Religionslehrer kritisieren Richtlinie zu multireligiösen Feiern

Unmut im Kollegium

Die katholischen Religionslehrer an Gymnasien im Erzbistum Köln haben das Verbot multireligiöser Feiern an Schulen durch Kardinal Joachim Meisner als widersprüchlich und unangemessen bezeichnet. Kritik kommt auch von Integrationsminister Laschet, der Kirchenbeauftragten der Bundestags-Unionsfraktion, Ingrid Fischbach (CDU) und der Islambeauftragten der SPD-Bundestagsfraktion, Lale Akgün. Das Erzbistum weist die Kritik erneut zurück. Der katholische Theologe Prof. Albert Biesinger (Uni Tübingen), erläutert im domradio-Interview (Text), was sich hinter der momentan Aufregung verbirgt.

 (DR)

NRW-Integrationsminister Armin Laschet (CDU) übte am Donnerstag Kritik an der Richtlinie des Erzbischofs. "Unsere Zeit braucht nicht weniger, sondern mehr Gemeinsamkeit zwischen den Religionen", sagte der Minister. Im interreligiösen Dialog stehe er Papst Benedikt XVI. näher als Kardinal Meisner. Die jüngste Türkei-Reise des Papstes habe ihn "sehr beeindruckt".

"Bischöfe sehen Feiern ausdrücklich vor"
Auch die Kirchenbeauftragte der Bundestags-Unionsfraktion, Ingrid Fischbach (CDU), äußerte ihr Unverständnis. Der interreligiöse Dialog gewinne in einer pluraler werdenden Gesellschaft immer mehr an Bedeutung, erklärte sie in Berlin. Angesichts der auf verschiedensten Ebenen stattfindenden Dialogbemühungen sei ein "Verbot multireligiöser Feiern" an Schulen nur schwer nachzuvollziehen.

Fischbach betonte, die Handreichung der Bischöfe sehe multireligiöse Feiern an Schulen ausdrücklich vor und betone, dass "das multikulturelle Zusammenleben und -arbeiten zum Alltag gehört, den es gemeinsam zu gestalten gilt". Gewarnt werde vor einem Automatismus von Feiern. Die Angst, es käme zu einer Vermischung der Religionen und Gottesvorstellungen, sollte beim Umgang mit solchen Feiern nicht handlungsleitend sein, mahnte die CDU-Politikerin und sprach von falsch verstandener Identitätsabgrenzung.

Die Islambeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, Lale Akgün, rief alle Lehrer auf, den Vorgaben Meisners nicht zu folgen. Dessen Bestrebungen seien ein Schlag ins Gesicht derer, die sich um Dialog der Religionen und um gelungene Integration mühten, erklärte die Kölner SPD-Bundestagsabgeordnete in Berlin. Auch Akgün nahm auf die Türkeireise des Papstes Bezug, bei der sich das Kirchenoberhaupt als wahrer Brückenbauer erwiesen und alles für ein besseres Verständnis zwischen Christentum und Islam getan habe. Meisner konterkariere alle Signale, die der Papst in der Türkei ausgesandt habe. Die Sozialdemokratin warf dem Kardinal zudem ein "archaisches Religionsverständnis" vor, weil er keine Identität zwischen dem Gottesbild der nichtchristlichen Religionen und dem Gottesbild der Christen sehe.

Schulministerium stimmt Meisner zu
Das nordrhein-westfälische Schulministerium respektiert die Haltung des Kölner Kardinals Joachim Meisner zu multireligiösen Feiern an Schulen. Solche Veranstaltungen seien freiwillige Bestandteile des Schulprogramms, über die die Religionsgemeinschaften jeweils eigenständig entscheiden könnten, sagte Ministeriumssprecherin Nina Schmidt am Donnerstag in Düsseldorf.

Erzbistum weist Kritik erneut zurück
Das Erzbistum wies die Kritik erneut zurück. Der Kölner Generalvikar Dominik Schwaderlapp betonte im Interview der "Kölnischen Rundschau" (Donnerstag), die Unterschiede zwischen den Religionen dürften nicht verwischt werden. Darum seien in Schulen keine Veranstaltungen möglich, bei denen etwa ein katholischer und ein muslimischer Geistlicher gemeinsam beteten oder Gottesdienst hielten.

"Kinder können dies nicht unterscheiden"
Auch Papst Benedikt XVI. habe in Istanbul nicht gemeinsam mit einem muslimischen Geistlichen gebetet, sondern schweigend dabei gestanden, sagte Schwaderlapp. "Nur können Kinder dies nicht unterscheiden." Deshalb solle es an Schulen getrennte Gottesdienste geben. "Ansonsten sind wir offen für Begegnungen zwischen den Religionen, wo immer dies möglich und sinnvoll ist."

Die Richtlinie des Kardinals vom November sieht vor, dass es an katholischen Schulen im Erzbistum Köln keine multireligiösen Feiern mehr geben soll. Auch an staatlichen Schulen in der Erzdiözese sollten katholische Religionslehrer dafür Sorge tragen, dass solche Veranstaltungen ohne Beteiligung der katholischen Kirche stattfinden. Nach Angaben eines Sprechers des Erzbistums hat Meisner damit nur präzisiert, was die Deutsche Bischofskonferenz bereits 2003 in einer Handreichung geschrieben hat.

Wie sieht es die evangelische Kirche?
Multireligiöse Feiern in Kindergärten und Schulen seien möglich, sagte der Sprecher der Evangelischen Kirche im Rheinland, Jens-Peter Iven, dem epd in Düsseldorf. "Gemeinsames Beten ist eher schwierig, wir glauben aber, dass es möglich ist, nebeneinander zu beten." Wenn Kinder unterschiedlicher Religionen gerade in der Adventszeit zusammen feierten, sei das auch eine Gelegenheit, etwas voneinander zu lernen, sagte Iven.

Die Evangelische Kirche von Westfalen befürwortet eine Teilnahme am Gebet der jeweils anderen Religion, spricht sich aber gegen ein gemeinsames Gebet aus. "Ein Jude kann nur als Jude, eine Christin nur als Christin, ein Moslem nur als Moslem beten", stellt die westfälische Kirche in einer Handreichung zu multireligiösen Feiern zum Schulanfang fest. Bei religiösen Schulfeiern "sollten nur Gebete aus der jeweils eigenen Glaubenstradition gesprochen werden, wobei die anderen zum achtungsvollen Hören eingeladen sind".

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) unterscheidet in ihrer kürzlich veröffentlichten Denkschrift "Klarheit und gute Nachbarschaft" zulässige "multireligiöse Gebete" und nicht mögliches "interreligiöses Beten". Bei multireligiösen Gebeten wird nebeneinander gebetet. Beim interreligiösen Gebet sprechen Menschen unterschiedlichen Glaubens dasselbe Gebet. Das interreligiöse Gebet komme aus theologischen Gründen nicht in Betracht. Auch sei "jedes Missverständnis, es finde ein gemeinsames Gebet statt, zuverlässig zu vermeiden".

Und der Islam?
Der Vorsitzende des Islamrates für die Bundesrepublik Deutschland, Ali Kizilkaya, äußerte Verständnis für Meisner. Er
könne es "nachvollziehen", wenn die katholische Kirche um "ihr Profil besorgt" sei. Kizilkaya betonte zugleich, er sehe kein Problem darin, wenn Schüler den Feiern einer anderen Religion beiwohnen. Dadurch werde man die eigene Religion nicht verleugnen.

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