Theologin ordnet Urteil zu Pastor Latzel ein

"Verstehe Enttäuschung nach Freispruch"

Nach dem Freispruch für den Bremer Pastor Olaf Latzel war die Enttäuschung in der queeren Community groß. Die evangelische Theologin Isolde Karle, die selbst im Prozess als Gutachterin aussagte, hat dafür Verständnis.

Homosexuelles Paar mit Regenbogenfahne / © Angyalosi Beata (shutterstock)
Homosexuelles Paar mit Regenbogenfahne / © Angyalosi Beata ( shutterstock )

Die Bochumer Theologin Isolde Karle hat Verständnis dafür, dass sich queere Menschen in der Kirche nach dem Freispruch des Bremer Pastors Olaf Latzel diskriminiert fühlen.

Olaf Latzel (l.) im Gerichtssaal / © Kay Michalak (epd)
Olaf Latzel (l.) im Gerichtssaal / © Kay Michalak ( epd )

Für sie sei der Freispruch zwar keine Überraschung gewesen, aber sie könne verstehen, wenn sich homosexuelle Menschen durch das Urteil doppelt diskriminiert fühlten: zum einen durch die extrem homo-feindlichen Äußerungen des evangelischen Pastors, zum anderen durch den Freispruch im Berufungsverfahren vor dem Bremer Landgericht, sagte Karle dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das Urteil bestärke alle, die Homosexualität als Sünde verstünden und Homosexuelle diffamierten.

Anklage wegen Volksverhetzung

Die evangelische Theologin war im Prozess als Gutachterin gehört worden, war aber durch einen Antrag durch Latzels Verteidiger später für befangen erklärt worden. Der Pastor war vor dem Bremer Landgericht wegen Volksverhetzung angeklagt, weil er sich in einem Seminar für Gemeindemitglieder abwertend über Homosexuelle und Transpersonen geäußert hatte.

Es war schon der zweite Prozess in dieser Sache. Das Amtsgericht Bremen hatte Latzel 2020 wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe in Höhe von 8.100 Euro verurteilt. Dagegen hatte der 54-Jährige erfolgreich Beschwerde eingelegt und war im Berufungsverfahren vergangenen Freitag freigesprochen worden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, am Dienstag reichte die Bremer Staatsanwaltschaft Revision ein.

Distanzierung gefordert

Karle wünschte sich von den evangelischen Kirchenleitungen, dass sie sich deutlich von Latzels Äußerungen distanzieren, und insbesondere von der bremischen Landeskirche, dass sie trotz des Urteils Wege suche, um den Pastor zu disziplinieren.

Pastor Olaf Latzel im Saal des Bremer Landgerichts / © Tristan Vankann (epd)
Pastor Olaf Latzel im Saal des Bremer Landgerichts / © Tristan Vankann ( epd )

Es gebe unter manchen evangelischen und katholischen Christen zwar noch die Überzeugung, dass Homosexualität eine Sünde sei. Doch in der evangelischen Kirche dürften Amtsträger so etwas nicht mehr öffentlich lehren, vor allem nicht in einer so extrem emotionalisierenden und aufstachelnden Weise, wie Latzel es getan habe. Das widerspräche der Botschaft des Evangeliums zutiefst.

Karle war von der Verteidigung Parteilichkeit vorgeworfen worden. Dies weise sie zurück, sagte sie. "Was ich vorgetragen habe, ist keine Sondermeinung, sondern Konsens in der universitären, evangelischen Ethik."

Bibel nicht "wortwörtlich" zu verstehen

Die Theologin sagte, es sei nicht möglich, die Bibel wörtlich zu verstehen, wie Latzel es über sich sage. "Wenn ich die Bibel wörtlich nehme, widerspreche ich mir laufend", betonte Karle. Sie gehe davon aus, dass Latzel kein Problem damit habe, Zinsen auf sein Konto zu erhalten. Zinsen würden aber in der Bibel sehr viel häufiger kritisiert als homosexuelle Praktiken.

Auch wenn man sich auf die Bibelstellen einlasse, auf die der Pastor sich bezogen habe, müsse man sehr genau hinsehen, sagte Karle.

In den meisten Bibelstellen werde Gewalt angeprangert, etwa Vergewaltigung und Päderastie. So lehne Paulus den sexuellen Missbrauch von minderjährigen Sklaven ab. Dies sei auch entschieden zu verurteilen. Homosexualität als menschliche Grunddisposition oder eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft sei hingegen nicht im Horizont der biblischen Autoren gewesen.

Die zentrale Botschaft der Bibel sei die Liebe zum Nächsten und die Liebe zu Gott. Das sei das Entscheidende für die Jesus-Nachfolger, unterstrich Karle. Im Neuen Testament heiße es, nehmet einander an, wie Christus euch angenommen hat - unabhängig von Herkunft oder Geschlecht. "Und ich würde hinzufügen - auch unabhängig von der sexuellen Orientierung."

 

Quelle:
epd