass die spirituellen Aufgaben jemandem, der in seiner  Lebensentscheidung das Priestertum gewählt hat, näher liegen sollten als die Hierarchie und die Organisation.

Schwaderlapp: Genau das ist es. Auch als Generalvikar habe ich immer versucht, auch diese Komponente oder diese Dimension meines Dienstes als priesterlichen Dienst zu tun, nicht nur als Funktionär und Verwaltungsleiter, sondern eben auch als Priester. Das heißt, dass ich mir gesagt habe: Hinter jeder Akte steckt eine Seele oder stecken mehrere Seelen. Mein Dienst war eben dafür da, als Generalvikar mitzuhelfen, dass die Verwaltung und Organisation so ist, dass das Evangelium verkündet und gelebt werden kann.

Ich habe schon versucht, auch das, was ich da an praktischen Dingen zu tun hatte, in diese Beziehung zu setzen. Das fällt jetzt leichter, wo ich viel mehr unmittelbaren Dienst in der Seelsorge tun darf. Und das war auch die große Freude, die ich in Mombasa hatte, wo ich da wirklich einfach den ganzen Tag Seelsorger sein durfte.

Dominik Schwaderlapp

"Hinter jeder Akte steckt eine Seele oder mehrere Seelen."

DOMRADIO.DE: Das ist wahrscheinlich, vermute ich mal, eine der prägendsten Zeiten, die sie in den letzten 30 Jahren gehabt haben, weil Sie ja vorher nie wirklich eine längeren Abwesenheit aus Köln hatten. Dann von heute auf morgen, ein knappes Jahr, zehn Monate nach Kenia zu gehen: Was hat das mit Ihnen gemacht?

Schwaderlapp: Als ich mich verabschiedet habe von meiner Familie und ins Flugzeug gestiegen bin, da kam ich mir schon irgendwie etwas verloren vor. Ich kannte ja auch niemanden dort und wusste nicht, wie das wird: Werden die dich annehmen? Wirst du akzeptiert? Kommst du da zurecht? Bei der Sprache angefangen. Aber die Herzlichkeit der Menschen hat mich sehr schnell gefangen genommen und auch die Geduld mit meinen Schwächen und Begrenzungen. Das war dann auch so eine Sache, wo man in gewisser Weise lernt, demütig zu werden.

Wenn ich es bisher gewohnt war, mal schnell ein kurzes Statement, eine kurze Predigt, einen kurzen Impuls zu geben, musste ich nun mit meinem zugegebenermaßen schwachen Englisch alles und jedes da umschreiben. Musste nach Worten ringen. Ich war so unzufrieden mit mir und dachte: Mein Gott, du kannst dich ja überhaupt nicht richtig verständlich machen. Aber dann doch auch zu erleben, dass dann Gott das seine tut und das, was vom Herzen kommt, auch irgendwie im Herzen ankommt, das hat mir auch nochmal gezeigt: Nimm dich nicht so wichtig auch mit deinen scheinbaren Begabungen. Gott kann auch aus dem Wenigen viel machen.

Zehn Monate lang war Erzbischof Martin Kivuva Musonde aus Mombasa der Vorgesetzte des Kölner Weihbischofs Schwaderlapp / © Beatrice Tomasetti (DR)
Zehn Monate lang war Erzbischof Martin Kivuva Musonde aus Mombasa der Vorgesetzte des Kölner Weihbischofs Schwaderlapp / © Beatrice Tomasetti ( DR )

DOMRADIO.DE: Aber Sie haben in der Zeit auch ein bisschen Swahili gelernt. Ich erinnere mich an den Gottesdienst im Dom zum Sonntag der Weltkirche letztes Jahr, da haben Sie die Grußworte auf Swahili gesprochen.

Schwaderlapp: Ich spreche nur sehr wenig Swahili, habe aber dann sehr schnell gelernt, die Heilige Messe in Swahili zu feiern. Ich war dann zwei Tage dort und der Pfarrer, der mich begrüßte und mich die erste Woche etwas betreute, fuhr mit mir zur Kathedrale in den Book Shop und dann brachte er mir ein Messbuch auf Swahili, wo alle Texte drin sind und sagte: Kaufen Sie sich das.

Ich sagte: Wieso denn? Die Messe kann ich doch auch in Englisch feiern. Aber es war notwendig, weil ich jeden Tag die Messe in Swahili gefeiert habe. Dann lernt man schon im Laufe der Zeit – ich habe auch etwas Unterricht genommen – Smalltalk, aber auch so, dass ich dann die Kernbotschaften der Predigt nicht nur in Englisch gesagt habe, sondern auch in Swahili. Das hat den Leuten auch geholfen, weil sie manchmal Swahili besser als Englisch können, dass sie sagen: Dann haben wir die Eckpunkte und dann können wir uns entlanghangeln und alles andere kriegen wir dann auch noch irgendwie mit.

DOMRADIO.DE: Und wenn Sie an weitere Höhepunkte Ihres Priesterlebens denken? An den Weltjugendtag in Köln?

Schwaderlapp: Der Weltjugendtag war natürlich etwas ganz Besonderes, das war etwas Einmaliges, Unvergessliches. Aber das fällt eigentlich so aus dem Rahmen, dass ich das gar nicht als das Datum meines priesterlichen Lebens sehen würde.

Was mich immer wieder fasziniert, ist, dass Gott mit dem Wenigen, was man gibt, doch auch was machen kann. Dass Leute sich für etwas bedanken, wo ich vielleicht irgendwas in meinem Gottesdienst erwähnt habe, was gar nicht vorbereitet war und vielleicht sogar noch verhaspelt oder sonst was. Und dass dann jemand sagt, das und das hat mir weitergeholfen. Und das, was ich gut vorbereitet habe, geschliffen formuliert habe, gar nicht angekommen ist, wo ich immer denke: Gott kann auch aus dem, wo du versagst oder nicht dem entsprichst, was du dir selbst vornimmst, etwas Großes daraus machen.

DOMRADIO.DE: Also gar nicht die großen Momente, sondern die Kleinigkeiten?

Schwaderlapp: Für mich ist ein Schlüsselevangelium das von der Hochzeit zu Kana. Der Wein geht aus. Es sind Krüge da, die werden mit Wasser gefüllt. Eigentlich ein unsinniger Auftrag. Ein Wasserproblem gab es ja nicht, sondern ein Weinproblem. Aber die Diener tun das. Und das ist die Grundlage für das Wunder, das der Herr macht. Krüge mit Wasser zu füllen, da sehe ich eigentlich meine Aufgabe darin. Im Vertrauen darauf, dass Gott dann sein Wunder daraus macht.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.

Quelle:
DR