Ist der Päpstliche Rat für Gesetzestexte eine Art vatikanisches Justizministerium?
Ja, seit der Kurienreform heißt dieser nun Dikasterium für die Gesetzestexte. Einerseits ist es das vatikanische Justizministerium. Das heißt, dort werden in der Regel die Gesetze gemacht, die für die Weltkirche gelten, nicht für den Vatikanstaat - das macht wiederum eine eigene Abteilung. Andererseits ist das Dikasterium eine Art Kassationsgericht, da es auch zu unseren Zuständigkeiten gehört, zu überprüfen, ob die Gesetzgebung vor Ort der allgemeinen Gesetzgebung der Kirche entspricht.
Das kann auf zwei Arten erfolgen. Einmal, wenn Bischofskonferenzen die sogenannte Rekognitio für ihre Texte erbitten. Dann schickt das zuständige Dikasterium, das ist entweder das Dikasterium für die Bischöfe oder das Dikasterium für die Evangelisierung, die Texte erst für eine rechtliche Prüfung zu uns. Wenn das Dikasterium dann das Okay gibt, erteilen diese die Rekonitio. Sie sorgen dafür, dass die Rechtsprechung und die Rechtssetzung in der Kirche möglichst einheitlich bleiben.
Ist das Dikasterium für das Kirchenrecht der römisch-katholischen Kirche, für den CIC, zuständig?
Ja, und für den CCEO, also für das Recht der Ostkirche. Nach dem Konzil war geplant, dass man zunächst einmal ein Grundgesetz der Kirche herausgibt, die sogenannte Lex Ecclesiae Fundamentalis. Die hätte allgemeine Normen enthalten, was die Gläubigen, die Hierarchie und was gemeinsame Punkte angeht.
Dann hat man sich aber dagegen entschieden und gesagt, dass beide Codices alle Normen enthalten müssen. 1983 hat man zunächst den Kodex für die lateinische Kirche, den CIC, promulgiert und dann 1990 den CCEO für die katholischen Ostkirchen. Das sind diese unierten Kirchen, die von der Orthodoxie wieder unter den Gehorsam gegenüber dem Papst zurückgekehrt sind.
Für beide ist das Dikasterium zuständig. Aufgrund der Größe macht der CIC die meisten Teile unserer Arbeit aus und nicht der Ostkirchenkodex.
Wo kommt die Vatikanbehörde für Gesetzestexte historisch her?
Historisch ist das Dikasterium für Gesetzestexte über einhundert Jahre alt. Gegründet wurde es als Kommission seinerzeit für die authentische Auslegung des 17er-Kodex. Es gab Fragen, es gab Zweifel und da gab es die Kommission für die Interpretation. Dort ist auch das ganze Archiv noch. Das ist ganz spannend, wie die damals zu ihren authentischen Auslegungen kamen, die dann wieder Gesetzeskraft haben.
Dann wurde die Kommission mit der Revision des Kodex betraut. 1983 wurde sie wieder zu einer Kommission zur authentischen Interpretation. Mit der Kurienreform von 1988 in Pastor Bonus wurde es zu einem päpstlichen Rat mit der Aufgabe der Interpretation des Gesetzes.
2000 wurde es dann zunächst Rat für die Gesetzestexte und jetzt eben Dikasterium für die Gesetzestexte. Es ist mit zwei anderen Räten die Einzigen, die die Kurienreform überlebt haben. Alle anderen Räte wurden irgendwo zusammengefügt oder mit anderen Dikasterien verbunden.
Gesetzgeber und Richter in einem – klingt nicht nach Gewaltenteilung?
Gesetzgeber ist das Dikasterium für Gesetzestexte in dem Sinne nicht, dass das, was an Gesetzen vom Papst herauskommt, promulgiert wird. Es schlägt nur die Texte vor. Von daher geht das noch. Aber ja, Gewaltenteilung in der Kirche ist ein schwieriges Thema. Das gibt es eben nicht im Vollmaß, wie man es aus anderen Staaten gewohnt ist.
