Sorge nach Vorfällen an Synagogen in Essen und Berlin

"Besorgniserregender Trend"

Nach zwei Vorfällen an Synagogen in Deutschland zeigt sich die Orthodoxe Rabbinerkonferenz beunruhigt. Es gebe immer mehr Angriffe in kürzeren Abständen. Dies sei ein besorgniserregender Trend, heißt es in einer Stellungnahme.

Autor/in:
Paula Konersmann
Polizeibeamte sichern Spuren an der Synagoge in Essen / © Justin Brosch (dpa)
Polizeibeamte sichern Spuren an der Synagoge in Essen / © Justin Brosch ( dpa )

"Was ist bloß los in unserem Land, in dem inzwischen im Wochentakt, wenn nicht kürzer, jüdisches Leben attackiert wird", schreiben die Rabbiner in einer Stellungnahme  vom Wochenende. Zuvor hatte die Berliner Polizei von einem Diebstahl und Beschädigungen an der Synagoge im Stadtteil Schöneberg berichtet. Bereits am Freitag waren Einschusslöcher an der Alten Synagoge in Essen entdeckt worden.

Einschusslöcher bei Synagoge in Essen / © Justin Brosch (dpa)
Einschusslöcher bei Synagoge in Essen / © Justin Brosch ( dpa )

Angriffe in kürzeren Abständen

Es gebe eine "nie dagewesene Dichte an Initiativen zur Antisemitismus-Bekämpfung", so die Rabbinerkonferenz weiter. "Offenbar reicht das alles nicht aus." Vielmehr zeige sich ein "besorgniserregender Trend": Derartige Angriffe nähmen nicht nur zu, sondern geschähen auch in immer kürzeren zeitlichen Abständen. "In einem Teil der Gesellschaft hat sich ein gefährlicher antisemitischer und antiisraelischer Cocktail zusammengebraut."

Konferenz der Europäischen Rabbiner (CER)

Die Konferenz der europäischen Rabbiner (CER) ist die primäre orthodoxe rabbinische Allianz in Europa. Es vereint mehr als 700 religiöse Führer der Mainstream-Synagogengemeinschaften in Europa. Es wurde 1956 auf Initiative des britischen Oberrabans Sir Israel Brodie gegründet, um die besiegten jüdischen Gemeinden auf dem europäischen Festland wiederzubeleben. Brodie wurde von dem Oberrabbiner von Frankreich, Jacob Kaplan, dem Oberrabbiner von Amsterdam, Aharon Schuster und dem britischen sephardischen spirituellen Führer Hacham Gaon unterstützt.

Rabbiner in einer Jüdischen Synagoge / © Axel Heimken (dpa)
Rabbiner in einer Jüdischen Synagoge / © Axel Heimken ( dpa )

Die Rabbinerkonferenz rief zum Einsatz für jüdisches Leben und Religionsfreiheit auf. Als Bürgerinnen und Bürger, die seit vielen Generationen in Deutschland lebten, werde man sich nicht einschüchtern lassen: "Wir bleiben hier, schauen nach vorne und machen weiter."

In Berlin ermittelt der Staatsschutz wegen Beschädigungen an der Synagoge in Schöneberg. Unbekannte hatten in der Nacht von Freitag auf Samstag die Klingel an der Haustür des dort wohnenden Rabbiners beschädigt, Unrat deponiert und ein traditionelles jüdisches Holzkästchen mit einem Schriftstück entwendet. Die sogenannte Mesusa gilt als Talisman.

Schutzmaßnahmen wurden verstärkt

In Essen laufen die Ermittlungen wegen Einschusslöchern am Rabbinerhaus der Alten Synagoge weiter. Die Schutzmaßnahmen an den jüdischen Einrichtungen seien verstärkt worden, teilte die Polizei am Samstag mit. Sie würden kontinuierlich überprüft und angepasst.

Der Essener Polizei liegt nach eigenen Angaben eine Videoaufnahme vor, "auf der eine Person bei einer Schussabgabe zu erkennen sein könnte". Wegen schlechter Aufnahmequalität konnten bislang keine genaueren Angaben gemacht werden. In den Räumlichkeiten der Alten Synagoge befindet sich heute das Haus der jüdischen Kultur mit einer Dauerausstellung. Im Rabbinerhaus ist das Salomon Ludwig Steinheim-Institut für deutsch-jüdische Geschichte der Universität Duisburg-Essen untergebracht.

Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hatte nach Bekanntwerden des Vorfalls in Essen von einem "Angriff auf unsere gemeinsamen Werte" gesprochen. Auch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) zeigte sich "entsetzt über diesen neuerlichen Angriff auf jüdisches Leben in Deutschland".

Antisemitismus

Antisemitismus nennt man die offen propagierte Abneigung und Feindschaft gegenüber Juden als Volksgruppe oder als Religionsgemeinschaft. Der Begriff wird seit dem 19. Jahrhundert gebraucht, oft als Synonym für eine allgemeine Judenfeindlichkeit. Im Mittelalter wurden Juden für den Kreuzestod Jesu verantwortlich gemacht und als "Gottesmörder" beschuldigt. Während der Kreuzzüge entlud sich die Feindschaft in mörderischen Ausschreitungen, Vertreibungen und Zwangsbekehrungen.

Teilnehmende einer Demonstration zur Solidarität mit Israel / © Michael Kappeler (dpa)
Teilnehmende einer Demonstration zur Solidarität mit Israel / © Michael Kappeler ( dpa )
Quelle:
KNA