Vatikanischer Außenminister Gallagher besucht Butscha

"Eine wirklich schreckliche Erfahrung"

Der vatikanische Außenbeauftragte Erzbischof Paul Gallagher hat den Kiewer Vorort Butscha besucht. Dort waren Anfang April nach dem Abzug der russischen Truppen mehrere hundert Leichen gefunden worden, mutmaßlich Opfer von Massakern.

Autor/in:
Oliver Hinz
Paul Richard Gallagher / © Cristian Gennari (KNA)
Paul Richard Gallagher / © Cristian Gennari ( KNA )

Gallagher betete am Ort eines ehemaligen Massengrabs und besuchte eine orthodoxe Kirche. "Der heutige Besuch in Butscha war eine wirklich schreckliche Erfahrung, denn man sieht nicht nur Dinge, sondern man stellt sich auch Dinge vor", sagte der Erzbischof dem Nachrichtenportal "Vatican News".

Ukraine, Butscha: Zwei ukrainische Soldaten gehen auf einer Straße, die übersät ist mit zerstörten russischen Militärfahrzeugen / © Rodrigo Abd (dpa)
Ukraine, Butscha: Zwei ukrainische Soldaten gehen auf einer Straße, die übersät ist mit zerstörten russischen Militärfahrzeugen / © Rodrigo Abd ( dpa )

Man erfahre dort von Gräueltaten. Er habe sich bereits in Burundi furchtbare Massaker schildern lassen. Das könne man nicht vergessen. "Es wird lange dauern, diese Wunden zu heilen", so Gallagher. Es werde lange dauern, Vergebung zu finden und an einem Versöhnungsprozess zu arbeiten.

Bewunderung für ukrainisches Volk

Der Erzbischof drückte seine Bewunderung dafür aus, wie das ukrainische Volk trotz allen Leids und aller Rückschläge durch den Krieg versuche, seine Städte und Dörfer wiederaufzubauen.

"Sie können die Entschlossenheit der Menschen sehen, ihr Land wiederaufzubauen und zu einem Erfolg zu machen wie zuvor und noch besser als vor Beginn dieses tragischen Krieges", so der 68-Jährige.

Ukraine, Butscha: Ein Mann geht an den Überresten eines russischen Militärfahrzeugs in Bucha, nahe der ukrainischen Hauptstadt Kiew, vorbei / © Serhii Nuzhnenko (dpa)
Ukraine, Butscha: Ein Mann geht an den Überresten eines russischen Militärfahrzeugs in Bucha, nahe der ukrainischen Hauptstadt Kiew, vorbei / © Serhii Nuzhnenko ( dpa )

Gallagher besucht die Ukraine seit Mittwoch. Für Freitag stand auch eine Begegnung mit dem ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba in Kiew auf seinem Programm. Offizieller Anlass seiner Reise ist der 30. Jahrestag der diplomatischen Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und der Ukraine. Gallagher hatte den Ukraine-Besuch bereits für Anfang Mai geplant, musste ihn aber wegen einer Corona-Infektion verschieben.

Gespräch mit Kommunalpolitikern in Lwiw

Bei einem Gespräch mit Kommunalpolitikern im westukrainischen Lwiw (Lemberg) erklärte Gallagher am Donnerstag, der Vatikan setze sich für die territoriale Integrität der Ukraine ein.

Flüchtende warten am Bahnsteig des Bahnhofs in Lwiw in der Ukraine. / © Bernat Armangue/AP (dpa)
Flüchtende warten am Bahnsteig des Bahnhofs in Lwiw in der Ukraine. / © Bernat Armangue/AP ( dpa )

Wenn man das Ausmaß des Leids des ukrainischen Volkes sehe, verstehe man, dass die Betroffenen "jede Unterstützung und Solidarität unsererseits" verdienten, so der Erzbischof. Seine Reise in die Ukraine solle einen Beitrag leisten, um "die Menschen zu beruhigen". Er selbst könne versichern, "dass die Äußerungen des Papstes über die Gräueltaten, über das Leid im Land, dessen er sich bewusst ist, sehr aufrichtig sind".

Kardinal Konrad Krajewski / © Stefano Dal Pozzolo (KNA)
Kardinal Konrad Krajewski / © Stefano Dal Pozzolo ( KNA )

Gallagher ist nach dem Kurienkardinal Konrad Krajewski der zweite ranghohe Vatikanvertreter, der seit dem russischen Angriff Ende Februar nach Kiew reist. Krajewski, der das vatikanische Almosenamt leitet, brachte Mitte April einen vom Papst gespendeten Krankenwagen in die ukrainische Hauptstadt.

Vatikan bietet Verhandlungshilfe an

Bei seinem Besuch in Kiew hat Gallagher unterdessen die Hilfe des Heiligen Stuhls für Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland angeboten. Man sei weiter bereit, einen "wahren Verhandlungsprozess" zu unterstützen, der "der einzige Weg zu einer gerechten und dauerhaften Lösung" sei, sagte er am Freitag nach einer Begegnung mit dem ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba bei einer Pressekonferenz.

Mit Kuleba habe er über die Lage in der Ukraine und über Möglichkeiten zur Wiederherstellung des Friedens gesprochen, so der Vatikandiplomat.

Papstgesandter beendet Ukraine-Reise

Der vom Papst in die Ukraine gesandte Kardinal Michael Czerny hat nach drei Tagen seine Mission beendet. Wie Vatican News (Freitag) berichtete, hatte der Interimsleiter der vatikanischen Entwicklungsbehörde auf dem Rückweg aus dem ungarisch-ukrainischen Grenzgebiet am Donnerstag erneut in Budapest Halt gemacht. Dort habe er den Jesuiten-Flüchtlingsdienst, den Bahnhof Nyugati und ein Aufnahmezentrum der Malteser besucht.

Kardinal Czerny mit Ukraine-Flüchtlingen (VM)
Kardinal Czerny mit Ukraine-Flüchtlingen / ( VM )
Quelle:
KNA