Was erwartet Franziskus bei seinem Besuch im Südsudan?

"Die Gewalt ist sehr präsent"

Auf seiner Zentralafrika-Reise besucht der Papst diese Woche das jüngste Land der Welt: Den Südsudan. Ein Land aus Konflikten geboren, das vor großen Problemen steht. missio-Präsident Dirk Bingener war vor Ort und beschreibt die Lage.

Südsudan / ©  Paul Jeffrey (KNA)
Südsudan / © Paul Jeffrey ( KNA )

DOMRADIO.DE: Sie waren selbst vor kurzem im Südsudan. Wie präsent ist die Gewalt auch im Alltag der Menschen?

Dirk Bingener / © Julia Steinbrecht (KNA)
Dirk Bingener / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Dirk Bingener (Präsident von missio Aachen und des Kindermissionswerks "Die Sternsinger"): Die Gewalt ist sehr präsent im Alltag der Menschen. Nicht nur die Gewalt, sondern insbesondere natürlich Hunger. Es gibt eine Vielzahl von Binnenflüchtlingen. Die Korruption ist sehr hoch. Es gibt Überschwemmungen, die Folgen des Klimawandels. Zusammengefasst: Die Situation im Südsudan ist katastrophal.

DOMRADIO.DE: Unter welchen Bedingungen leben die Menschen da gerade? Sie haben das ja jetzt hautnah mitbekommen.

Bingener: In den Projekten, wo wir helfen, als missio und auch das Kindermissionswerk, dort gibt es keine Gesundheitsversorgung. Ich war in Juba, das ist die Hauptstadt, aber dann auch in der zweitgrößten Stadt Wau. Dort gibt es ein Krankenhaus, da dort können die Menschen hinkommen. Ansonsten gibt es keine wirksame Gesundheitsversorgung.

Wir haben Geburtenstationen angetroffen, etwas weiter im Landesinneren, wo es kein fließend Wasser gibt. Es fehlen Medikamente, um Malaria zu behandeln. Das sind alles Dinge, die ich noch nie gesehen habe. Und man hat den Eindruck, das Land ist mindestens 30, wenn nicht 50 Jahre zurück, durch die Wirren des Bürgerkriegs. Durch den Bürgerkrieg ist alles durcheinander. Und darunter leiden natürlich besonders Kinder und die Familien.

DOMRADIO.DE: Wie hilft missio den Menschen im Südsudan?

Bingener: Der Vorteil der Kirche ist natürlich, dass die Hilfe in alle Landesregionen gelangen kann. Und wenn ich von Geburtenstationen ohne fließend Wasser spreche, dann ist es so, dass missio gemeinsam mit Partnern dafür sorgen wird, dass es Brunnen gibt: Manchmal sind die Brunnen vergiftet.

Dirk Bingener

"Ich habe im Südsudan verstanden, was Korruption heißt. Korruption tötet."

Wir haben über das Kindermissionswerk eine mobile Klinik, dass man regelmäßig alle 14 Tage in die jeweiligen Gebiete hineinfährt. Wir unterstützen ein Krankenhaus mit Medikamentenlieferungen und wir unterstützen vor allem auch die Ausbildung des pastoralen Personals über missio. Das heißt, sie müssen ja in die Zukunft investieren, auch in die Pfarrer und in die Katechetinnen und Katecheten. Das sind alles riesengroße Aufgaben in dem Land, in dem es im Grunde keine Zivilgesellschaft gibt und damit auch keine Versorgung, weil der Staat vollkommen korrupt ist. Ich habe im Südsudan verstanden, was Korruption heißt. Korruption tötet.

DOMRADIO.DE: Wie wichtig ist denn für die Menschen jetzt der anstehende Papstbesuch?

Bingener: Der anstehende Papstbesuch ist sehr wichtig für die Menschen. Die Menschen sind stolz auf ihr Land. Und wenn der Papst gemeinsam mit dem Erzbischof von Canterbury zu Besuch kommt, dann ist das eine Ehre. Und es lenkt natürlich die Weltöffentlichkeit noch mal auf diesen vergessenen Konflikt. Das heißt, die Menschen sind stolz auf den Papstbesuch und der Papst kann die Öffentlichkeit nutzen, um auf diese katastrophalen Zustände aufmerksam zu machen.

DOMRADIO.DE: Papst Franziskus wird ja bei dem Treffen mit Vertretern von Staat und Gesellschaft erneut für Frieden werben. Welchen Einfluss hat er da? Was glauben Sie?

Bingener: Der Papst hat ja auch schon bei den letzten Treffen deutlich gemacht, dass er als ein Mensch kommt, der bittet, der fleht. Er verhandelt mit Politikern, die das Volk unterdrücken, die selber auch korrupt sind. Und er appelliert an ihr Gewissen als Menschen. Und das ist, glaube ich, das Allerwichtigste, was der Papst tun kann an die Menschlichkeit dieser Menschen zu appellieren. Und es ist, glaube ich, nicht umsonst, dass der Papst bittet, dass wir diese Reise im Gebet begleiten, weil es so eine wichtige Mission ist. Und erst mal der Papst machtlos dasteht, auch in Ohnmacht und als Mensch Menschen bittet, dass die Situation sich endlich verändert und dass Frieden kommt.

Das Interview führte Michelle Olion.

Programm der Papstreise in die DR Kongo und den Südsudan

 

Papst Franziskus reist vom 31. Januar bis 5. Februar in die Demokratische Republik Kongo sowie in den Südsudan. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) dokumentiert das vom Vatikan am Donnerstag veröffentlichte Reiseprogramm in eigener Übersetzung. Zeitangaben in Ortszeit (Kinshasa = UTC+1 = MEZ; Juba = UTC+2).

Apostolische Reise Seiner Heiligkeit Franziskus in die Demokratische Republik Kongo und den Südsudan (Ökumenische Friedenswallfahrt in den Südsudan), 31. Januar bis 5. Februar 2023)

Dienstag, 31. Januar 2023, Rom - Kinshasa

Hügel mit grüner Wiese und Wäldern im Osten des Kongo, in der Region von Burhale / © Harald Oppitz (KNA)
Hügel mit grüner Wiese und Wäldern im Osten des Kongo, in der Region von Burhale / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR