Rechtsextreme haben traditionell gute Chancen bei Europawahlen

Rechtskurs auf Straßburg

In den Niederlanden hatten am Donnerstag die Wahlen zum neuen Europaparlament begonnen. Erschreckend: Die rechtspopulistische Partei PVV von Skandal-Politiker Geert Wilders ist der große Gewinner. Extremisten und Populisten haben bei den Europawahlen traditionell gute Chancen.

Autor/in:
Isabel Guzmán
 (DR)

Sie  Seinen ersten Skandal auf EU-Ebene produzierte Dimitar Stojanow im Herbst 2006 mit 23 Jahren. Der Bulgare war gerade in Straßburg angekommen, um ein Amt als EU-Parlamentarier anzutreten. Kaum hatte der Politiker von der nationalistischen Ataka-Partei sich eingelebt, startete er einen verbalen Angriff auf seine ungarische Parlamentskollegin Livia Jaroka.

Jaroka, eine Christdemokratin, gehört der Minderheit der Roma an. "In Bulgarien gibt es Tausende Zigeunermädchen, die viel hübscher sind", ließ Stojanow sämtliche EU-Abgeordnete per E-Mail wissen. "Man kann sie auch kaufen, die besten kosten 5.000 Euro."

Töne dieser Art hört man im EU-Parlament immer wieder - auch wenn die Empörung über Stojanow damals groß war. Extremisten und Populisten haben bei den Europawahlen traditionell gute Chancen, was unter anderem an der niedrigen Wahlbeteiligung liegt. Beobachter gehen davon aus, dass Gruppierungen am rechten Rand beim Urnengang vom 4. bis 7. Juni ähnlich gut abschneiden wie bei der letzten Wahl 2004.

Die Wirtschaftskrise gibt Anlass zur Sorge
Im Zuge der EU-Osterweiterung 2004 und 2007 war bereits eine ganze Reihe von Hardlinern ins Parlament gelangt. Bedeutende rechtsgerichtete Strömungen gibt es derzeit etwa in Polen, Rumänien, Ungarn und der Slowakei. Im Moment umfasst das EU-Parlament mit seinen 785 Sitzen rund 60 offen rechtsradikale Abgeordnete, wie der britische Labour-Parlamentarier Glyn Ford sagt. Dazu kommen noch zahlreiche Politiker, die schwer zu fassenden populistischen Bewegungen angehören.

Dabei ist das Phänomen längst nicht auf Osteuropa beschränkt. "Die Wirtschaftskrise gibt im Moment flächendeckend Anlass zur Sorge", so Ford, der die rechtsextreme Szene Europas seit langem beobachtet. Ob Hetze gegen Juden, Roma, Muslime, Schwule oder andere Minderheiten - damit lasse sich in der EU zunehmend punkten, glaubt er.

Geringe Chancen in Deutschland
In Österreich könnte die FPÖ sich von einem auf drei Sitze steigern. Auch die "British National Party" (BNP) könnte ins Parlament einziehen. In Italien ist die "Lega Nord", in Belgien der "Vlaams Belang", in Dänemark die "Volkspartei" gut aufgestellt. In Frankreich dagegen ist es mit der "Front National" um Jean Marie Le Pen vergleichsweise schlecht bestellt. Sie könnte vier ihrer bisher sieben Sitze verlieren.

In Deutschland treten sowohl die "Deutsche Volksunion" (DVU) als auch die Republikaner zur Wahl an. Da die Gruppierungen sich gegenseitig Konkurrenz machen, werden die jeweiligen Chancen, die Fünf-Prozent-Hürde zu knacken, als sehr gering eingestuft. Wenig Aussichten hat auch die skandalträchtige tschechische "Nationalpartei", die kürzlich mit der Forderung nach einer "Endlösung für die Zigeunerfrage" für Empörung gesorgt hatte.

"In Osteuropa auf dem rechten Auge blind"
Auch bei bedeutenden Stimmzahlen wird die Schlagkraft der europäischen Rechten begrenzt bleiben. Das war schon in der Wahlperiode 2004-2009 zu beobachten: Wegen nationalistischer Ressentiments waren die Abgeordneten häufig nicht zu einer Zusammenarbeit bereit. So zerbrach die rechtsextreme Fraktion "Identität-Tradition-Souveränität" (ITS) an einem Streit zwischen rumänischen und italienischen Mitgliedern.

Dennoch rufen moderate Politiker wie etwa der amtierende Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering (CDU) zu einer breiten Beteiligung an den Wahlen auf, um dem Extremismus entgegenzuwirken.

Der britische Journalist und Extremismus-Experte Graeme Atkinson sieht auch die neu gewählten Parlamentarier und die übrigen EU-Institutionen in der Pflicht. Es seien mehr Initiativen gegen Rechts auf EU-Ebene nötig, sagt er. "Gerade was Osteuropa angeht, ist die EU auf dem rechten Auge blind."