Vatikanexperte deutet erstes Auftreten des neuen Papstes Leo XIV.

"Deutliches Zeichen mit Mozetta und Stola"

Nach der Papstwahl knallen im Vatikan die Sektkorken und die Welt rätselt über mögliche Botschaften des neuen Papstes. Vatikanexperte Ulrich Nersinger analysiert Symbole und Auftreten von Leo XIV. auf der Benediktionsloggia.

Papst Leo XIV., der frühere Kardinal Robert F. Prevost, winkt nach seiner Wahl zum Papst am 8. Mai 2025 der Menge auf dem Petersplatz im Vatikan / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Papst Leo XIV., der frühere Kardinal Robert F. Prevost, winkt nach seiner Wahl zum Papst am 8. Mai 2025 der Menge auf dem Petersplatz im Vatikan / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

DOMRADIO.DE: Was ist denn nach dem Konklave, der Papstwahl passiert? Gab es für die Kardinäle ein Festmahl? 

Vatikanexperte Ulrich Nersinger (EWTN)
Vatikanexperte Ulrich Nersinger / ( EWTN )

Ulrich Nersinger (Vatikanexperte, Journalist und Buchautor): Üblicherweise ist es so, dass die Kardinäle am Abend mit dem neuen Papst zusammen in Santa Marta essen. Vermutlich werden auch einige Sektkorken oder Champagnerkorken geflogen sein. An diesem Tag feiert man und das darf man auch. Vor allem bei dieser relativ schnellen Wahl gönne ich den Kardinälen einen guten Tropfen Sekt.

DOMRADIO.DE: Was sagen diese schnelle Wahl und dieser Kandidat darüber aus, was am Donnerstagabend geschehen ist? 

Nersinger: Dass man sich im Vorfeld vielleicht doch erkundigt und Gespräche geführt hat. Ansonsten ist es kaum zu erklären, dass es so schnell gegangen ist. Ich persönlich hätte gedacht, dass sich das Konklave einige Tage hinzieht.

Auf meinem Smartphone habe ich andauernd Fragen bekommen, ob ich Kardinal Prevost auf dem Schirm hatte. Da muss ich leider sagen, ich hatte ihn nicht auf dem Schirm. Bei allen möglichen Menschen habe ich eine Chance gesehen, aber ihn hatte ich nicht auf dem Schirm. 

Ulrich Nersinger

"Man wollte jemanden, der zwischen den unterschiedlichen Lagern in der Kirche versöhnen und als Pontifex, als Brückenbauer, agieren kann"

DOMRADIO.DE: Ein US-Amerikaner, der viele Jahre in Peru verbracht hat, ein Ordensmensch, ein Kurienmitarbeiter - was sagt das alles über die Wahl aus? 

Nersinger: Man wollte vor allem jemanden nehmen, der zwischen den unterschiedlichen Lagern in der Kirche versöhnen und wirklich als Pontifex, als Brückenbauer, agieren kann. Das kann ich mir gut vorstellen und das wird ihm auch nachgesagt, dass er das gut kann. Das ist eine wichtige Aufgabe, weil wir ein Auseinanderdriften innerhalb der Kirche sehen. Eine große Aufgabe für den Papst. 

DOMRADIO.DE: Was bedeutet die Namenswahl vor diesem Hintergrund? Steckt da eine Botschaft hinter? Da kann man vieles hinein interpretieren. Was denkt man bei Leo XIV.? 

Nersinger: Verschiedenes. Das könnte so etwas wie eine Verlegenheitslösung wie bei Benedikt XVI. sein, der sich auch nicht unbedingt durch seine Vorgänger vereinnahmen lassen wollte. Dann hätte er ja auch in diese Richtung sein Pontifikat leiten und führen müssen. Dann hat er Benedikt den XVI. genommen, weil Benedikt der XV. ein großer Friedenspapst war, der unglaublich viel gemacht hat, aber leider gescheitert ist. Unter den kriegsführenden Mächten des Ersten Weltkrieges gab es nur einen einzigen Politiker, einen einzigen Monarchen, der auf Benedikt XV. gehört hat, der aber selber ziemlich machtlos war. Das war Kaiser Karl von Österreich.

DOMRADIO.DE: Wie geht es denn jetzt weiter? Was sind aber die nächsten Schritte? 

