Warum Rom die Menschenrechtscharta nicht unterschrieben hat

Von Gott her definierte Rechtsgrundlage

Menschenrechte bleiben vielen Menschen verwehrt. Gerade Christen müssen sich stärker einbringen, so Bischof Georg Bätzing. Kritiker sehen Menschenrechtsprobleme in der Kirche. Doch ihre Rechtsgrundlage ist eine grundsätzlich andere.

Autor/in:
Paula Konersmann und Johannes Senk
Ein Rosenkranz liegt auf dem Codex Iuris Canonici (CIC), Kodex des kanonischen Rechts, dem Gesetzbuch des katholischen Kirchenrechts / © Harald Oppitz (KNA)
Ein Rosenkranz liegt auf dem Codex Iuris Canonici (CIC), Kodex des kanonischen Rechts, dem Gesetzbuch des katholischen Kirchenrechts / © Harald Oppitz ( KNA )

Für Christinnen und Christen muss eine Relativierung oder Umdeutung der Menschenrechte undenkbar sein: Das erklärt der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, am Sonntag. 

Letztlich gehe es bei den Menschenrechten "um nicht weniger als den Schutz der Würde, die in der Gottesebenbildlichkeit eines jeden Menschen gründet", sagte Bätzing in einem Statement, das der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) vorliegt.

Vor 75 Jahren wurde die Erklärung der Menschenrechte verabschiedet

Der Limburger Bischof äußerte sich zum Internationalen Tag der Menschenrechte. Vor genau 75 Jahren, am 10. Dezember 1948, verabschiedeten die Vereinten Nationen in Paris die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte.

Die Erklärung habe vieles bewirkt und wirke auch weiter, so Bätzing. Doch "an allzu vielen Orten werden immer noch unzähligen Menschen ihre grundlegenden Rechte – auch die Religionsfreiheit – vorenthalten. Aggressiver als früher stellen repressive Regimes, aber auch Populisten und Extremisten in den freiheitlichen Ländern die Menschenrechte sogar offen in Frage".

Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Luise Amtsberg (Grüne), beklagte, die Vision einer friedlichen, freien und gerechten Welt scheine heute manchmal "in weite Ferne gerückt". 

Hilfswerk missio dankt den vielen "stillen Helden der Menschenrechte"

Das Eintreten für Menschenrechte werde weltweit immer gefährlicher. "Trotz schwierigster Umstände" werde Deutschland in seinem Engagement nicht nachlassen.

Dirk Bingener / © Julia Steinbrecht (KNA)
Dirk Bingener / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Das Hilfswerk missio Aachen dankt den "stillen Heldinnen und Helden der Menschenrechte". Gerade im Globalen Süden setzten sich viele Ordensleute, Priester und Bischöfe für die Menschenrechte ein. 

"Diese internationale Aufmerksamkeit schützt die oft sehr gefährdeten Aktivistinnen und Aktiven, und darüber hinaus können wir von deren Wissen und Praxis lernen", sagte der Präsident des Hilfswerks, Pfarrer Dirk Bingener.

Kirche hat einen wichtigen Beitrag zur Menschenrechtscharta geleistet

Die Kirche als Institution dagegen sei rechtlich nicht befähigt, Grund- und Menschenrechte umzusetzen, sagte der Kirchenrechtler Adrian Loretan dem Portal kath.ch. 

Solange geistliche Autoritäten wie Priester und Bischöfe einen "schrankenlosen Vorbehalt" gegenüber den Laien besäßen, "kann von Grundrechten in einem strikten Sinn in der Kirche nicht die Rede sein".

Dabei habe die Kirche historisch einen wichtigen Beitrag zur Entstehung der Menschenrechtscharta geleistet, so Loretan. 

Darum hat der Heilige Stuhl die Charta bis heute nicht unterschrieben

Wichtige Grundsätze wie die Würde der Person, die Gleichstellung der Gläubigen, das Diskriminierungsverbot und die Religionsfreiheit seien auch schon in den Beschlüssen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) aufgeführt. Es sei wichtig, dass diese "in verbindliches Verfassungsrecht der Kirche übersetzt werden".

Kirchenrecht: Der rote Buchdeckel des Codex Iuris Canonici (CIC) / © Julia Steinbrecht (KNA)
Kirchenrecht: Der rote Buchdeckel des Codex Iuris Canonici (CIC) / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Auch die katholische Reforminitiative Maria 2.0 forderte in einem Brief an Bätzing, der am Montag übergeben werden soll, dass Papst Franziskus die Charta unterschreiben und innerhalb der Kirche anwenden solle: "Solange die römisch-katholische Kirche die Menschenrechte nach innen nicht verwirklicht, kann sie sie nicht von anderen Staaten einfordern. Das ist unglaubwürdig."

Dafür, dass der Heilige Stuhl die Charta bislang nicht unterzeichnet hat, gibt es viele Gründe: Er ist kein normaler Staat und auch nicht Mitglied der Vereinten Nationen. Und er bezieht sich auf eine grundsätzlich andere, von Gott her definierte Rechtsgrundlage.

Einsatz für Menschenrechte laut Papst "nie zu Ende"

Indes haben auch Kirchenführer auf der ganzen Welt zum Internationalen Tag der Menschenrechte die Einhaltung und Ausweitung der Menschenrechte gefordert.

 "Der Einsatz für die Menschenrechte ist nie zu Ende", mahnte Papst Franziskus am Sonntag beim Mittagsgebet auf dem Petersplatz. Er sicherte all denen seine Nähe zu, die im Leben zu kämpfen hätten und sich für die Rechte anderer einsetzten.

Welby ruft zum Schutz des Bildes Gottes in allen Menschen auf

Auch der anglikanische Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, würdigte die Verkündung der Charta. 

Da Menschenrechte weltweit zunehmend bedroht würden, sei es verstärkt Aufgabe der Kirche, "Licht, Gerechtigkeit und Wahrheit zu bringen und das Bild Gottes in allen Menschen zu schützen", so das Oberhaupt der Anglikanischen Kirche auf der Plattform X, ehemals Twitter.

Menschenrechte

Menschenrechte sprechen jeder Person die gleichen Rechte und Freiheiten zu - unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, Weltanschauung oder politischer Haltung. Sie gelten von Geburt an und können nicht verwirkt werden. Als Basis gilt die "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte", die von den Vereinten Nationen am 10. Dezember 1948 als politische Willenserklärung verabschiedet wurde. An diesen wichtigen Meilenstein erinnert alljährlich der Tag der Menschenrechte

Menschenrechte werden vielerorts eingeengt / © Jens Büttner (dpa)
Menschenrechte werden vielerorts eingeengt / © Jens Büttner ( dpa )
Quelle:
KNA