DOMRADIO.DE: Bei einer Vatikan-Apotheke denkt man direkt an einen historischen Ort und an mit Holz vertäfelte Wände und Fresken an der Decke. Kann man sich die Apotheke so vorstellen?
Ulrich Nersinger (Vatikanexperte und Autor): So war sie einmal, aber heute ist sie eine äußerst moderne Apotheke. Nicht nur die Einrichtung, auch was sich dahinter abspielt: Die Medikamente werden teilweise mit Robotern ausgesucht und sortiert. Es ist also eine hochmoderne "Farmacia Vaticana". Ich würde sagen, dass sie den Ansprüchen, die man an eine normale Apotheke hat, mindestens entspricht – oder sogar darüber hinausgeht.
DOMRADIO.DE: Wer betreibt diese Apotheke?
Nersinger: Die Fatebenefratelli führen die Apotheke. Das ist ein Brüderorden, der sich im Besonderen auf die Sorge um die Kranken spezialisiert hat und viel mit der Krankenpflege und der Krankenversorgung zu tun hat. Der Orden führt die Apotheke seit dem Ende des alten Kirchenstaates (um 1870).
DOMRADIO.DE: Was unterscheidet die Vatikan-Apotheke von anderen?
Nersinger: Zunächst einmal sind die meisten Medikamente weitaus preiswerter als in Italien, weil der Vatikan darauf keine Steuern erhebt. Das macht die Apotheke natürlich besonders attraktiv. Ein weiterer Vorteil ist, dass sie Medikamente führt, die man in Italien nicht bekommt. Da der Vatikan ein eigener Staat ist, sind die Bedingungen für den Medikamentenhandel andere als in Italien.
DOMRADIO.DE: Werden die Produkte von den Ordensbrüdern selbst hergestellt?
Nersinger: Der Großteil gehört zu dem Sortiment, das jede Apotheke in der Regel besitzt. Aber es gibt einen kleinen Anteil von Medikamenten, den sie selbst herstellen. Es gibt bestimmte Kräuteressenzen oder Mittel, die man eher in der Naturheilkunde anzusiedeln geneigt ist. Aber der Großteil der Medikamente ist natürlich das, was man auch in anderen Apotheken bekommt.
DOMRADIO.DE: Inwieweit passen denn Ihrer Meinung nach Produkte wie Anti-Aging-Seren zum Vatikan?
Nersinger: Das ist natürlich momentan ein heiß diskutiertes Thema, aber ich denke, das passt durchaus. Natürlich kann man bei dem einen oder anderen Produkt sagen, dass es nur ein Kosmetikmittel ist, das wahrscheinlich ein wenig dem Zeitgeist huldigt. Und man kann hinterfragen, ob das sein muss. Ich finde aber, man darf die Medikamenten-Palette ruhig groß halten. Nur sollte die Vatikan-Apotheke keine Produkte verkaufen, die Ärgernis erregen. Zum Beispiel ein rein kommerzielles Mittel, das ein Publikum bedient, das eine medizinische Versorgung oder normale kosmetische Behandlung nicht unbedingt nötig hat (z. B."Abnehmspritzen").
DOMRADIO.DE: Sie haben sich das Online-Angebot selbst angeguckt – gibt es etwas, was Sie sich bestellen würden?
Nersinger: An dem einen oder anderen Rasierwasser könnte ich schon Interesse haben. Aber das zu bekommen, ist momentan schwierig, da man in der Apotheke nicht online bestellen kann und vor Ort einkaufen müsste. Man vergisst allzu schnell, dass der Vatikanstaat nicht zum Wirtschaftsbereich der EU gehört und dass es Zollbestimmungen gibt. Das heißt, wenn ich ein Produkt aus dem Vatikan bestelle, muss ich damit rechnen, dass ich es verzollen muss.
Vor längerer Zeit wollte ich zum Beispiel zwei Bücher aus der vatikanischen Verlagsbuchhandlung haben, die mit der Vatikanpost geschickt wurden. Das Paket landete auf dem Zollamt und ich wäre gezwungen gewesen, die Bücher dort abzuholen und Zollgebühren zu bezahlen. Man muss also bedenken, dass auch Deutschland, Österreich und die Schweiz mittlerweile Zoll auf Bestellungen aus dem Vatikan erheben. Das könnte einer der Gründe sein, warum man noch keinen Onlineversand eingeführt hat.
Das Interview führte Tim Helssen.