Wie US-Religionsführer Vorbehalte gegen das Impfen abbauen

Spritze mit Gottvertrauen

In den USA rollt die Impf-Kampagne auf Hochtouren. Ein Drittel der Bevölkerung lehnt jedoch die Anti-Virus-Spritze in den Oberarm ab. Glaubensführer verschiedener Religionen wollen das ändern und die Skeptiker überzeugen.

Autor/in:
Thomas Spang
Symbolbild: Impfung in den USA / © Tama2u (shutterstock)
Symbolbild: Impfung in den USA / © Tama2u ( shutterstock )

Impfen gegen das Corona-Virus kam für John Mayfield nicht in Frage. Davon wollte er auch seine 74-jährige Mutter überzeugen. Der schwarze Unternehmer aus Chicago ließ sich später dennoch in den Oberarm piksen - und nahm seine Mama gleich mit.

Den Sinneswandel erklärt er mit dem Einfluss, den Kirchenführer mit ihrem Engagement für das Impfen auf ihn hatten. Bei mehreren Online-Gottesdiensten hatten die Pastoren ihre schwarzen Gemeindemitglieder ausdrücklich aufgefordert, sich impfen zu lassen. "Das hat mich beeindruckt", so Mayfield, der wie viele US-Schwarze eine historisch bedingte, tief sitzende Skepsis gegenüber der "weißen" Medizin hegt.

Schwarze Bevölkerung ist skeptisch

Impfen sei "wirklich der einzige Weg", um die schwarze Bevölkerung, die von der Pandemie am stärksten betroffen ist, zu retten, so der 54-Jährige. Menschen wie Mayfield stehen im Fokus vor allem schwarzer Glaubensführer. Aber auch andere Religionsgemeinschaften müssen Überzeugungsarbeit leisten, um den Widerstand gegen das Impfen zu überwinden.

Rund ein Drittel der schwarzen Bevölkerung lehnt laut "Kaiser Family Foundation" Impfungen ab. Das hat historische Gründe. Vor allem wegen der Tuskegee-Syphilis-Studie, die der US-Gesundheitsdienst zwischen 1932 und 1972 an Hunderten schwarzen Farmpächtern in Alabama durchführte. Die Männer erhielten statt einer Therapie ein Placebo. Ein Trauma, das bis heute im kollektiven Gedächtnis nachwirkt.

Katholiken sehen Impfstoff "moralisch kompromittiert"

Der Führer der Latino-Gemeinde "Gathering Place" in Orlando ringt mit ähnlichen Problemen. Auch die Impfverweigerer bei den Hispanics erinnern an medizinischen Missbrauch der jüngeren Zeit. Frauen aus Puerto-Rico wurden jahrzehntelang zwangssterilisiert. "Gott möchte, dass du gesund bleibst, damit du dich um deine Gemeinschaft kümmern kannst", rät der evangelikale Pfarrer seiner Gemeinde.

Auch viele Katholiken haben Bedenken. Vor allem das Vakzin von Johnson & Johnson ist umstritten. Dieses sei nach Möglichkeit zu meiden, empfahlen kürzlich die US-Bischöfe, da es "moralisch kompromittiert" sei. Der Impfstoff verdanke seine Entwicklung Zelllinien abgetriebener Föten aus den 1980er Jahren, so die Begründung.

Politik und Religion soll Vertrauen schaffen

Die US-Behörden impfen die Nation seit Bidens Amtsantritt im Rekordtempo. Anfang der Woche erhielten an einem einzigen Tag fast 2,8 Millionen Menschen einen der drei zugelassenen Impfstoffe verabreicht. "Ich brauche Sie", bat Präsident Joe Biden alle Bürger um Mithilfe im Wettrennen gegen die Viren. Dabei setzt er auf die Führer von Kirchen, Synagogen und Moscheen, die wichtige Überzeugungsarbeit leisten können.

Am Ende sei alles eine Frage des Vertrauens, sagt der Direktor der "Florida Division of Emergency Management", Jared Moskowitz. Die Gemeindemitglieder kennen ihren Pfarrer, der die Menschen "dazu bringen kann, sich impfen zu lassen". Das haben auch die Gesundheitsbehörden erkannt.

Viele Fragen zur Impfung

In Philadelphia sind 40 Prozent der Einwohner schwarz, aber diese Bevölkerungsgruppe hat nur 17 Prozent der Impfdosen erhalten. Deshalb hat sich die Stadt mit den lokalen Kirchengemeinden zusammengetan, um das Vakzin unter den besonders Gefährdeten zu impfen. "Kirchen sind besonders geschickt darin, Menschen zu erreichen", so Melissa Rogers, die im Weißen Haus die Bemühungen koordiniert.

Das gilt auch für Impfaktionen in Synagogen und Moscheen. Zu Beginn des Ramadans in diesem Monat bieten viele Imame Live-Chats über Facebook an, um religiös bedingte Vorbehalte gegen das Impfen abzubauen. Viele US-Muslime fragen: "Ist der Impfstoff auch halal?"

Impfen für die Nächstenliebe

Konservative US-Juden lehnen Zwangsimpfungen rundweg ab. Aber auch orthodoxe Rabbiner versuchen die Skeptiker zu überzeugen. "Man kann ein kleines Risiko eingehen, um ein größeres zu vermeiden", so Rabbiner Adir Posy von der orthodoxen "Beth Jacob"-Synagoge in Beverly Hills.

Einen anderen Akzent setzt Pfarrer Salguero, der seiner Gemeinde das Gleichnis vom barmherzigen Samariter in Erinnerung ruft. Die Bibel sei mit der Wissenschaft in Einklang, argumentiert er. Auf sich und den anderen Acht zu geben, sei die Botschaft. "Indem du dich impfen lässt, hilfst du deinem Nächsten", predigt er. "Sich impfen zu lassen ist Teil von Gottes Plan."


Quelle:
KNA