Religionspolitische Vorstellungen der Union zur Bundestagswahl

Aggiornamento in der Union

Am 26.September wird der neue Bundestag gewählt. Eine gute Gelegenheit, vorab mit den religionspolitischen Sprechern verschiedener Parteien die diesbezüglichen Parteiziele zu beleuchten. Diesmal mit Hermann Gröhe von der CDU.

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe am 11.6.15 im Bundestag (dpa)
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe am 11.6.15 im Bundestag / ( dpa )

Der Bundestagswahlkampf steuert auf die Zielgerade. Eine Woche noch, dann heißt es Farbe bekennen. Aktuell liegen die Schwarzen, liegen CDU und CSU, in den Umfragen hinter den Sozialdemokraten. Wir wollten trotzdem wissen: Was planen die Parteien, die das C im Namen tragen, auf dem Feld der Religion?

In der katholischen Liturgie steht die Farbe Schwarz bekanntlich für Trauer. Trauerstimmung könnte sich schon bald auf den Fluren des Konrad-Adenauer-Hauses, der CDU-Zentrale in Berlin breit machen: Denn die 16-jährige Ära Merkel endet. CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet steht im Wahlkampf auf verlorenem Posten. Der Union droht der Verlust der Macht. Aus Sicht der Kirchen hat dieser Vorgang besondere Brisanz.

NRW-Ministerpräsident Laschet – liberal, rheinisch und katholisch – war ehemals Chefredakteur der Kirchenzeitung für das Bistum Aachen und langjähriges Mitglied des ZdK. Jetzt ist er Kanzlerkandidat der Union. Mehrfach genoss er private Audienzen bei Papst Franziskus. Im Fall seiner Wahlniederlage, mutmaßte unlängst der WDR, könne Laschet seine Karriere ja als Botschafter im Vatikan ausklingen lassen.

Laschet ist also ein Mann, der den Kirchen gewogen ist. Aber ist er auch der Richtige, um die christliche Wählerschaft hinter sich und seine Partei zu bringen? Beim Wahlkampfauftakt der Union vor einigen Wochen lobte Angela Merkel: das C im Parteinamen sei für Laschet nicht irgendein Buchstabe. Für ihn sei das Christliche in allem was er tue der Kompass. Diese Einschätzung teilt Hermann Gröhe, der religionspolitische Sprecher der Unionsparteien im Bundestag.

Brüchiger Zusammenhalt von Katholiken und Union

"Ich kann das persönlich nur unterstreichen", so der einstige Bundesgesundheitsminister im Gespräch mit DOMRADIO.DE. "Er hat ganz häufig die Diskussion, die wir in der Union führen, wie wir bleibende Wertvorstellungen in moderner Weise zur Geltung bringen, mit dem Aggiornamento des zweiten Vatikanums verglichen." Das Aggiornamento ist eine von Papst Johannes XXIII. eingeführte Bezeichnung für die notwendige Öffnung der katholischen Kirche, um ihr den Dienst in der modernen Welt besser zu ermöglichen. Es ist mithin ein Leitmotiv zur Einberufung des Zweiten Vatikanischen Konzils, das von 1962 bis 1965 tagte. "Das ist für Laschet Lebensrichtschnur", so Gröhe.

Laschet – ein Mann der Kirchen. Beim Weg ins Kanzleramt dürfte ihm das kaum schaden. Doch heute gibt es die Selbstverständlichkeit nicht mehr, mit der einst vor allem Katholiken eine der beiden Unionsparteien wählten. Untersucht hat das die Politikwissenschaftlerin Viola Neu im Auftrag der unionsnahen Konrad Adenauer Stiftung. Ihr Fazit: Der Zusammenhalt von Katholiken und Unionsparteien sei "über die Jahrzehnte sehr, sehr brüchig geworden".

Religionspolitiker Gröhe erklärt sich das so: "Die Katholikinnen und Katholiken sind heute kein einheitlicher Block mehr, wie das vielleicht früher einmal war, als die anderen Parteien häufig antikirchliche Töne anschlugen",  so Gröhe im DOMRADIO-Gespräch. Gleichwohl wüssten kirchliche Vertreter, dass sie mit ihren Anliegen "in der Union auf besonders offene Ohren stoßen.“

Das "christliche Menschenbild" im Programm

Tatsächlich empfehlen sich CDU und CSU – mehr als jede andere Partei – in ihrem gemeinsamen Wahlprogramm als Stimme der Christeninnen und Christen. Gleich an fünf verschiedenen Stellen beruft sich die Union auf das "christliche Menschenbild" als ethischer Kompass der Partei, das zur Bewahrung der Schöpfung verpflichte. "Für eine christlich geprägte Partei ist Klimaschutz ein herausragendes Thema", sagt Gröhe.

Gleichwohl gilt die Union als wirtschaftsnah, nicht als Klimaretter. CDU/CSU wollen – anders als etwa Grüne oder Linke – Klimaneutralität erst 2045 erreichen. Das Erreichen der Klimaziele von Paris stünde damit auf der Kippe, sagen Experten. Gröhe hält dagegen: "Ich nehme schon für die Unionsparteien in Anspruch – von Klaus Töpfer über Angela Merkel – dass wir national wie international, von Rio de Janeiro bis Paris, den Klimaschutz vorangetrieben haben.

An der Stellung der Kirchen im Staatsgefüge möchte die Union festhalten. Während Grüne, Linke, FDP und teilweise sogar die SPD auf Veränderungen beim Staatskirchenrecht, beim kirchlichen Arbeitsrecht oder auch beim Religionsunterricht an Schulen drängen, verteidigt die Union den Status Quo. Sie bekennt sich zum Schutz der christlichen Feiertage und der Sonntagsruhe. Und sie lobt die Rolle der Kirchen während der Coronapandemie, weil sie den Blick auf jene lenkten, die es in dieser Zeit am schwersten hatten.

Reformbedarf bei Staatskirchenleistungen

Einzig bei den sogenannten Staatskirchenleistungen sieht auch die Union Reformbedarf. Die jährlichen Zahlungen des Staates an die beiden großen Kirchen – als Ausgleich für historische Enteignungen – gehörten längerfristig abgeschafft. Gespräche darüber müssten bald anlaufen. "Nach meiner Vorstellung muss in der nächsten Legislaturperiode eine zeitnahe Entscheidung getroffen werden", so Gröhe im Domradio. Zuletzt hatten die Koalitionäre aus Union und SPD einen Reformvorschlag der Opposition noch abgelehnt.

Erhält die Union also die Unterstützung der christlichen Wählerinnen und Wähler? Oder gehen die Parteien mit dem "C" im Namen nach 16 Jahren Angela Merkel mit wehenden Fahnen unter? An ihrer Religionspolitik dürfte es kaum liegen, auch nicht an den Kirchen, sollten Laschet und die Union einen rabenschwarzen Wahlabend erleben.

Moritz Dege

Zur Info: Dies ist der vierte Teil unserer Serie zu den Wahlprogrammen für die Bundestagswahl. Im ersten Teil ging es um die SPD, im zweiten Teil um die FDP, im dritten Teil um Bündnis 90/Die Grünen.


Armin Laschet / © Michael Kappeler (dpa)
Armin Laschet / © Michael Kappeler ( dpa )
Quelle:
DR