Vatikan ringt um Straftatbestand des "geistlichen Missbrauchs"

Bisher nicht definiert

In der Kirche ist oft die Rede von "geistlichem Missbrauch". Betroffen sind Erwachsene, die sich von Geistlichen manipuliert und ausgenutzt fühlen. Kirchliche Strafen dafür gibt es bislang kaum, daran arbeitet jetzt der Vatikan.

Kuppel des Petersdoms / © Severina Bartonitschek (KNA)
Kuppel des Petersdoms / © Severina Bartonitschek ( KNA )

Der Vatikan ringt weiter um eine gerichtsfeste Definition für den neuen Straftatbestand des geistlichen Missbrauchs. Der Leiter der vatikanischen Glaubensbehörde, Kardinal Victor Fernández, gab dazu jetzt in einem Interview der spanischen Kirchenzeitung "Alfa y Omega" neue Informationen.

Kardinal Victor Manuel Fernandez / © Paolo Galosi/Romano Siciliani (KNA)
Kardinal Victor Manuel Fernandez / © Paolo Galosi/Romano Siciliani ( KNA )

Im November hatte der Vatikan die Schaffung einer Arbeitsgruppe von Theologen und Kirchenrechtlern unter Leitung des Präfekten der Behörde für die Gesetzestexte, Erzbischof Filippo Iannone, mitgeteilt. Sie soll einen kirchenrechtlichen Straftatbestand für geistlichen Missbrauch und "falschen Mystizismus" ausarbeiten.

Wie Fernández jetzt erklärte, geht es dabei unter anderem um Fälle der Manipulation von Menschen, die sich einem geistlichen Führer anvertrauen, und oft auch um eine Manipulation des Glaubens, "um Sex zu bekommen".

Rechtliche Grauzone

Eine Änderung des Kirchenrechts sei nötig, weil es noch keinen klar definierten Straftatbestand für solche Fälle gebe. Bislang sei oft Canon 1399 des Kirchenrechts angewandt worden. Er lässt Bestrafungen auch bei nicht klar festgelegten Straftatbeständen zu, wenn die Schwere der Rechtsverletzung eine Bestrafung erfordert.

Diese Bestimmung wurde von Kirchenrechtlern kritisiert, weil sie dem Grundsatz "keine Strafe ohne Gesetz" widerspricht. Fernández bezeichnete es als "nicht günstig", sich bei Urteilen auf eine derart allgemeine Bestimmung zu stützen.

Der Kardinal gab in dem Interview zu bedenken, dass es auch falsche Anschuldigungen geistlichen Missbrauchs geben könne. Daher müssten solche Vorwürfe in einem kirchenrechtlichen Prozess geklärt werden. Ferner müsse es eine Möglichkeit zur Überprüfung von Urteilen in weiteren Instanzen geben, um mögliche Fehlurteile zu revidieren.

Auswertung von Präzedenzfällen

Er erklärte, die Arbeitsgruppe werte derzeit Präzedenzfälle aus. Sie wolle herausfinden, ob bestehende Normen diese Situationen abdecken oder ob ein neuer Straftatbestand geschaffen werden müsse. Bislang war vermutet worden, dass "falscher Mystizismus" als neuer Straftatbestand formuliert werden solle. Nach Meinung des Kardinals ist dieser Begriff aber wenig geeignet, da er in der Kirche bereits für andere Sachverhalte benutzt werde, etwa bei umstrittenen Marienerscheinungen.

In den vergangenen Jahren gab es etliche Vorwürfe geistlichen Missbrauchs gegen Priester und andere religiöse Führer. Es geht darum, dass sie Menschen, meist Frauen, unter religiösen Vorwänden manipuliert und manchmal auch zu sexuellen Handlungen verführt hätten. Im katholischen Kirchenrecht gibt es bislang Straftatbestände für sexuelle Handlungen von Klerikern mit Minderjährigen und Behinderten sowie für sexuelle Verführung im Rahmen der Beichte.

Geistlicher Missbrauch

Geistlicher Missbrauch ist ein bisher nicht klar definierter Sammelbegriff. Meist geht es um Missbrauch geistlicher Autorität oder Machtmissbrauch im religiös-spirituellen Zusammenhang. Gemeint ist, dass Personen aus Seelsorge, Religionsunterricht, geistlicher Begleitung oder Verantwortliche in Kirchen, Orden und geistlichen Gemeinschaften andere Menschen manipulieren und sie ausnutzen - vermeintlich im Namen Gottes oder der Religion.

Symbolbild Missbrauch / © 271 EAK MOTO (shutterstock)
Quelle:
KNA