Vatikan-Experte wittert düstere Umtriebe

Ist da etwas faul im Staate Vatikan?

Ein verschwunden geglaubter und nun inhaftierter Ex-Kommandant der Päpstlichen Schweizergarde, ein abgehörtes Telefonat von Franziskus: Ist da etwas faul im Staate Vatikan? Der Journalist Ulrich Nersinger vermutet düstere Umtriebe.

Kuppel des Petersdoms vor dunklen Wolken / © dade72 (shutterstock)
Kuppel des Petersdoms vor dunklen Wolken / © dade72 ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Über wen reden wir da? Wer ist Daniel Anrig, der erst verschwunden schien und nun in der Schweiz inhaftiert wurde? Und was hat der mit dem Vatikan und Papst Franziskus zu tun?

Ulrich Nersinger (Journalist, Vatikan-Experte und Autor): Daniel Anrig war der 34. Kommandant der Päpstlichen Schweizergarde, und zwar von 2008 bis zur Jahreswende 2014/15. Er war meiner Meinung nach ein sehr effizienter, effektiver Kommandant, der fachlich sehr kompetent und integer war, der dann aber abgelöst wurde. Keiner weiß eigentlich wieso. Genauso wie der Generalinspekteur der Gendamerie dann später abgelöst wurde.

Das sind Ablösungen gewesen, bei denen man damals schon ein Intrigenspiel vermutet hat, weil beide sehr gute Leiter ihrer jeweiligen Sicherheitseinrichtungen waren. Man hat damals schon gesagt, dass diese Leute vielleicht Sachen auf die Spur gekommen oder Leuten zu nahgekommen sind. Da ist dieses seltsame Intrigenspiel schon entstanden.

Ulrich Nersinger trifft Franziskus / © ptivat
Ulrich Nersinger trifft Franziskus / © ptivat

DOMRADIO.DE: Mitglied der Schweizergarde zu sein, gilt als große Ehre und ist für die Schweiz auch ein wichtiges Aushängeschild. So hieß es zumindest bislang. Bröckelt dieses Bild?

Nersinger: Nein, ganz und gar nicht. Denn diese Sache betrifft eigentlich gar nicht die Schweizergarde, denn der Ex-Kommandant ist schon seit langem nicht mehr da.

Ich denke, man kann auch darüber kein Urteil fällen. Dafür fehlen uns die nötigen Hintergrundinformationen. Was ich aber bei dieser Berichterstattung verspüre, ist ein sehr bitterer und sehr seltsamer Beigeschmack.

Man muss sich vor Augen halten, dass es in den letzten Wochen und Monaten darum ging, dass die Schweizerische Eidgenossenschaft, das heißt der Bund und die einzelnen Kantone, darüber zu entscheiden hatten, welchen finanziellen Beitrag sie für den Neubau der Kaserne der Päpstlichen Schweizergarde zahlen sollten. Solche Entscheidungen liegen in gewissen Gremien in den Kantonen. Eine Volksabstimmung lehnte die Zahlungen ab.

Da kommt schon der Verdacht auf, dass da vielleicht von gewissen Kräften agiert wird, die der Kirche nicht so freundlich gesinnt sind und weitere Zahlungen unter Umständen verhindern wollen. Was unverständlich ist, denn die Schweizergarde ist eigentlich das beste Aushängeschild für die Schweiz.

DOMRADIO.DE: Sie meinen, dass man im Grunde über eine Kampagne versucht, diese Zahlungen nicht leisten zu müssen, die die Kantone für die Schweizergarde investieren?

Ulrich Nersinger, Vatikan-Experte

"Der Vatikan ist ja nicht ein Himmel auf Erden."

Nersinger: Ja, dieser Eindruck drängt sich auf. Es ist natürlich in gewisser Weise Spekulation. Aber das liegt zeitlich so nahe beieinander. Und die Vorwürfe betreffen eigentlich nicht direkt die Schweizergarde.

DOMRADIO.DE: Skandale im Vatikan ziehen immer eine besondere Aufmerksamkeit auf sich. Da gab es auch schon mal mehr mit der Schweizergarde.

Nersinger: Ja, es gab vor einiger Zeit einen Mord. Ein junger Schweizergardist hatte damals den Kommandanten und dessen Ehefrau erschossen. Das war natürlich eine tragische Sache. Auch in den 1950er Jahren gab es mal Angriffe gegen einen Kommandanten. Aber in jeder Einrichtung in der Welt passieren solche tragischen Vorfälle. Man muss sich immer vor Augen halten, dass der Vatikan ja nicht ein Himmel auf Erden ist.

DOMRADIO.DE: Im Vatikan heizt im Moment auch noch etwas ganz anderes die Gemüter auf. Es geht um ein mitgeschnittenes, vertrauliches Telefonat mit dem Papst.

Nersinger: Da sehe ich einen wirklichen Skandal. Seit gestern kann man auf den Internetportalen italienischer Zeitungen diesen Mitschnitt hören. Was an sich schon ein Unding ist! Das ist bei dem Prozess gegen einen ehemaligen päpstlichen Substituten im Staatssekretariat und Kardinal Angelo Becciu geschehen.

Das ist ein Verhalten, das unglaublich ist. Das zeigt, dass in gewissen Bereichen, gerade was die finanziellen Angelegenheiten im Vatikan angeht, doch ein großes Chaos herrscht, aber auch Sachen auftauchen, die einen hohen Grad von krimineller Energie aufweisen.

Das wirft ein Licht auf den Vatikan, das eigentlich niemand haben möchte. Mir sagte gestern noch jemand, der in einer Kongregation des Heiligen Stuhls arbeitet, er möchte nicht, dass der Vatikan in den Verdacht kommt, eine Bananenrepublik zu werden. Dem gelte es entgegenzuwirken.

Das Interview führte Tobias Fricke.

Schweizergarde

Die Schweizergarde ist die militärische Schutztruppe der Päpste. Hauptaufgabe der Garde mit ihrer Sollstärke von künftig 135 Mann ist, über die Sicherheit der Person und der Residenz des katholischen Kirchenoberhaupts zu wachen. Zudem begleiten Gardisten den Papst auf Reisen, kontrollieren die Eingänge zum Vatikanstaat und nehmen Ordnungs- und Ehrendienste wahr. Während ihrer mindestens 26-monatigen Dienstzeit sind die Gardisten Bürger des Vatikanstaates. 

Schweizergardisten / © Stefano dal Pozzolo/Romano Siciliani (KNA)
Schweizergardisten / © Stefano dal Pozzolo/Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
DR