Spanien streitet über neue Gesetze zum Schwangerschaftsabbruch

Abtreibung als Wahlkampfthema

In Spanien ist das neue Abtreibungsgesetz zu einem der großen Wahlkampfthemen für die Europawahlen am Sonntag geworden.
Nach dem Protest der Kirche und der ablehnenden Haltung eines Großteils der Bevölkerung hat die Konservative Volkspartei die neuen Regelungen als Thema für ihre Kampagne entdeckt.

 (DR)

PP-Spitzenkandidat Jaime Mayor Oreja stellte sich an die Seite der Kirche und verteidigte Kardinal Antonio Canizares, der mit einem Vergleich zwischen Abtreibung und Kindesmissbrauch jüngst für Schlagzeilen und vielerorts für Empörung sorgte.

Der frühere Erzbischof von Toledo und neue Präfekt der vatikanischen Liturgiekongregation hatte in der vergangenen Woche in einem Fernsehinterview erklärt, dass der Missbrauch von Kindern in Einrichtungen der katholischen Kirche in Irland nicht so gravierend wie die Abtreibung sei. "Was in einigen irischen Schulen geschehen sein mag, ist nicht zu vergleichen mit den Millionen Leben, die durch Schwangerschaftsabbrüche zerstört wurden", sagte Canizares.

Gegen die jüngste Lockerung der spanischen Gesetze
Mit den drastischen Worten zur Abtreibung richtete er sich auch gegen die jüngste Lockerung der spanischen Gesetze zum Schwangerschaftsabbruch durch die sozialistische Regierung von Ministerpräsident Jose Luis Rodriguez Zapatero (PSOE). Die Sozialisten verabschiedeten vor kurzem Regelungen, die Abtreibungen künftig ohne Angabe von Gründen straffrei und kostenlos bis zur 14. Schwangerschaftswoche ermöglichen. Bisher waren Abtreibungen in Spanien grundsätzlich verboten. Die seit 1985 geltende Regelung gestattete drei Ausnahmefälle: bei Vergewaltigung, bei Missbildung des Fötus sowie bei Gefährdung der physischen oder psychischen Gesundheit der werdenden Mutter. Die umstrittenste Neuerung ist allerdings, dass nun auch Minderjährige ab 16 Jahren ohne Einverständnis ihrer Eltern einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen können.

Das geht nicht nur Kardinal Canizares und Politiker Mayor Oreja zu weit. Jüngsten Umfragen zufolge spricht sich eine Mehrheit von 64 Prozent der Spanier gegen diese Neuerung aus. Selbst 56 Prozent der sozialistischen Wähler seien gegen die Regelung der Abtreibung für Teenager, wie die Tageszeitung "El Pais" berichtete. Andere Umfragen kommen zu ähnlichen Ergebnissen, was gerade mit Blick auf die Europawahlen für Unruhe unter den Sozialisten sorgte. Beirren lassen sie sich aber nicht. Verschiedentlich verteidigen Regierungsmitglieder die Änderungen - und üben deutliche Kritik an den Aussagen des Kardinals sowie an der Haltung des politischen Gegners.

"Völlig unangebracht und unverantwortlich"
Spaniens Gesundheitsministerin Trinidad Jimenez nannte es etwa "völlig unangebracht und unverantwortlich", den Missbrauch von Kindern mit der Abtreibung zu vergleichen. Und Gleichstellungsministerin Bibiana Aido warf den Konservativen vor, die Kirche in ihrer Position nur aus wahltaktischen Gründen zu unterstützten. Auch Ministerpräsident Zapatero rechtfertigte alle Teile des neuen Abtreibungsgesetzes und verwies auf ähnliche Regelungen in der Mehrzahl der 27 EU-Länder.

Trotz dieser prominenten Stimmen ist die Liberalisierung der Abtreibungsgesetzgebung nicht unumstritten und selbst sozialistische Größen wie der Regionalpräsident von Kastilien-La Mancha, Jose Maria Barreda, oder Parlamentspräsident Jose Bono stellen sich offen gegen die Neuregelungen. Die Sozialisten versuchen deshalb entgegen der PP, das Thema Abtreibung aus dem Wahlkampf herauszuhalten.

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