Religionspolitische Vorstellungen der AfD zur Bundestagswahl

Viel Trennendes - wenig Verbindendes

Am 26. September wird der neue Bundestag gewählt. Eine gute Gelegenheit, vorab die religionspolitischen Parteiziele der aktuellen Bundestagsparteien zu beleuchten. Diesmal geht der Blick ins Wahlprogramm der "Alternative für Deutschland".

Logo der AfD / © Oliver Killig (dpa)
Logo der AfD / © Oliver Killig ( dpa )

"Deutschland – aber Normal", haben die Rechtspopulisten ihr 150-seitiges Wahlprogramm zur Bundestagswahl überschrieben. Darin berufen sie sich auf das Christliche als kulturstiftendes Element unserer westlichen Zivilisation. Die Partei benennt die "christliche und humanistische Kultur der europäischen Völker" als Fundament einer "bürgerlich-freiheitlichen Rechtsordnung". Auch als Argument für eine von der AfD propagierte "Deutsche Leitkultur" wird auf den christlichen Hintergrund verwiesen: "Unsere Identität ist geprägt durch unsere deutsche Sprache, unsere Werte, unsere Geschichte und unsere Kultur. Letztere sind eng verbunden mit dem Christentum." So heißt es im Wahlprogamm der AfD.

Von einem ungetrübten Verhältnis zu den beiden Amtskirchen in Deutschland kann gleichwohl keine Rede sein. Erst vergangene Woche kritisierte die Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, Alice Weidel, in einem Zeitungsinterview, Kirchenvertreter sollten sich nicht "unqualifiziert über politische Themen" äußern und sich bitteschön aus dem "politischen Geschäft" heraushalten.

Abgrenzung zu den Kirchen

Inhaltlich betont die Partei immer wieder ihre Distanz zu einzelnen Positionen der Kirchen – etwa in Sachen Klimawandel oder auch beim Engagement für Geflüchtete, einem Herzensanliegen vieler Kirchenleute. So wandte sich Weidel, die auch Spitzenkandidatin ihrer Partei ist, gegenüber dem "Badischen Tagblatt" aus Freiburg gegen kirchliches Engagement für Flüchtlinge auf dem Mittelmeer. "Die Kirchen fühlen sich berufen, durch Schiffe im Mittelmeer illegale Migration nach Europa auch noch zu befördern", so Weidel. "Ich halte das für eine Zweckentfremdung von Steuergeldern." Kirchen sollten stattdessen "spirituelle Orte für Christen" sein. Sie "täten gut daran, sich auf das zu konzentrieren, von dem sie etwas verstehen".

Politisches und gesellschaftliches Engagement der Kirchen? – aus AfD-Sicht unerwünscht. Eine Haltung, die sich auch im Wahlprogramm der Partei widerspiegelt. So fordert die "Alternative für Deutschland" die Abschaffung des Instituts des Kirchenasyls. Es sei nicht hinnehmbar, dass die Kirchen unter "Missbrauch des Kirchenasyls" die Abschiebung von Flüchtlingen torpedierten.

Islam als Feindbild

Ein genauerer Blick ins Parteiprogramm zeigt schließlich: Das Thema Religion dient der AfD vor allem als Abgrenzung zum Islam. So heißt es dort etwa: "Minarett und Muezzinruf sind mit einem toleranten Nebeneinander der Religionen, wie es die christlichen Kirchen praktizieren, nicht vereinbar." Die Partei tritt für ein Burkaverbot ein und lehnt einen Islamunterricht an deutschen Schulen kategorisch ab. Die Lehrstühle für Islamische Theologie an deutschen Universitäten und Hochschulen will die Partei abschaffen.

Mit dieser Haltung provozieren die Rechtspopulisten - erwartbar - Ablehnung auf kirchlicher Seite. "Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Eine ganze Weltreligion wird da an den Pranger gestellt", betonte beispielsweise der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki bereits 2017 gegenüber DOMRADIO.DE.

Doch auch andere Positionen der Partei sind mit christlichen Grundwerten nur schwer in Einklang zu bringen. Geflüchtete werden als Feindbilder beschworen und pauschal verunglimpft, der menschengemachte Klimawandel geleugnet und schließlich die Idee eines geeinten Europa in Frage gestellt.

So propagiert die Rechtsaußenpartei denn auch den "DEXIT", den Austritt Deutschland aus der Europäischen Union. Und auch von Klimaschutzmaßnahmen hält die Partei nichts. Der Veränderung des Klimas müsse "positiv begegnet" werden, das Ziel der Klimaneutralität sei "eine Bedrohung der Freiheit".

Kritik von katholischer Seite

Solche AfD-Positionen lassen sich mit dem Weltbild der christlichen Kirchen schwerlich vereinbaren. So verwundert es nicht, wenn der Chef des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, vor einer Wahl der AfD warnt. Sie sei "keine Alternative - für niemanden", so Sternberg in einer vom ZdK auf Twitter veröffentlichten Stellungnahme.

Auch andere katholische Organisationen wie etwa die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) und jüngst auch die katholischen Schützenbruderschaften bekennen öffentlich ihre Ablehnung gegenüber der Partei und haben in der Vergangenheit entsprechende Unvereinbarkeitsbeschlüsse zu einer Mitgliedschaft in der jeweiligen Vereinigung und der AfD durchgesetzt.

Übereinstimmungen mit den Kirchen

Und doch, trotz gehöriger Unterschiede und beidseitiger Abgrenzung und Ablehnung gibt es auch inhaltliche Überschneidungen zwischen AfD-Positionen und dem Lehramt der beiden großen Kirchen. So ist es auch die "Alternative für Deutschland", die beim Thema Lebensschutz am nächsten an den Positionen der Kirchen liegt. Die Partei kritisiert die ihrer Auffassung nach zunehmende "Bagatellisierung von Abtreibungen" und ruft zum "Schutz des ungeborenen Lebens" auf. Und auch auf dem Feld der Familienpolitik dürfte die AfD auf einer Linie mit den Kirchen sein, wenn sie sich für die "traditionelle Familie" einsetzt und von der Schaffung einer kinderreichen Gesellschaft träumt.

Dennoch, auch die katholische "Orientierungshilfe" zur Bundestagswahl, eine Studie der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle (KSZ) die die Wahlprogramme der im Bundestag vertretenen Parteien an den Prinzipien der Katholischen Soziallehre misst, kommt zu dem Schluss: Die Positionen des rechten Parteienspektrums - wozu auch und gerade die AfD gehört – seien der katholischen Soziallehre "eher fremd". Ob dennoch auch Christinnen und Christen ihr Kreuz bei der AfD machen werden, bleibt also abzuwarten.

Moritz Dege

Zur Info: Dies ist der fünfte Teil unserer Serie zu den Wahlprogrammen für die Bundestagswahl. Im ersten Teil ging es um die SPD, im zweiten Teil um die FDP, im dritten Teil um Bündnis 90/Die Grünen, im vierten Teil um CDU und CSU.


AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel / © Kay Nietfeld (dpa)
AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel / © Kay Nietfeld ( dpa )
Quelle:
DR