Wie ist die Behörde aufgebaut?
Die ist wie bei jedem anderen Dikasterium. Es gibt hier vor Ort den Präfekten, den Sekretär, den Untersekretär und dann die Mitarbeiter. Dann hat das Dikasterium für Gesetzestexte die Mitglieder, also Kardinäle und einen Bischof, die meiner Erfahrung nach alle zwei bis drei Jahre zusammenkommen, um wichtige Fragen zu entscheiden. Dann gibt es die sogenannten Konsultoren, das sind weltweit Kirchenrechtsprofessoren, die das Dikasterium konsultiert, wenn die Fragestellungen besondere Schwierigkeiten beinhalten.
Kommt die Gesetzesinitiative nur vom Papst oder auch von andere Stelle?
Das kann ganz verschieden sein: Auf der einen Seite gibt es Aufträge des Papstes, wie die Reform des Strafrechts. Das war ein Auftrag vom Papst Benedikt, dann verschiedene einzelne Interventi, die Papst Franziskus angeregt hat. Die können auch von einem anderen Dikasterium kommen.
Sie kann sich aber auch durch Anfragen von Gläubigen ergeben. Gerade gibt es eine Anfrage im Hinblick auf die Gültigkeit einer Taufe, die gegen den Willen der Eltern gespendet wurde. Da gab es in Italien vor zwei Jahren diesen Film über Mortara, einen getauften Juden. Da kam diese Frage auf. Die ist noch nicht entschieden, weil das das Dikasterium für Gesetzestexte nicht allein entscheiden kann. Da muss auch das Dikasterium für die Glaubenslehre mitreden.
Anregungen können von ganz verschiedenen kommen: entweder aus den Dikasterien, vom Papst selbst, was meistens der Fall ist, oder nach dem neuen Praedicate Evangelium, hätte das Dikasterium auch die Möglichkeit, dem Papst zu sagen, was verbessert oder neu gemacht werden müsste.
Seit langem gibt es wieder einen Papst, der vom Kirchenrecht kommt. Merkt man da einen Unterschied?
Bisher noch nicht. Der Präfekt war mal bei ihm in Audienz, aber das Dikasterium für Gesetzestexte hat noch keine konkreten Aufgaben erhalten. Es ist natürlich gut, dass er auch Ahnung vom Kirchenrecht hat. Ich freue mich jetzt im Sommer darauf, seine Doktorarbeit zu lesen. Die hat mir jemand besorgt.
Ich bin gespannt, was da geschrieben wurde. Das war ziemlich zu Beginn des neuen Codex. Dass er da sensibel ist, das ist klar. Er hat ja auch zuvor mit uns über verschiedene Gesetzesvorhaben der Bischofskonferenzen korrespondiert.
Was sind im Moment die wichtigsten Baustellen in Dikasterium?
Verschiedene: Es gab die Reform des Strafrechtes, da versucht das Dikasterium für Gesetzestexte ein Handbuch zu machen, aus dem klar wird, wie es umgesetzt wird. Dann sind es die neuen Herausforderungen an das Recht, die sich aus den Datenschutzrichtlinien ergeben.
Aber auch Fragen, wenn trans Menschen und homosexuelle Paare ihre Kinder zur Taufe anmelden. Dann gibt es verschiedene Fragen im Hinblick auf diese Erlaubnis im Ordensrecht, die Papst Franziskus gegeben hat, dass Ordensbrüder Direktoren, Hausleiter oder Provinziale werden können.
Auch dazu bekommt das Dikasterium für Gesetzestexte Rückfragen. Zudem versuchet es das Familienrecht etwas zu fördern, das ein bisschen verstreut im Kodex ist. Das wäre gut, das einmal zu bündeln und an einer Stelle zu haben.