Vor 70 Jahren starb Kardinal Michael von Faulhaber

Verantwortung, schwer wie ein Mühlstein

Kardinal von Faulhaber - aufgeschlossener Wissenschaftler oder "Hitler-Versteher"? Der Münchner Erzbischof ist eine ambivalente Gestalt. Vor 70 Jahren starb der einstige Oberhirte von München und Freising.

Autor/in:
Simon Kajan
Kardinal Michael von Faulhaber (KNA)
Kardinal Michael von Faulhaber / ( KNA )

Er gehört zu den prägenden und profilierten, aber auch zu den umstrittenen Persönlichkeiten des deutschen Katholizismus: Kardinal Michael von Faulhaber (1869-1952). Am 12. Juni ist es 70 Jahre her, dass der beliebte Oberhirte von München und Freising nach kurzer Krankheit verstarb - während die Fronleichnamsprozession am erzbischöflichen Palais vorbeizog. Bei seiner Beerdigung sollte die Schlange der Trauernden kein Ende nehmen: Einige hunderttausend Menschen waren nach München gekommen, um von dem Letzten durch die Wittelsbacher 1917 berufenen Münchner "Kirchenfürsten" Abschied zu nehmen.

Hochverehrt und angefeindet

Der hochgebildete Faulhaber war gleichermaßen hochverehrt, aber auch angefeindet als angeblich "unerschütterliche Stütze" Adolf Hitlers. Neuere Erkenntnisse fügen dem Bild weitere Facetten hinzu - so die des gewissenhaft auf Disziplin achtenden und auch Missbrauchstäter strafenden Bischofs, wie das Münchner Missbrauchsgutachten herausarbeitet.

Der unterfränkische Bäckersohn machte schnell theologische Karriere als Alttestamentler an den Universitäten Würzburg und Straßburg. 1911 wurde er Bischof von Speyer; 1917 nominierte der bayerische König den 48-Jährigen zum Wohlgefallen des Papstes zum neuen Erzbischof von München und Freising.

Probleme mit der Weimarer Republik

Der überzeugte Monarchist war erst kurze Zeit in der bayerischen Landeshauptstadt, da brach die alte Ordnung nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg zusammen. Wie viele Kirchenmänner stand der fromme und charismatische Erzbischof der jungen Weimarer Demokratie zunächst skeptisch, teilweise auch ablehnend gegenüber. Noch beim Münchner Katholikentag 1922 sprach er davon, die Republik trage das "Kainsmal der Revolution" - worauf ihm der Kölner Oberbürgermeister und preußische Staatsrat Konrad Adenauer energisch widersprach und für die neue Staatsordnung warb.

In der Weimarer Republik versuchte Faulhaber weit mehr als andere Bischöfe, "in die Zeiten hineinzureden". Daneben war er ein engagierter Ortsbischof: In seiner 35-jährigen Amtszeit wurden zwischen 1917 und 1952 über 100 Kirchen gebaut. Auch in der Seelsorge ging er neue Wege. Er ließ Frauen zum Theologiestudium zu und führte Messen im Hauptbahnhof ein. In seine Amtszeit fällt zudem der Abschluss des bis heute gültigen Bayerischen Konkordats von 1924, dem ersten in der langen Folge von Konkordaten zwischen den deutschen Ländern und dem Heiligen Stuhl. Es sollte zum Vorbild für zeitgemäße Verträge zwischen Staat und Kirche werden.

"Mit brennender Sorge"

Seine größte Bewährungsprobe musste Faulhaber im Dritten Reich bestehen. Schon vor 1933 hatte er vor der Gottlosigkeit der Nationalsozialisten gewarnt. Mutig verteidigte er die Kirche gegen die anwachsenden Übergriffe und scheute dabei nicht vor Konflikten zurück. Doch hält man ihm bis heute auch vor, zu sehr auf die Diplomatie mit dem Regime gesetzt zu haben - im Gegensatz zu anderen Bischöfen wie dem Münsteraner Bischof Clemens-August von Galen, die im Sinne einer "Änderung der Kampfestaktik" auf offenen Protest anstatt auf offenbar nutzlose Verhandlungen setzten wollten.

Doch nach einem Besuch am 4. November 1936 auf dem Obersalzberg änderte Faulhaber seine Meinung. Am Ende des Gesprächs mit Hitler wurde ihm klar, dass es selbst im Abwehrkampf gegen den "gottlosen Bolschewismus" keine Zusammenarbeit zwischen dem NS-Regime und der katholischen Kirche geben konnte. Im Anschluss erarbeitete er federführend die Enzyklika "Mit brennender Sorge". Darin verurteilte Papst Pius XI. am Palmsonntag 1937 den Nationalsozialismus auf scharfe Weise.

Weil aber das Regime die Verfolgung der katholischen Kirche nach der Enzyklika verstärkte, plädierte Faulhaber fortan für Zurückhaltung. Zu Weihnachten 1937 empfahl er bei einem Geheimtreffen mit einem päpstlichen Gesandten, den internationalen Druck auf die Regierung Hitler nicht weiter zu verschärfen. Stattdessen verfuhr der Vatikan seither nach dem Motto "Retten statt Reden".

Schwere Verantwortung

Eine ambivalente Haltung zeigte sich auch in der Sicht Faulhabers auf den deutschen Widerstand. Das von ihm in jungen Jahren verinnerlichte monarchische Prinzip band ihn auch in den Versuchen des Widerstands, ihn für einen Tyrannenmord zu gewinnen. So sprach er von dem "furchtbaren Verbrechen des 20. Juli" und verwies auf das 5. Gebot: "Du sollst nicht töten". Nichtsdestotrotz hatte er wohl Kontakte mit dem militärischen Widerstand und dem "Kreisauer Kreis". So traute ihm denn auch die Gestapo keineswegs und verhörte ihn in dieser Angelegenheit.

Faulhaber war einer der Geprüftesten auf dem Münchner Bischofsstuhl und im deutschen Episkopat jener Zeit, nicht frei von politischem Irrtum. Die unbeugsame Haltung dieses Kirchenfürsten in Sachen kirchlichen Rechts und pastoraler Verantwortung, sein Bekennertum, die Treue zur Kirche und seine Liebe zu seinem Volk, die ihn unter anderem 1945 die Kollektivschuldthese verwerfen ließ, bleiben jedoch uneingeschränkt vor der Geschichte bestehen.

Er selbst war sich dieser Ambivalenzen offenbar bewusst. In seinem geistlichen Testament hält er fest: "Die Verantwortung eines Bischofs ist schwer wie ein Mühlstein. Schwerer noch als die Verantwortung für das, was er gepredigt und geschaffen hat, ist vielleicht die Verantwortung für das, was er nicht getan hat!"

Quelle:
KNA
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