DOMRADIO.DE: US-Vizepräsident JD Vance wird am Karfreitag im Vatikan erwartet. Gemeinsam mit Donald Trump steht er für eine Politik, die vielen Grundüberzeugungen des Vatikans und der katholischen Kirche widerspricht, vor allem im Blick auf Flucht und Migration. Was ist von diesem Treffen zu erwarten?

Christopher White (Rom-Korrespondent des US-Magazins „National Catholic Reporter“): Die Trump-Regierung und das Franziskus-Pontifikat stehen sich in vielen Ansichten diametral gegenüber. In den vergangenen Jahren ist Papst Franziskus zum obersten Anwalt der Flüchtlinge und Migranten in aller Welt geworden. Donald Trump auf der anderen Seite wird von vielen als ihr größter Gegner angesehen. Das Thema Migration ist für ihn eine politische Waffe. Es ist kaum möglich, zwei Personen oder Regierungen zu finden, die in dieser Frage weiter auseinander stehen. Es gibt also große Spannungspunkte, wenn Vance den Vatikan besucht.
Auf der anderen Seite muss man sagen, dass der Vatikan sich bei allen Politikern und Regierungschefs, die zu Besuch kommen, politisch immer sehr bedeckt hält. Die gemeinsame Zeit wird nicht für große Diskussionen genutzt, sondern um für die Nächstenliebe und das Gemeinwohl in aller Welt einzutreten. Wir können also erwarten, dass zumindest hinter verschlossenen Türen durchaus deutlich darauf hingewiesen wird, dass die USA einen anderen Ansatz in der Migrationspolitik einschlagen sollte. Konkret wird es um die angekündigten Massenabschiebungen gehen, aber auch um die Rhetorik, die Trump und seine Regierung im Blick auf Flüchtlinge und Migranten verwenden.
Darüber hinaus wird man aber sicher auch versuchen, gemeinsame Punkte zu finden, wo der Vatikan und die US-Regierung Ansichten teilen. Ich würde persönlich sagen, dass es da sicher nicht viele gibt, aber man wird bestimmt versuchen, auf Aspekte wie Lebensschutz oder Christenverfolgung hinzuwirken, vielleicht auch das Thema Menschenhandel. Die Gemeinsamkeiten sind aber in der Tat sehr überschaubar.
DOMRADIO.DE: Vance ist bekennend katholisch. Er ist im Erwachsenenalter konvertiert. Viele fragen sich, wie man als Katholik, der seine Religiosität so offen nach außen trägt, eine solche Politik vertreten kann, die der Kirche und dem Vatikan in so vielen Punkten widerspricht.
White: Vizepräsident Vance findet sich an dieser Stelle in der Tat in einer sehr schwierigen Position. Sein Chef und auch seine politische Basis sind in der Migrationsdebatte sehr kritisch unterwegs. Er selbst hat diese Ansichten gespiegelt, obwohl seine Kirche dem deutliche entgegensteht.
Im größeren Kontext muss man aber sagen, dass katholische Politiker in den USA schon immer versucht haben, für sich Ausnahmen von der Regel zu finden, wenn es um die Vereinbarkeit von Religion und Politik geht. Denken wir an Joe Biden, der beim Thema Abtreibung öffentlich mit Überzeugung die liberale Linie seiner Partei vertreten hat, aber auch immer betont hat, dass er das Thema als Katholik persönlich anders bewertet.
Was Vance da aber unterscheidet, ist, dass er explizit versucht, katholische Theologie zu verwenden, um seine politische Position im Bereich Migration zu begründen. Er spricht von einer "Hierarchie der Nächstenliebe" und sagt, dass es wichtiger sei, Familie und Umfeld zu schützen und zu achten, als Migranten aus einem fernen Land zu schützen. Papst Franziskus hat dem explizit und deutlich widersprochen. So haben es übrigens auch viele US-Bischöfe getan. Aus diesem Grund mögen die Spannungen bei diesem Besuch etwas deutlicher zutage treten als bei der Vorgängerregierung von Joe Biden. Da gab es auch Meinungsverschiedenheiten, aber Biden hat nicht versucht, seine kirchenfernen Positionen theologisch zu begründen.
DOMRADIO.DE: Gerade die Position der US-Bischofskonferenz ist an dieser Stelle sehr interessant. Traditionell steht die der republikanischen Partei von Donald Trump sehr nahe. Wir erinnern uns an den Vorschlag, Joe Biden die Kommunion zu verwehren, weil er im Konflikt mit der katholischen Lehre stehe. Beim Thema Migration nehmen die Bischöfe nun einen deutlichen Standpunkt gegen die Regierung der Republikaner ein. Sitzen die Bischöfe da zwischen den Stühlen?
White: Man könnte tatsächlich sagen, dass die sehr strenge Migrationspolitik die US-Bischöfe vereint. Historisch gab es sehr viele Spannungen auch innerhalb der Konferenz. Die Angriffe und die Rhetorik der Regierung sind aber so deutlich und auch so persönlich, dass man das nicht ignorieren kann.
Vizepräsident Vance hat explizit davon gesprochen, dass sich die US-Kirche nur in der Flüchtlingsarbeit engagiert, um finanziell Gewinn zu erwirtschaften. Das ist natürlich Unsinn. Die Kirche gibt viel mehr für Flüchtlingshilfe aus, als sie im Gegenzug an Fördermitteln der Regierung erhält. Dieser sehr persönliche Angriff hat die Bischöfe zusammengeschweißt wie noch nie zuvor. Trump und Vance haben die Arbeit der Kirche mit ihrer Rhetorik um einiges schwerer gemacht.
DOMRADIO.DE: Nun kann man sagen, dass die US-Politik im Moment durchaus volatil ist. Zölle werden verhängt und Tage später aufgehoben. Regierungsbeamte werden gefeuert und wieder eingestellt. Könnte der Besuch von Vance im Vatikan ähnliche Auswirkungen auf die Migrationspolitik der Trump-Regierung haben?
White: Ich erwarte keinen Wandel der Regierungspolitik nach diesem Besuch. Das wäre zu weit gedacht. Ich glaube, dass der Vatikan am ehesten darauf hoffen kann, Vance endgültig in seiner "Hierarchie der Nächstenliebe" zu korrigieren und diese richtigzustellen. Vielleicht schaffen die Kirchenvertreter es, ein wenig Menschlichkeit in die Flüchtlingsdebatte zu bringen.
Den größten Einfluss, den die US-Bischöfe bei diesem Thema bis jetzt hatten, ging nicht von irgendwelchen politischen Positionierungen aus. Es war der simple Hinweis an die Sonntagskatholiken, sich in den Kirchenbänken umzuschauen, von wo die Gemeindemitglieder in die USA eingewandert sind. Wie viele Migranten leben in den Gemeinden? Das sind alles eure Schwestern und Brüder und Nachbarn. Dieser Debatte ein menschliches Gesicht zu geben, wäre der größte Erfolg, den der Vatikan mit diesem Treffen erreichen kann.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.