DOMRADIO.DE: Papst Leo XIV. war bei seinem Auftritt nicht ganz in Weiß gekleidet, sondern trug auch einen roten Umhang, eine Mozzetta, um die Schultern. Was signalisiert die Kleidung des Papstes?
Ulrich Nersinger (Journalist und Vatikan-Experte): Wir müssen da ein wenig mit der üblichen Definition der Kleidung des Papstes aufräumen. Wenn Domherren, Bischöfe und Kardinäle eine Mozzetta tragen, sprechen wir oft davon, dass sie „Chorkleidung“ tragen. Streng genommen ist die Mozzetta jedoch kein liturgisches Gewandstück, sondern ein Würdenzeichen. Es soll eine bestimmte Autorität vermitteln. Das ist auch bei der roten Mozzetta des Papstes der Fall: Sie betont seine Rolle in der Kirche.
Dies soll aber kein überhebliches Auftreten den Gästen gegenüber sein, sondern eher eine Wertschätzung der Besucher. Man will so vermitteln, dass sie in einem bestimmten feierlichen Rahmen empfangen werden. In den 1950er Jahren wurde einmal ein Kardinal darauf angesprochen, ob es nicht eine Beleidigung der Besucher sei, wenn die Kardinäle so prachtvolle Gewänder trügen. Er antwortete, dass es vielmehr das Gegenteil, eine Ehrung der Besucher, sei.
DOMRADIO.DE: Welche Rolle spielt der Ort, an dem der Papst seine Gäste empfängt?
Nersinger: Normalerweise ist das der Apostolische Palast und die Prachträume, die Privaträume des Heiligen Vaters. Es gibt auch Gelegenheiten, an denen der Papst einen anderen Ort wählt. Das muss aber keine Geringschätzung bedeuten. Bei Papst Franziskus haben wir es gesehen: Das kann mit einer Krankheit zusammenhängen oder auch mit dem Zeitplan. Dann findet ein Treffen schon mal in einem Audienzraum bei der vatikanischen Audienzhalle statt, so wie bei der englischen Königin, als sie das letzte Mal im Vatikan war. Das hat weniger mit irgendwelchen diplomatischen Gegebenheiten zu tun – da sollte man vorsichtig mit Spekulationen sein – sondern damit, dass man einen gewissen Zeitplan verfolgen muss oder dem Papst keine weiten Strecken mehr zutrauen möchte. Das Protokoll im Vatikan hat sich teilweise geändert und wird nicht mehr so streng durchgeführt wie früher.
DOMRADIO.DE: Und wie ist das mit der Dauer der Gespräche? Kann man zum Beispiel eine Bedeutung daraus ableiten, wenn jemand 45 Minuten lang mit dem Papst gesprochen hat?
Nersinger: Auch da würde ich mit Interpretationen vorsichtig sein. Natürlich kann es bedeutsame Themen geben, die man erörtern muss. Ein aktuelles Beispiel ist das Gespräch mit dem Palästinenser-Präsidenten oder mit dem israelischen Staatspräsidenten. Es ist klar, dass so ein Gespräch unter Umständen länger dauern kann – aber das muss auch nicht unbedingt sein. Manchmal entstehen lange Gespräche auch spontan, oder aus persönlichem Interesse heraus. Ich würde raten, nicht allzu viel hineinzuinterpretieren, aber natürlich ist es im Grunde so, je länger ein Besuch ist, desto bedeutsamer scheint das Gespräch zu sein.
DOMRADIO.DE: Gab es Situationen, in denen das Zeremoniell und die Wünsche der Gäste kollidiert sind?
Nersinger: Ja, das gab es – und es waren fast immer amerikanische Präsidenten; und zwar nicht der jetzige, sondern seine Vorgänger. Präsident Nixon etwa wollte mit dem Hubschrauber im Damasus-Hof landen. Das hat man damals untersagt, weil man Angst hatte, die Verglasungen im Apostolischen Palast würden das nicht aushalten. Man hat ihm aber zugestanden, auf dem Petersplatz zu landen – was auch außergewöhnlich ist. Und dann haben die amerikanischen Präsidenten in der Regel immer darauf geachtet, dass in den verschiedenen Sälen, die man auf dem Weg zum Papst durchschreitet, amerikanische Besucher aufgestellt wurden, zum Beispiel die Studenten des amerikanischen Priesterseminars in Rom. Damit wurde schon "Stimmung" gemacht und auch sehr große Pressedelegationen hingeschickt.
Und dann gab es natürlich auch immer wieder kleine Fauxpas, auch mal von vatikanischer Seite. Bei dem Besuch von Präsident Carter trug seine Frau etwa ein Kopftuch, anstelle eines besonderen Hutes, und ein päpstlicher Angestellter schrieb darüber, dass sie wie eine Bäuerin ausgesehen habe, die auf dem Feld gerade das Heu mäht. Das ist natürlich auch nicht gut angekommen.
Solche kleinen und größeren Fauxpas sind in der Geschichte immer wieder vorgekommen.
DOMRADIO.DE: Was ist Ihnen bei dem Besuch von Mahmoud Abbas, dem Palästinenser Präsident, aufgefallen?
Nersinger: Mir ist aufgefallen, dass bei Vatican News, der Nachrichtenseite des Vatikans, ein sehr langer Film über den Besuch des Präsidenten zu sehen war. Ich denke, dieser Besuch war insoweit wichtig, da er der Friedensdiplomatie des Heiligen Stuhls dient.
Das Interview führte Lara Burghardt.