Nersinger: Das muss man dem Heiligen Vater selber überlassen. Es gibt natürlich einige Sachen zu regeln. Es mussten ja bis auf einige Ausnahmen alle Chefs der römischen Dikasterien und Kurienbehörden zurücktreten. Dann wird ihn die Frage beschäftigen, ob er alle bestätigt oder doch den einen oder anderen aus einem anderen Orden oder Kongregation als Chef nimmt. In der Regel ist es so, dass man sie für eine Übergangszeit noch im Amt lässt, aber das wird sich zeigen, wie der Papst das sieht. 

Ulrich Nersinger

"Der Teppich, der vom Balkon herunterhängt, trägt normalerweise das Wappen des Vorgängers. Diesmal war es nicht der Fall".

DOMRADIO.DE: Blicken wir auf das optische Auftreten. Er trug die Mozetta, das ist sofort aufgefallen. Er hat eine lange Ansprache gehalten, die er abgelesen hat, und am Ende den Segen "Urbi et Orbi" wie sein Vorgänger Franziskus gesprochen, nicht gesungen. Was sind das für Beobachtungen? 

Nersinger: Die Kleidung war natürlich sehr wichtig. Das hat sehr viele Leute angesprochen. Nicht nur Menschen aus dem konservativen Lager, sondern auch andere, die immer ein wenig enttäuscht waren, dass Franziskus das so negiert hat.

Ohne Franziskus in irgendeiner Weise zu tadeln, aber viele haben das nicht verstanden. Es war ein deutliches Zeichen, dass Leo XIV. die Mozetta und auch eine Stola nahm, die wir auch aus früheren Pontifikaten kennen, und die auch nicht schlicht war. 

Ich denke, er hat ein anderes Verständnis von diesem Amt. Es war mutig von ihm, das zu tragen, denn es wird wahrscheinlich den einen oder anderen Widerspruch geben. Dann sind mir Kleinigkeiten aufgefallen, zum Beispiel der Teppich, der vom Balkon herunterhängt. Der trägt normalerweise das Wappen des Vorgängers, diesmal war das nicht der Fall. Diesmal trug der Teppich nur die gekreuzten Schlüssel unter der Tiara. Das fand ich auch interessant.

Ulrich Nersinger

"Ich denke nicht, dass sich Leo XIV. vereinnahmen lässt, sondern eigene Pfähle setzt, in deren Bereich er agieren will"

DOMRADIO.DE: Hat das noch der Vorgänger festlegt? Der Neugewählte hat wahrscheinlich kaum Einfluss darauf, welcher Teppich dort hängen wird, wenn er zum ersten Mal an die Öffentlichkeit tritt. Wer bestimmt das? 

Nersinger: Er hat schon Einfluss. Meistens sind es die Päpste, die sich nicht unbedingt etwas sagen lassen. Einige Ausnahmen gibt es, zum Beispiel wurde der arme Johannes Paul I. von seinem Zeremonienmeister ziemlich gegängelt. Selbst bei Johannes Paul II. hat man das versucht. Ich kann mich entsinnen, als er länger sprach als es eigentlich üblich war, hörte man ganz leise, aber deutlich ein entschiedenes und mehrfaches Basta. 

Da ist schon ein gewisser Mut vom neuen Papst gefordert. Das hat Johannes gezeigt und ich denke nicht, dass sich Leo XIV. vereinnahmen lässt, sondern selber seine Pfähle setzt, in deren Bereich er sich dann aufhalten will und agieren will.

Das Interview führten Lara Burghardt und Jan Hendrik Stens.

Der Ruf "Habemus Papam"

Wenn ein neuer Papst gewählt ist, hat der dienstälteste Kardinal aus der Klasse der Kardinaldiakone dessen Namen zu verkünden. Das geschieht mit einer weitschweifigen lateinischen Formel. Am bekanntesten sind die beiden zentralen Worte: "Habemus Papam" - "Wir haben einen (neuen) Papst"

Kardinal Jean-Louis Tauran (m.), Präsident des Päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog, verkündet am 13. März 2013 vom Balkon des Petersdoms im Vatikan feierlich das "Habemus Papam" / © Harald Oppitz (KNA)
Kardinal Jean-Louis Tauran (m.), Präsident des Päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog, verkündet am 13. März 2013 vom Balkon des Petersdoms im Vatikan feierlich das "Habemus Papam" / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR

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