Regensburger "Austrittstelefon" bietet Gesprächsangebot

"Wut, Zorn und Enttäuschung"

"Zurzeit ist es nur Dampf ablassen", erklärt einer der Gesprächspartner des Bistums Regensburg. Das Bistum bietet ein "Austrittstelefon" an, um Gründe und Anliegen zu erfahren, die für Frustration bei den Menschen sorgen.

Symbolbild Kirchenaustritt / © Harald Oppitz (KNA)
Symbolbild Kirchenaustritt / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Ein Austrittstelefon im Bistum Regensburg – das wird nicht dazu da sein, die Menschen zu beraten, wie sie am schnellsten aus der Mitgliedschaft in der katholischen Kirche herauskommen. Was ist das Anliegen?

Thomas Pinzer (Leiter des Seelsorgeamts im Bistum Regensburg): Nein, natürlich nicht. Wir wollen einfach ein offenes Ohr haben, um die Sorgen, Anliegen und vielleicht auch die Gründe zu hören, was denn für diese Frustration nun verantwortlich ist. Wenn Leute austreten, sind sie ja eher enttäuscht, frustriert, wütend und zornig. Für all das wollen wir ein offenes Ohr haben. Die Beratung ist natürlich ergebnisoffen. Ob so ein Telefonat schon jemand abgehalten hat vom Kirchenaustritt, das weiß ich nicht ganz genau. Einige Telefonate enden sehr gut und positiv, bei anderen Telefonaten merkt man schon, man hat jetzt irgendwie nichts erreichen können.

DOMRADIO.DE: Ist es so gedacht, dass man tatsächlich Menschen, die noch so ein bisschen wanken, berät? Oder ist es nur zum Dampfablassen da?

Pinzer: Es ist beides. Zurzeit ist es wirklich nur Dampf ablassen, Zorn und Wut, die da hochkochen, eben aus den bekannten Gründen. Letzte Woche war die Vorstellung des Missbrauchsgutachten, dann kamen die Äußerungen vom Papst em. Benedikt XVI.. Das spielt natürlich viel rein, dass momentan die Emotionen sehr hochkochen. Zurzeit hören wir sehr viel Wut, Zorn und Enttäuschung.

DOMRADIO.DE: Spüren Sie also einen Unterschied der Gesprächs- und Gemütsverfassung im Gegensatz zum Sommer zum Beispiel, da ist ja für gewöhnlich das Austrittstelefon geschaltet, weil die Zahlen der Austritte veröffentlicht werden?

Pinzer: Ja, natürlich. Wie schon gesagt, man kriegt jetzt sehr viel Zorn und Wut mit. Das war bei den normalen Austrittstelefonaten, wenn wir jedes Jahr im Sommer was angeboten haben, nicht so. Da hat man schon damals die ganze Lebensgeschichte erfahren.

Das war schon fast ab und zu ähnlich wie bei der Telefonseelsorge, dass man sich einfach mal was anhört und die Erfahrungen mitkriegt, die ein Mensch so gemacht hat. Aber zurzeit sind wirklich sehr viel Emotionen da, sehr viel Wut und sehr viel Enttäuschung. Frauen, die sich lauthals beschweren und sie sagen, ihre Kinder schicken sie nie wieder mit einer Pfarrei mit ins Ferienlager. Das ist alles zurzeit emotional sehr aufgeladen.

DOMRADIO.DE: Fällt es Ihnen leicht, den Menschen vielleicht auch Argumente für ein Verbleiben in der Kirche zu sagen?

Pinzer: Ja, das ist natürlich immer mit sehr viel Vorsicht zu genießen. Man kommt dann schnell in das Fahrwasser, man will wieder alles schön und gut reden. Im Normalfall gebe ich vielen Leuten auch Recht und sage, ich kann das auch nicht verändern und ich kann nur ihre Wut, ihren Zorn mit aushalten. Ich bin auch wütend. Ich bin auch enttäuscht. Ich bin auch zornig. Ich kann das verstehen. Aber wenn es einen guten Augenblick gibt, versuche ich schon auch darauf hinzuweisen, dass die Kirche auch viel Gutes tut: all die Kindertagesstätten, Pflegestationen, Krankenhäuser, soziales Engagement, Unterhaltung von Schulen. Ich versuche dann schon darauf hinzuweisen, dass die Kirche auch was Gutes tut. Da muss man aber sehr vorsichtig sein. Das kann auch falsch verstanden werden.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.

Quelle:
DR