DOMRADIO.DE: Was war denn Ihr erster Eindruck, als Sie den neuen Papst Leo XIV. gesehen haben und wussten, wer es sein wird?

Irme Stetter-Karp (Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken): Staunen, Erleichterung, weil er die katholische Kirche in Deutschland sehr gut kennt. Zuerst aber will ich sagen, ich gratuliere dem Heiligen Vater im Namen der organisierten Katholischen Zivilgesellschaft in unserem Land wirklich von Herzen. Ich denke, er ist ein Mann der Mitte, politisch versiert, international vernetzt. Wir können davon ausgehen und hoffen, dass er sich deutlich hinter die Öffnung stellt, die sein Vorgänger, Papst Franziskus, eingeleitet hat. Er hat klar formuliert in seiner ersten Ansprache, dass wir eine synodale Kirche sein können.
DOMRADIO.DE: Wieso kennt er Deutschland?
Stetter-Karp: Das ZdK-Präsidium war Mitte Februar im Vatikan zu Gesprächen. Unter anderem hat sich sehr kurzfristig ein Gespräch mit Kardinal Prevost vereinbaren lassen. Ich konnte nicht dabei sein, aber meine Kolleginnen und Kollegen berichteten mir, dass es ein sehr gutes Gespräch war. Er sei ein sehr informierter Gastgeber gewesen und er hat sich bestens mit dem Synodalen Weg ausgekannt, mit unseren Beschlüssen in der Synodalversammlung. Er hat sich bedankt für das Engagement in Sachen Migration, Aufarbeitung und Missbrauch. Deshalb bin ich sehr zuversichtlich, dass wir an dieses Gespräch auch anknüpfen werden können.
DOMRADIO.DE: Er hat bei seiner ersten Ansprache gesagt, er sei für eine synodale Kirche, für eine Kirche die nach vorne geht. Wie war Ihre Reaktion darauf?
Stetter-Karp: Ja, ich habe ihn als deutlich politisch positioniert wahrgenommen in diesem Moment. Seine Friedensbotschaft war sein erster markanter Satz. Er hat natürlich ein klares Zeichen gesetzt in einer Welt von Kriegen, komplexen Konflikten, wachsender Gewalt zwischen Staaten und stärker werdenden Diktatoren.
Ich denke, es braucht eine römisch-katholische Weltkirche, die zeigt, dass sie im Dienst der Menschen diplomatisch tätig sein kann. Eine Kirche, die Brücken baut, hat der frisch gewählte Papst versprochen. Genauso eine Kirche braucht die Welt. Eine, die zu vermitteln versucht und sich für die Menschen und für Frieden einsetzt.
DOMRADIO.DE: Heute vor 80 Jahren endete der Zweite Weltkrieg und was für eine Botschaft ist das, wenn dort der neue Papst von der Loge des Petersdoms über Frieden spricht und sich den Namen Leo XIV. gibt?
Stetter-Karp: Ich gehe schon davon aus, dass er das mit voller Absicht getan hat. Leo XIII. gilt als Vater der katholischen Sozialethik. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass er sich auch in diese Tradition stellt. Ich fand auch bemerkenswert, dass er aus einem Elternhaus mit mehreren kulturellen Hintergründen kommt: Französisch, Italienisch, in Chicago geboren. Das, glaube ich, ist auch eine Chance, dass er interkulturell sensibel sein wird, sein kann. Wir brauchen Menschen, die sich in Fremde, in andere Kulturen gut hineindenken können. Insofern ist das eine Chance.
DOMRADIO.DE: Nach Franziskus haben wir jetzt den zweiten Papst, der ein Ordensmensch ist. Was denken Sie, was bringen Ordensmenschen für ein Charisma mit, vielleicht auch gerade für das Papstamt?
Stetter-Karp: Mit Orden verbinde ich natürlich die spirituelle Erfahrung, das Leben in Gemeinschaft. Ich denke, kein Papst in dieser Zeit kann allein regieren, kann allein die Kirche ausrichten. Und hier eine positive Erfahrung einer christlichen Gemeinschaft, also im Zusammenleben, im Alltag mitzubringen, das halte ich für einen Schatz.
DOMRADIO.DE: Jetzt gucken wahrscheinlich auch wieder einige Journalisten auf das Äußere. Wir hatten bei Franziskus den Verzicht auf die Mozetta, auf die roten Schuhe. Jetzt haben wir heute wieder eine Mozetta gesehen. Wie haben Sie darauf geschaut?
Stetter-Karp: Ich fand es bemerkenswert, wie Papst Franziskus aus seiner Lebensgeschichte heraus die Bescheidenheit als Stil gesetzt hat. Nicht äußerlich, sondern es war ihm ganz eigen und redlich und glaubwürdig. Aber jede Persönlichkeit, jeder Papst hat ein Recht, seinen eigenen Weg zu finden und zu suchen. Erst mal schaue ich da überhaupt nicht drauf, sondern ich bin guter Hoffnung und Erwartung, dass er zeigen wird, was ihn ausmacht. Da will ich auch zurückhalten sein, ihn jetzt schon zu schnell in dieser oder jener Hinsicht zu beurteilen.
Das Interview führte Johannes Schröer.